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Landeshauptstadt: Ersatzteillager aus dem 3D-Drucker Einmal im Monat kann man im Bildungsforum kaputte Geräte reparieren lassen. Ein Besuch

Gut, dass Andrea Köhler schon kurz nach zehn Uhr hier war. Jetzt ist es zwei Stunden später und die kleine Tischlampe funktioniert wieder.

Gut, dass Andrea Köhler schon kurz nach zehn Uhr hier war. Jetzt ist es zwei Stunden später und die kleine Tischlampe funktioniert wieder. Die Männer vom Repair-Café im Bildungsforum haben noch am Samstag die Leuchte wieder flottgemacht, den alten Schalter mit einem neuen ersetzt. „Ich musste allerdings erst schnell einen besorgen, dann haben sie ihn hier eingebaut“, sagt Andrea Köhler. Die Lampe, ein nostalgischer Nachbau im Stil der Fünfziger, wäre sonst vielleicht im Müll gelandet.

Das ist die Idee hinter dem neuen Angebot der Stadt- und Landesbibliothek in der Straße Am Kanal. Einmal im Monat gibt es dort die Möglichkeit, Haushaltsgeräte, die nicht mehr funktionieren oder eine Macke haben, zu prüfen und vielleicht sogar zu reparieren. Egal ob alt oder neu, elektrisch oder mechanisch oder von der ganz neuen Elektronik-Generation, Smartphones, Tabletcomputer oder Kopfhörer. Anleitung und Hilfe gibt es von Mitarbeitern der freien Werkstatt „Machbar“ sowie des Wissenschaftsladens aus dem Jugendzentrum „Freiland“.

Neben dem Mediengestalter Frieder Knabe sind der Informatiker Ralf Lehmann und der Physiker Mario Parade dabei. Sie haben auch das Werkzeug: diverse Kisten und Kästen mit klassischer Bestückung, Bohrmaschine, Lötstation, einen Minischraubstock. Daneben steht ein 3D-Drucker. Hilfreich, um damit kleinere, individuelle Ersatzteile herzustellen. „Manchmal scheitert es daran, dass irgendwo ein Plastikstück abgebrochen ist, was es so gar nicht mehr gibt oder das vielleicht gleich 150 Euro kostet“, sagt Mario Parade – ein Plastikring für den Drehknopf am Küchenherd beispielsweise. Wie zum Beweis lässt Mario Parade den Drucker arbeiten, Schicht für Schicht erschafft die kleine Düse einen grünen Kreis, der langsam in die Höhe wächst.

An die Mikrowelle, die am Samstag eine Besucherin bringt, trauen sich die Männer dennoch nicht ran. „Zu gefährlich“, sagt Ralf Lehmann. Die mechanische Gemüsemühle einer anderen Werkstattbesucherin soll hingegen stationär repariert werden: In der „Machbar“ im Freiland soll ein neues Metallteil eingebaut werden. Diese und das neue Repair-Café sind im 14-tägigen Rhythmus abwechselnd geöffnet, künftig würde Mario Parade das Angebot speziell für Jugendliche gern ausweiten. Vor allem Geräte wie Telefone und Computer seien oft bereits nach zwei Jahren extrem störanfällig – und manchmal fragt er sich, warum sie so schnell kaputt gehen müssen – und warum es dann so schwer und bisweilen unmöglich ist, sie zu reparieren. „Damit die Leute Handyverträge mit immer neuen Geräten abschließen“, vermutet Parade.

Wer an seinem alten Telefon oder Rechner hängt, kann im Repair-Café zumindest für eine Diagnose vorbeischauen. Die Handwerker haben auch ein Köfferchen mit etwa 100 speziellen Schraubenbits dabei. Und weiteres Kleinwerkzeug, was aussieht wie Manikürgerät oder OP-Besteck. Damit könne man auch widerspenstige Technik öffnen. „Mit einer Heißklebepistole den Kleber vorsichtig auflösen, dann gehts“, sagt Mario Parade. Mithilfe von zwei Saugnäpfen lässt sich zum Beispiel ein Handy-Display austauschen. Es handelt sich um einen Service, der sich in einer offiziellen Werkstatt kaum lohnt, wenn Neugeräte fast günstiger zu bekommen sind. Im Repair-Café gibt es Anleitung zum Selbermachen. Mario Parades Tipp für sehr diffizile Jobs: Bevor es richtig unübersichtlich wird, alle Einzelteile auf ein magnetisches Whiteboard legen, beschriften, die einzelnen Arbeitsschritte fotografieren. Damit auch der Zusammenbau klappt.

Schnelle Erfolgserlebnisse bringen ältere Haushaltsgeräte. Neulich haben sie einen Mixer aus DDR-Zeiten repariert, 40 Jahre alt. Solche alten Sachen bekommen sie des Öfteren: „Die Leute hängen daran und die Produkte von damals sind oft von erstaunlicher Qualität“, sagt Parade. Sie könnten im Bedarfsfall oft mit wenigen Handgriffen und üblichem Werkzeug repariert werden. „Damals waren die Stecker noch geschraubt, man konnte sie problemlos öffnen, um am Kabel zu arbeiten. An neuen Geräten ist alles aus einem Guss und verschweißt.“

Im Laufe eines Samstags kommen etwa zehn bis 20 Leute in die offene Werkstatt. Mario Parade möchte das kostenlose Angebot allerdings nicht missverstanden wissen. Das sei keine günstige Gelegenheit für schnelle Reparaturen. „Die Leute sollen selbst mitmachen und vor allem ein neues Bewusstsein entwickeln – muss man denn alles gleich wegwerfen und neu kaufen?“ Außerdem macht das Tüfteln und Friemeln offensichtlich Spaß. Manches wird auch zweckentfremdet wiederverwendet: Aus je zwei Zahnbürstenköpfen, Wäscheklammer und einem Motor einer elektrischen Zahnbürste entstehen kleine bewegliche Kreaturen, die aufgrund der Unwucht des Motors über den Tisch krabbeln – vielleicht ein witziges Katzenspielzeug. Steffi Pyanoe

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