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Schöner Sozialismus. Das Postkartenmotiv zeigt das neue Potsdam, das in den 1970er-Jahren am Brauhausberg entstand – ein Gegenentwurf zum barocken Stadtzentrum. Links steht das Restaurant Minsk, von dem heute nur noch eine Ruine übrig ist.

© Promo

Erinnerungen an das "Minsk" auf dem Brauhausberg: Gruß an Potsdams einstige Partnerstadt

Das "Minsk" beschäftigt die Potsdamer nach wie vor. Nun erscheinen neue Bücher zum Brauhausberg. Und Experten aus Berlin könnten zur Diskussion um Potsdams Mitte neue Impulse geben.

Potsdam - Gegessen wird auf Bergen und Anhöhen immer gerne. Das Konzept Teller mit Aussicht funktionierte auch am Potsdamer Brauhausberg, das Ausflugsrestaurant „Wackermanns Höhe“ Am Havelblick 5 eröffnet 1837, etwas unterhalb lag das erste Potsdamer Tanzlokal „Petershöhe“, mit Garten, Tanzdiele und Saal, von oben als auch der Leipziger Straße aus erreichbar. Später kommt ein Kino dazu, unten am Berg, das Viertel Brauhausberg ist mit Lokalitäten gut versorgt. Die Gäste sind Potsdamer, Ausflügler, vielleicht auch Besucher der Reichskriegsschule.

Nach dem Krieg ist vieles kaputt auf dem Brauhausberg. Dann aber geht es voran mit der neuen Bebauung in der Stadt – und auf dem Berg. Unterhalb der mächtigen Präsenz der SED-Bezirksleitung im „Kreml“ entsteht moderne, sozialistische Architektur. 1971 wird das Schwimmbad eröffnet und dann, nach sieben Jahren Bauzeit, das Terrassenrestaurant Minsk. Architekt ist Karl-Heinz Birkholz, er baut groß und großzügig, mit Panoramafensterfront und Terrasse und darf kostbares Baumaterial wie Mooreiche verwenden. Das „Minsk“ ist ein Gruß an Potsdams Partnerstadt, hier wird auch russisch gekocht. Es ist schick und ein bisschen mondän, ein Hauch von Welt weht hier über dem Berg, die Sicht ist weit. Hierher führt man Gäste aus, wenn man denn Platz bekommt.

Einblicke in stadtpolitische Abläufe im Sozialismus

Zwei Publikationen erschienen dazu im vergangenen Jahr, von Christian Klusemann der DDR-Architekturführer „Das andere Potsdam“ (PNN berichteten) und vom Potsdamer Autorenteam Jörg und Luisa Fröhlich „Das Potsdamer Terrassenrestaurant ,Minsk’ und der Brauhausberg im Wandel der Zeit (1970–2015)“. Das Buch im Selbstverlag ist als E-Book zu haben, auf Bestellung wird es im Verlag BoD, Books on Demand, Norderstedt, gedruckt. Fröhlich erzählt die Geschichte der Brauhausbergbewirtschaftung und insbesondere die des „Minsk“, zeigt historische Fotos und in den vergangenen Jahren entstandene, alte Baupläne sowie Speisekarten und gibt Einblicke in stadtpolitische Abläufe im Sozialismus. Interessant sind Randbemerkungen wie die, dass Birkholz den Auftrag als Trostpflaster für einen viel größeren bekam, einen Theaterneubau mit Mehrzweckhalle am Alten Markt, aus dem nichts geworden war. Und dass auch er sparen und auf eine zweite geplante Terrasse verzichten musste.

Stadtentwicklung, so war es schon immer, hängt eben nicht nur von ästhetischen Gesichtspunkten ab. Welche Prozesse dabei hinter den Kulissen ablaufen, welche Zusammenhänge finanzieller, wirtschaftlicher und soziologischer Art dabei eine Rolle spielen, soll bei einer Veranstaltung heute Abend untersucht werden. „Perspektiven aktueller Stadtforschung auf Potsdams Mitte-Konflikt“ ist eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung zusammen mit der Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“ und findet im Campus der Fachhochschule am Alten Markt statt, wo Alt und Neu aufeinandertreffen – Epizentrum aller Stadtplanungsströmungen.

Auch das einstige Restaurant Minsk ist Teil der Diskussion um Alt und Neu. Längst ist es eine Ruine und um eine künftige Nutzung – falls es sie überhaupt geben wird – wurde lange gerungen. Wahrscheinlich ist nun ein Abriss zugunsten von Wohnbebauung. Das „Minsk“ beschäftigt die Potsdamer Bürger dennoch nach wie vor, es steht für ein Stück Vergangenheit, das viele nicht auch noch – wie so manch anderes Bauwerk der DDR-Moderne – verlieren wollen.

Kernfrage: „Was brauchen wir in einer heutigen Stadt für alle?"

Mit Gästen aus Berlin soll die Diskussion jetzt neue Impulse bekommen. Mit dabei sind heute Abend Henning Füller, Geograf an der Humboldt-Universität Berlin, und Julia Binder, Kulturwissenschaftlerin an der Humboldt-Universität. Die Berliner beschäftigen sich mit Stadtplanung aus soziologischer als auch politisch-wirtschaftlicher und unternehmerischer Sicht. Steffen Pfrogner, Architekt und Mitglied von „Potsdamer Mitte neu denken“ sagt: „Wir wollen mal eine Außensicht und die Diskussion, die es ja auch anderswo, zum Beispiel in Berlin, gibt, auf Potsdam übertragen.“ Die Kernfrage dabei laute: „Was brauchen wir in einer heutigen Stadt für alle? Eine Stadt für die Bedürfnisse von Potsdamern und Touristen, eine Stadt zwischen Moderne und Gedenken.“ Ist das also die ewige Diskussion zwischen Ästhetikern und Realos? „Ganz reduziert – ja“, sagt Pfrogner.

„Perspektiven aktueller Stadtforschung auf Potsdams Mitte-Konflikt“, Vortrag und Diskussion, am heutigen Donnerstag um 18.30 Uhr im FH-Campus am Alten Markt

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