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Landeshauptstadt: Es geht auch Krüger

Makler ließ Schriftzug der „Weltbühnen“-Druckerei Edmund Stein abschlagen

Innenstadt - Wenn Eberhard Koestler aus Tutzing auf das Nauener Tor zugeht, schaut er nicht selten gedankenverloren nach rechts durchs Fensterglas ins Innere des Café Heider. Er sieht dort Carl von Ossietzky sitzen, sieht wie er Artikel schreibt und Bögen korrigiert. Koestler ist Vorsitzender des Verbandes deutscher Antiquare. Auch in seiner Heimat Bayern interessiert er sich für „literarische Topografie“, für die Orte der Literaten, der Schriftsteller, Publizisten, Journalisten. Er stellt sich vor, wie es war in der Weimarer Republik, als der spätere Friedensnobelpreisträger das Café Heider verlies, um am Nauener Tor links abbiegend die wenigen Schritte in die Hegelallee 53 zu gehen und in der noch heute existierenden Druckerei Edmund Stein die „Weltbühne“ in den Druck zu geben. Antiquar Koestler fand es immer „ganz pfundig“, noch über der Toreinfahrt den Schriftzug „Edmund Stein Druckerei seit 1887“ zu lesen, noch dazu „sehr schön restauriert“.

Bei seinem letzten Spaziergang auf den Spuren des 1936 nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager gestorbenen Pazifisten hat Koerber „gedacht, mich laust der Affe“. Er sieht auf die Schrift über der Toreinfahrt – und liest „Thomas Krüger Versicherungsmakler“.

„Es sah unansehnlich aus.“ Nur fünf Buchstaben seien erhalten gewesen. Außerdem wollte er Werbung an dem von ihm erworbenen und sanierten Haus Hegelallee 53 haben – die Kunden sollen ihn nach seinem Umzug ja auch finden. Also lies Thomas Krüger die alten Betonbuchstaben abschlagen und dafür seinen Namen „in dem historischen Stil und mit den gleichen Buchstaben“ anbringen. Ob die Denkmalschutzbehörde dem zugestimmt hat? „Ich habs ihr nicht erzählt“, verrät Krüger. Über die Geschichte von Haus und Hof wisse er aber Bescheid. „Bei uns hat sich noch niemand beschwert.“ Krüger informiert, dass sein neuer Schriftzug „ordentlich gemacht“ und „ein Heiden Geld gekostet“ hat. Er spricht von „tausenden Euro“ und dass man ihm zugute halten möge, dass er „keine Neonröhren“ verwendet hat. „Das ist kein Null-acht-15“, findet Krüger.

Im kommenden Jahr feiert die Druckerei Edmund Stein das 115. Betriebsjubiläum, sagt Prokurist Andreas Wild. Aber es gebe neue Gesellschafter, der Bezug zur Familie Stein sei „nicht mehr gegeben“. Das der originale Schriftzug am Vorderhaus nicht mehr existiert, „damit haben wir kein Problem“, so Wild. Am Hinterhaus stehe es ja dran. Wild erläutert, dass die Druckerei gern ein anderes Domizil in Potsdam hätte, weil ständig alles zugeparkt sei. „Es ist kein Arbeiten“, so Wild. Leider habe die Druckerei einen langfristigen Mietvertrag für die Hegelallee 53.

Der „Zustandsstörer“ wird befragt, kündigte Stadtkonservator Andreas Kalesse an. Das Abschlagen der vormaligen Buchstaben sei „unerlaubt geschehen“. Nun werde ein Anhörungsverfahren eingeleitet. Kalesse sagte, es sei der Denkmalschutzbehörde wichtig, „eine besondere historische Stätte in ihrem allseits bekannten Bild zu erhalten“. Der Wiedererkennungswert müsse da sein. Das Interesse von Antiquar Koerber erkennt Kalesse an: Es gebe eine Wahrnehmungsvielfalt, der eine wolle in Potsdam das Schloss Sanssouci sehen, der andere eben die Druckerei Edmund Stein.

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