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Erster Uni-Studiengang für Jüdische Theologie: Ein Quantensprung

Erstmals in der Geschichte gibt es eine Rabbinerausbildung an einer deutschen Universität. Am heutigen Dienstag (19.11.2013) wird die Fakultät an der Uni Potsdam mit 400 Gästen aus aller Welt eröffnet.

Potsdam – Es ist über die akademische Welt hinaus ein Schritt von großer Bedeutung. Die Eröffnung der „School of Jewish Theology“ am heutigen Dienstag gilt als historischer Tag für Deutschland. „Dass es in Deutschland nach der Shoah gelungen ist, die jüdische Theologie an einer Hochschule zu verankern, zeigt, dass die Erinnerungskultur intakt ist“, meint Rabbiner Walter Homolka. Die Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern an einer staatlichen Hochschule ist für Deutschland ein absolutes Novum. Hinzu kommt, dass sie als Grundstein für die Renaissance des Judentums im Lande gesehen wird. Die seit der Wende um ein Zehnfaches angewachsenen jüdischen Gemeinden im Land hätten einen großen Bedarf an Rabbinern, erklärte Walter Homolka am Montag vor der Presse. In Zukunft müssten die Rabbiner nicht mehr gegen hohe Gebühren in den USA oder Großbritannien studieren, sondern hätten Potsdam als gebührenfreie Option, so Homolka, der Rektor des liberalen Abraham-Geiger-Kolleg an der Uni Potsdam ist.

„Das ist ein großer Moment für unsere Universität“, sagte auch der Präsident der Universität, Oliver Günther, am Vortag der feierlichen Eröffnung der „School of Jewish Theology“. Heute Abend werden über 400 Gäste aus dem In- und Ausland an Brandenburgs größter Hochschule erwartet, unter ihnen der israelische Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster und Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU). Die Festansprache hält Margot Käßmann vom Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands. Das Geleitwort zur Festschrift hat Bundespräsident Joachim Gauck verfasst.

Das Lehrangebot der Schule für Jüdische Theologie wird nicht nur für Europa eine einzigartige Ausrichtung haben. Auch weltweit gebe es an einer staatlichen Hochschule keine vergleichbare Einrichtung, so Homolka. Was Potsdam darüber hinaus auszeichnet, ist die enge Verbindung der theologischen Einrichtung mit den Religionswissenschaften. Das Institut und den neuen Studiengang innerhalb der „School of Jewish Theology“ bezeichnete Homolka als Quantensprung. Die bereits bestehenden Jüdischen Studien betrachten das Judentum aus geisteswissenschaftlicher Sicht, sozusagen von außen. Die Jüdische Theologie wird sich nun mit der Innenschau, dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft, auseinandersetzen. „Diese Innen- und Außenperspektive wird den Dialog zwischen Theologie und weltlichen Wissenschaften bereichern“, erwartet der Dekan der Philosophischen Fakultät, Johann E. Hafner.

An der neuen Rabbinerschule mit acht Professuren werden seit Oktober diese Jahres knapp 50 Studierende ausgebildet, etwa die Hälfte strebt nach Angaben der Uni ein jüdisches geistliches Amt an. Zurzeit werden in Potsdam liberale Rabbiner ausgebildet, in Zukunft soll hier auch die konservative Strömung gelehrt werden. Darüber hinaus gibt es an dem theologischen Institut auch Studierende, die aus reinem Interesse an der jüdischen Religion hier studieren – eine Religionszugehörigkeit ist für das Studium keine Voraussetzung. Hinzu kommen rund 320 Studenten der geisteswissenschaftlich ausgelegten Jüdischen Studien. Für Brandenburg ist die staatliche Rabbinerschule ein ungewöhnlicher Schritt, war doch Theologie eigentlich an den landeseigene Hochschulen nicht vorgesehen. Für die neue Schule musste eigens das Hochschulgesetz geändert werden.

Die Initiatoren der Rabbinerschule erwarten, dass die Potsdamer Ausbildung zur wichtigsten Adresse in Europa wird. Ein gebührenfreies Studium in Europa sei vor allem für Osteuropa aber auch Skandinavien von großem Interesse, so Homolka. Die Schule hat bereits heute Studierende aus 12 Ländern, darunter neben Polen, Russland und Ungarn auch Argentinien, Südafrika und Uruguay. Dass bereits zum Studienstart mehr Studierende aufgenommen wurden als Plätze vorhanden sind, wertet Homolka als Zeichen für den Erfolg der Ausbildung. Da die Abschlüsse von den großen liberalen und konservativen Verbänden des Judentums weltweit anerkannt werden, hätten die angehenden Rabbiner und Kantoren auch eine internationale Perspektive.

In Zukunft wird die Einrichtung, die zurzeit noch über mehrere Institute verstreut ist, im Nordtorgebäude der Communs am Neuen Palais in Potsdam einziehen können. Wie Uni-Präsident Oliver Günther sagte, habe man die offenen mietrechtlichen Fragen klären können.

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