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Erstes Willkommensfest für Flüchtlinge in Potsdam: Couscous und Bratwurst

Ursprünglich war es als kleines Nachbarschaftsfest geplant, doch zum ersten Willkommensfest für Flüchtlinge kamen mehr als 1000 Besucher. Nicht nur für die Organisatoren ist das ein voller Erfolg.

Potsdam - Gerd Stegelin ist auf der Suche. Mit der Kamera in der Hand läuft der 87-Jährige in der beigen Jacke langsam über den Kutschstallhof, beobachtet das Treiben an den vielen Ständen. Da wird exotisches Essen ausgeschenkt, afrikanische Couscous-Pfanne, frittierte Süßkartoffeln, die Frauen hinter dem Tisch lächeln und sind farbenfroh gekleidet. Gerd Stegelin drückt auf den Auslöser. Mit seiner Frau Christa ist er an diesem Freitag in den Kutschstall gekommen, weil er in der Zeitung von dem Willkommensfest für Flüchtlinge gelesen hat. „Das interessiert mich doch“, sagt Gerd Stegelin und fügt hinzu: „Als Fotograf.“

So wie die Stegelins haben es viele Potsdamer gemacht. Zum ersten bürgerschaftlich organisierten Willkommensfest war der Kutschstall gut besucht. Weit mehr als 1000 Gäste könnten es gewesen sein, schätzt Matthias Gehrmann. Der Potsdamer IT-Unternehmer hatte die Idee für das Fest. Was ursprünglich als kleines Nachbarschaftsfest für die neuen Nachbarn in der Containerunterkunft in der Feuerwache geplant war, nahm schnell immer größere Ausmaße an. Von vielen Privatpersonen, Vereinen, Institutionen, Parteien und Firmen gab es Zuspruch, Hilfsangebote, Spenden, Unterstützung.

Alternative zur "kleinbürgerlichen Mischpoke in Dresden"

Das große Interesse habe ihn positiv überrascht, sagt Uwe-Karsten Heye. Der frühere Regierungssprecher und Gründer des Vereins „Gesicht zeigen“ ist einer der Schirmherren. „Ich bin froh, dass es aus Potsdam beim Thema Flüchtlinge ein anderes Bild aus den neuen Bundesländern gibt“, sagt er und spricht von einer Alternative zu „der merkwürdigen, kleinbürgerlichen Mischpoke in Dresden“ – die Pegida-Bewegung, mit der dort zwischenzeitlich Tausende auf die Straßen gingen. „Wenn überhaupt irgendwo das Abendland untergeht, dann tagtäglich im Mittelmeer“, sagt Gehrmann. Er übergibt an diesem Nachmittag einen Spendenscheck über 1500 Euro an einen Vertreter der Initiative des Brandenburgers Harald Höppner, der mit einem Kutter im Mittelmeer Flüchtlinge retten will.

Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe ruft von der Bühne die Politik dazu auf, Bürger für die Flüchtlingshilfe zu gewinnen – und über mögliche Ängste ins Gespräch zu kommen. Potsdams Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos) betont die Chancen, die sie durch die Begegnung mit anderen Kulturen sieht: „Wir können unser Herz wieder öffnen.“ Integration, sagt Uwe-Karsten Heye, „kann man nicht nur fordern, man muss auch bereit sein, sie zu geben“.

"Die Leute in Potsdam helfen uns viel"

Wie das aussehen kann, davon bekommt man an diesem Nachmittag eine Idee. Zum Beispiel, wenn man Mohamed Rustum sieht. Der 25-jährige Syrer aus Damaskus, der seit zwei Wochen in Potsdam wohnt, steht hinter dem Grill, den das Fünf-Sterne-Hotel Bayrisches Haus spendiert hat, und wendet fachmännisch Thüringer Bratwürste. Er wartet noch auf einen Asylbescheid, und ist sichtbar froh, eine Aufgabe zu haben. „Die Leute in Potsdam sind gut, sie helfen uns viel“, sagt sein Landsmann Ibrahem Shahen.

Flüchtlinge wohnen neuerdings auch bei ihnen im Viertel, in der Waldstadt, erzählen die Stegelins. Für sie bleiben auch Fragen. „Wir können die Probleme Afrikas doch nicht hier lösen“, sagt Gerd Stegelin nachdenklich. Er weiß aber auch, wie es ist, wenn die Heimatstadt in Trümmern liegt. „Wir haben Potsdam damals mit aufgebaut“, sagt er. 


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