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Im Restaurant "Hiemke" in Babelsberg begrüßte Mitinhaberin Stefanie Zander die Gäste.

© Andreas Klaer

Erstes Wochenende mit geöffneter Gastronomie: Überall das „Endlich mal wieder”

Potsdam erwacht nach dem Coronaschlaf zu neuem Leben. Viele Tagesausflügler kommen – aber die Gastronomen sorgen sich.

Von Carsten Holm

Potsdam - Sandra und Michael Thomas aus Kleinmachnow steigen am Pfingstmontag um 10 Uhr am Steg von „Huckleberrys” an der Schiffbauergasse auf die „Mrs. Peters”, ihre Kinder Fox, 3, Freya, 5, und Fynn, 12, machen es sich gleich auf dem Dach bequem. Dann geht es bei schönstem Frühlingswetter mit Freunden zu acht mit dem Floß auf die Havel, Kartoffelsalat und Würstchen, Kaffee, Wein und Wasser haben sie mitgebracht. Schon dreimal war die Familie voriges Jahr mit einem Huckleberry-Floß unterwegs, aber nach der langen Corona-Pause ist dies ein besondere Tour. „Endlich mal wieder”, sagt Sandra Thomas.

Pfingstwochenende, Corona-Lockerungen in Potsdam. Familie Thomas (Finn, Freya und Fox mit den Eltern Sandra und Michael) aus Kleinmachnow machen eine Tagestour auf einem Floß.
Pfingstwochenende, Corona-Lockerungen in Potsdam. Familie Thomas (Finn, Freya und Fox mit den Eltern Sandra und Michael) aus Kleinmachnow machen eine Tagestour auf einem Floß.

© Andreas Klaer

„Endlich mal wieder” sagt auch der Babelsberger Torsten Prasse, als er nach dem Essen im „Hiemke” auf der Terrasse sein erstes Radler nach langer Zeit genießt. In der „Bar Fritz´n” in der Dortusstraße schlürfen Vanessa Jakobi und Christel Schmuck am Sonntag einen Daiquiri und einen Cosmopolitan, ihre ersten Cocktails im Freien nach der staatlich verordneten Abstinenz – endlich mal wieder.

Potsdam, so scheint es, ist über Pfingsten aus dem Coronaschlaf zu neuem Leben erwacht. Unübersehbar ist überall der Stimmungswandel, seit am Freitag die rigiden Vorschriften der Bundesnotbremse ausgesetzt wurden. Die neue Freiheit in der Freizeit wurde möglich, weil die Inzidenz, die Zahl der Neuinfektionen bezogen auf 100.000 Einwohner, fünf Tage lang unter 100 geblieben war. Die Folge: Grünes Licht für die Außengastronomie und den Einkauf in den Einzelhandelsgeschäften mit Maske, aber ohne Anmeldung und Corona-Test.

Dank der gesunkenen Corona-Zahlen darf die Außengastronomie in Potsdam wieder öffnen.
Dank der gesunkenen Corona-Zahlen darf die Außengastronomie in Potsdam wieder öffnen.

© Andreas Klaer

Die Stadt kam in Bewegung. Gruppen von Fahrradfahrern auf dem Weg nach Werder oder zum Wannsee, endlich mal wieder viele Passanten in der monatelang oft ausgestorbenen Brandenburger Straße. Und vor vielen Geschäften wie der Bäckerei Fahland plötzlich Stühle, auf denen es wieder erlaubt war, Platz zu nehmen für Kaffee und Kuchen. Dann die lange verbotene Rast am Mittag oder Abend zum Essen mit Bier und Wein, ob unter den großen Schirmen des Vietnamesen „My Keng” oder vor der Taverne „Tou Bakali” in der Dortustraße.

800 Tests allein am Sonntag

Lange Schlangen an den Testzentren waren ein Indiz für die Lust der Potsdamer am Ausflug. Die Familien Schulz und König aus Fahrland reihten sich am Montag im Medicare-Zentrum am Bassinplatz ein, weil sie bei einem Griechen in Groß Glienicke essen wollten – und dafür einen Schnelltest brauchten. Rund 800 Bürger wurden allein am Sonntag bei Medicare am Brandenburger Tor getestet. „Nicht einer war positiv”, sagte Mitarbeiter Leonardo Mazzocchi den PNN, „und fast alle wollten endlich mal wieder in ein Restaurant”.

Vor vielen Testzentren in der Innenstadt bildeten sich am Wochenende lange Schlangen.
Vor vielen Testzentren in der Innenstadt bildeten sich am Wochenende lange Schlangen.

© Andreas Klaer

Das war schon was, trotz manchen Regenschauers am Samstag: Mal wieder auf der großen Terrasse des „Café Heider” am Nauener Tor oder im „Alex” in der Wilhelm-Galerie Rast zu einem Imbiss zu machen oder nebenan, im „Dolce Vita”, einen Eisbecher zu genießen.

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„Die Kundinnen haben endlich ein Stück Normalität zurückbekommen”, freute sich Kristina Hasenstein, Inhaberin von „Mode und Design Potsdam” in der Brandenburger Straße, sie könnten müssten „endlich wieder ganz spontan ohne Test und Buchung hineinkommen, um etwas zu entdecken”. Die Leute seien sehr entspannt. Ihr Fazit: „Potsdam lächelt wieder.”

Rembrandt-Ausstellung im Barberini ausgebucht

Ob im Holländischen Viertel, am Hafen oder in den Schlössern und Gärten von Sanssouci: Viele Einheimische waren unterwegs, allmählich aber finden auch Touristen den Weg nach Potsdam. Der Zutritt in die Top-Museen der Stadt ist durch die Corona-Vorschriften beschränkt, die Nachfrage aber groß. „Rembrandts Orient” im Museum Barberini war, sagt Sprecher Achim Klapp, über Pfingsten ausgebucht, alle Viertelstunde erhielten 20 Besucher nach einer Fiebermessung Einlass. Pro Tag dürfen jetzt rund 660 Besucher ins Haus – weniger als ein Drittel der üblichen Zahl bei einer großen Ausstellung.

Die Schlösserstiftung registrierte über Pfingsten, so Sprecher Frank Kallensee, seit der Öffnung der Schlösser Sanssouci und Cecilienhof am Freitag eine „stetige Steigerung”. 294 Besucher dürfen täglich in Sanssouci eingelassen werden, am Sonntag waren es schon 287. Im Cecilienhof ist die Zahl auf 234 begrenzt, am Sonntag kamen 189. Für beide Schlösser, betont Kallensee, seien FFP2-Masken vorgeschrieben.

Weiße Flotte noch ohne Gastronomie unterwegs

„Es läuft langsam wieder an”, resümierte Silvio Löschner, Einsatzleiter bei der Weißen Flotte, die Pfingsttage. Täglich legen die Schiffe zweimal zum Wannsee und zweimal nach Werder am Hafen ab, dazu an den Wochenenden die Wassertaxis. Die Bilanz: am Samstag 400 Fahrgäste, am Sonntag schon 550 in den Schiffen und Taxis, „Pfingstmontag können wir 800 erreichen”. Die Schiffe sind im Linienverkehr unterwegs, eine Gastronomie ist an Bord noch nicht erlaubt - immerhin durften die Ausflügler sich vor Regenschauern unter Deck schützen.

Pfingstwochenende, Corona-Lockerungen in Potsda. Die "Weiße Flotte Potsdam" bot mehrmals täglich Linienfahrten nach Werder und zum Wannsee an.
Pfingstwochenende, Corona-Lockerungen in Potsda. Die "Weiße Flotte Potsdam" bot mehrmals täglich Linienfahrten nach Werder und zum Wannsee an.

© Andreas Klaer

Noch sind Besucher aus dem Ausland eine Rarität – die meisten Potsdam-Touris reisen offenbar zu Tagesausflügen aus dem Inland an. Isabella Peri etwa, eine Landschaftsarchitektin aus Heidelberg, ließ sich die Stadt am Wochenende von ihrer Potsdamer Freundin, der Stadtplanerin Marie Lück, zeigen. Sie hatte Glück, bei ihrer Freundin eine Bleibe zu finden – die Hotels sind noch nicht geöffnet. Jenny Hofmann und Michael Strohbach kamen aus der Nähe von Burg bei Magdeburg, spazierten durch die Gärten am Schloss Sanssouci, sahen den Rikscha-Fahrer Jan Kuppert und stiegen ein. Eine Stunde ging es entlang einiger Highlights der Stadt bis zur Historischen Mühle. „Es war wunderbar. Er hat alles gezeigt und erklärt”, sagte Strohbach, „die 30 Euro für uns zwei haben wir gern bezahlt.”

Ingrid Rux, ihre Mutter Monika Sass und ihr Ehemann Michael Rux machten sich in Schildow bei Oranienburg auf den Weg und stiegen in eine Pferdekutsche von Bernd Sengebusch. Sie hatten keinen aktuellen Corona-Test und staunten nicht schlecht, als Sengebusch kurzerhand eine Klappe unter dem Hänger öffnete und ihnen zum Preis von fünf Euro pro Person einen Selbsttest anbot.

Selbsttest für fünf Euro vor Ort

Auch viele Restaurants wie das „Otto Hiemke” in Babelsberg bieten die Utensilien für einen Selbsttest zum Selbstkostenpreis von fünf Euro an. „Aber der gilt im Gegensatz zu den Tests in den Zentren nur in unserem Haus”, weiß Inhaber Daniel Zander. Er ist erleichtert, wenigstens draußen servieren zu können, am Freitag und am Pfingstmontag waren alle 48 Außenplätze besetzt. Nur. Die Gäste verweilten nicht lange, vor allem am kühlen Samstag nicht: „Schnell essen, zwei Getränke, Danke sagen und wieder los”, erzählt der Chef. Aber er habe auch Gäste begrüßt, „die sich bei uns testen ließen, nur um endlich mal wieder zwei Bier auf der Terrasse zu trinken”.

Auch im Babelsberger Kiez hatten die ersten Bars und Kneipen ab Freitag Stühle nach draußen gestellt. Das „Happy Hour” in der Rudolf-Breitscheid-Straße empfing ebenso Gäste wie die Kneipe „Zum Löwen”. Ausgebucht waren am Freitagabend die Tische der Thalia-Kinobar „Konsum”. Dank der brandenburgischen Regelung, im Gegensatz zu Berlin keine Ausschankverbote von Alkohol nach 23 Uhr zu erlassen, wurde in Babelsberg noch der Samstag begrüßt.

Sanitäranlagen geschlossen

30 Jahre war der „Königliche Campingplatz Sanssouci” über Pfingsten ausgebucht. Das war auch in diesem Jahr so – nur sei am Samstag ein Viertel der Gäste nicht angereist, erzählte Chef Dieter Lübberding den PNN. Manche hätten sich daran gestört, dass die Sanitäranlagen auf den brandenburgischen Campingplätzen geschlossen bleiben müssten.

Coronalockerungen am Pfingstwochenende in Potsdam. Campingplatz "Sanssouci" Potsdam.
Coronalockerungen am Pfingstwochenende in Potsdam. Campingplatz "Sanssouci" Potsdam.

© Andreas Klaer

Die Familien Ramm und Witt aus Zittau ließen sich davon nicht beirren. Sie kamen für drei Tage mit ihren Töchtern Hanna und Leni auf den hochdekorierten Platz am Templiner See. „Wir haben ja ein Chemieklo und eine Dusche in unseren Campern”, sagte Katja Ramm den PNN. Sie sind ohnehin hart im Nehmen: mit den beiden Schlauchbooten mit Außenbordern brachen sie am Samstag trotz widrigen Wetters zum Wannsee auf. Zwei Stunden hintuckern, zwei zurück. Unterwegs kurz angelegt, um Kaffee, Wein und Kekse aus den Seerucksäcken zu servieren.

Gastronomen zeigen weniger Verständnis

Trotz der Öffnung der Außengastronomie sind die Gastronomen noch immer arg gebeutelt, ihr Verständnis für die Corona-Maßnahmen schwindet von Woche zu Woche mehr. Mario Kade, Chef des Restaurants „Am Pfingstberg”, hat Luftreinigungsanlagen angeschafft, die, so der Gastronom, 95 Prozent der Keime und alle Aerosole herausfiltern. Allein: Innen ist der Betrieb nach wie vor nicht erlaubt.

Mario Kade am Sonntag bei der Arbeit.
Mario Kade am Sonntag bei der Arbeit.

© dpa

Kade hat, um seinen Gästen den Besuch der großen Aussichtsterrasse komfortabel zu gestalten, vier Pavillons installieren lassen. Dennoch hätten die Restaurantbesucher wegen des Wetters „im Zug und im Regen gesessen”, 30 Prozent der Reservierungen seien storniert worden. Außerdem störe ihn, „dass ich wie ein Grenzbeamter am Eingang die Tests kontrollieren muss”. Das mache „keinen Spaß” und sei „nicht ansatzweise kostendeckend”. Sein Fazit der teilweisen Öffnung der Gastronomie: „Es muss jetzt draußen und drinnen richtig losgehen, sonst wird die Luft knapp.”

Manchen Gastwirten ist die Lage zu unsicher, um ihre Restaurants jetzt zu öffnen. Maria Josefina Quero, Inhaberin der beliebten Tapas-und Weinbar „Mea Culpa” an der Dortustraße, sagt, die Schwankungen des Wetters seien zu groß, um nur auf die Außengastronomie zu setzen. Außerdem wolle sie „abwarten, ob die Inzidenzzahlen weiterhin niedrig bleiben”, auch wenn sie und ihr Team „heiß darauf sind zu öffnen”.

Genau gerechnet hat Jörn Rohde, Inhaber der Kneipe „Hafthorn” an der Friedrich-Ebert-Straße. Er habe 6700 Euro allein für eine Gläserspülmaschine, die höchsten Hygienestandards entspricht, dazu 1800 Euro für sechs Pavillons im Hof ausgegeben. Er müsse nun aber „aufpassen”, dass sein Umsatz im Mai nicht über 20 Prozent des Umsatzes vom Mai 2019 klettere – sonst wird der staatliche Zuschuss zu den Investitionen reduziert, „und auch deswegen öffnen wir am Freitag, dem 28.Mai”.

Den PNN-Lesern verrät Rohde ein bislang gut gehütetes Geheimnis. Er will im „Hafthorn” mit Unterstützung eines befreundeten Berliner Apothekers ein Testzentrum einrichten und seine Mitarbeiter dafür schulen lassen. „Zwei Vorteile bringt das unseren Gästen”, sagt Rohde: „Die Tests kosten nicht, wie in anderen Gaststätten, fünf Euro, sondern sind kostenlos. Und es gibt ein Zertifikat, das für 24 Stunden überall gilt.” ( mit Kay Grimmer)

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