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Andreas Spaniol (l.) und Paul Sies verkörpern in „Amadeus“ die Komponisten Antonio Salieri und Wolfgang Amadeus Mozart. 

© Thomas M. Jauk

Erste Inszenierung im Neuen Palais: Intrigen um Gottes Liebling

Das Hans Otto Theater hat am Freitagabend Peter Shaffers Stück „Amadeus“ gezeigt. Es war die erste Inszenierung im Neuen Palais. Vor allem die Schauspieler überzeugten. 

Potsdam - Bettina Jahnke, die Intendantin des Hans Otto Theaters, und ihr Team zog es vom Tiefen See nun ins Neue Palais. Nach der langen Sanierung und Restaurierung des schönen Rokokotheaters ist es für das städtische Theater die erste Inszenierung an diesem Ort. 

Peter Shaffers 1979 in London uraufgeführtes Stück „Amadeus“, das vier Jahre später mit seiner Verfilmung durch Milos Forman große Erfolge feierte, nimmt die Beziehung zwischen Wolfgang Amadeus Mozart und Antonio Salieri ins Visier. Zwei Komponisten, deren Leben sich in der habsburgischen Hauptstadt Wien abspielten. 

Zu ihrer Zeit hatte der preußische König Friedrich II. das größte Schloss im Park Sanssouci als „Fanfaronade“, als Prahlerei, erbauen lassen. Die Rokokoherrlichkeit seines Theater-Zuschauerraums ist eine Inszenierung schon an sich, sagte Bühnenbildner Juan León in einem Interview. Klar, dass bereits Uwe-Eric Laufenberg während seiner Potsdamer Intendanz vom Theater fasziniert war und mit Mozart-Opern und 2005 mit „Amadeus“ aufwartete. 

Angeknackte Seelen

Juan León hat in der am Wochenende gestarteten Aufführungsserie des Shaffer-Stücks die heitere Rokoko-Welt nur karg auf der Bühne fortgeführt. Zwei in ihrer Stabilität angeknackte Bilderrahmen scheinen sich ineinander zu verschachteln. 

Angeknackt sind auch die Seelen der beiden Protagonisten und die Welt, in der sie leben. Die Rahmen geben den Blick frei auf ein riesiges Kreuz. Davor tummeln sich die Gestalten mitsamt dem Kaiser und der Hofgesellschaft. Sie kleidete León mit kostbaren Rokoko-Kostümen ein und bedachte sie mit extravaganten Perücken. Somit wird klar die Zeit benannt, in der das Stück spielt. 

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Regisseurin Bettina Jahnke hat sich glücklicherweise virtuoser Effekthascherei und einem allzu rasanten Tempo, mit dem man heutzutage auch Mozarts Musik spielt, entzogen. Die Atmosphäre ist gedämpft. Die Tragödie, in der sich Mozart und Salieri befinden, lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Doch vom Zeigefinger-Bildungsprogramm ist die Aufführung nicht weit entfernt. 

Eine Erfindung Peter Shaffers

Das Mozart-Bild, das Shaffer vorführt, ist verzerrt. Der frühe und mysteriöse Tod von Amadeus und die damit verbundene Legendenbildung lebt im Stück von konfliktbeladenen Szenen, vom Konkurrenzkampf zwischen Mozart und Salieri, vom infantilen Vertrauen, das der ungestüme Mozart zu dem Hofkapellmeister Antonio Salieri aufbaut. 

Dieser gibt in seinen etwas lang geratenen Erzählungen aus seiner Perspektive preis, wie er den Werdegang des von ihm erkannten Genies Mozart hintertrieben hat, wie er mit Gott hadert, dass dieser ihn angeblich zu seinem Liebling erklärte. Ja, diesen jungen Mann, der mit provokantem Benehmen seine Zeitgenossen irritiert, habe er vergiftet. Salieris Beichte ist eine Erfindung Peter Shaffers. Das Scheitern Mozarts ist in Wahrheit ein Mangel an Struktur, Geld und Krankheit. 

In Shaffers Stück und in Bettina Jahnkes Inszenierung kommt Salieri die dominante Rolle zu. Da war Puschkins Stücktitel „Mozart und Salieri“ von 1830 wohl treffender gewählt (1991 vom Brandenburger Theater im Schloss Lindstedt mehrmals gespielt). Die Interpretation des dunkel gekleideten Andreas Spaniol hat Mephistophelisches – ein verführerischer und intriganter Neider. 

Spaniol spielt mit den Emotionen

Salieri ist auch der Erzähler, der immer wieder die vierte Wand durchbricht und sich an das Publikum wendet, auch um Mitleid zu erheischen. Spaniol weiß die unterschiedlichen Emotionen des in der Öffentlichkeit hoch geschätzten Ehrenmannes und den im stillen Kämmerlein auf Rache sinnenden Kleingeist differenziert einzusetzen. 

Paul Sies ist der ganz in Rot gewandete Amadeus. Das Schrille und Zotige, der seine Kompositionen Verteidigende, der liebende und in Geldnöte geratene Ehemann, der von Krankheit Geplagte, der einen frühen Tod erleidet, geben in Paul Sies' Spiel viel Raum zu vergnüglichem Einverständnis und tiefem Mitgefühl. 

Wie der Schauspieler mit großer Wandlungsfähigkeit seinen Amadeus auf die Bühne bringt, geht oftmals unter die Haut. Auch Laura Maria Hänsel als Constanze Mozart ist in ihrer Präsenz überzeugend. 

Hofgesellschaft wunderbar dargestellt

Die tratschenden „Lüftchen“ sowie die engstirnige Hofgesellschaft um Kaiser Joseph II., präzise und wunderbar komisch von Paul Wilms, Jon-Kaare Koppe, Joachim Berger und Mario Fuchs dargestellt, treten größtenteils chorisch auf und beschimpfen Mozart höhnisch als unflätiges Geschöpf. Die Mächtigen wollen sich behaupten. 

Natürlich spielt bei einem Theaterstück über Mozart und Salieri auch die Musik eine Rolle. Aus Opern sowie aus dem Requiem des begnadeten Mozart gibt es Ausschnitte in selten hörenswerten Wiedergaben. Sie sollten in der Inszenierung ja auch so klingen, wie Salieri sie vernommen hätte, sagte Bettina Jahnke in einem Interview. Doch der Herr Hofkapellmeister wusste schon den qualitativen Unterschied zwischen der Musik von „Gottes Liebling“ und seinen eigenen Kompositionen richtig einzuordnen.

Klaus Büstrin

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