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Landeshauptstadt: „Er ist wahrhaftig auferstanden“

Ostern in der russisch-orthodoxen Kirche des Heiligen Alexander Newski/Übertragung im Internet

Ostern in der russisch-orthodoxen Kirche des Heiligen Alexander Newski/Übertragung im Internet Kirchen beherrschen seit Jahrhunderten die Silhouetten unserer Städte und Dörfer. Sie offenbaren die Vielfalt des religiösen Lebens unterschiedlicher Konfessionen. Das gilt auch für die Landeshauptstadt Potsdam. Was bewegt die Menschen, die sich in einer Kirche zusammenfinden? Die PNN-Serie „Kirchliches Gemeindeleben“ geht dieser Frage nach und versucht ein Bild zu zeichnen vom Engagement in den Kirchen der Stadt. Sie berichtet auch vom Zusammenspiel verschiedener christlicher Strömungen, die sich in der Ökumene wiederfinden. Heute: Die Russisch-orthodoxe Kirche Von Lutz Borgmann Ostersonnabend, 23.30 Uhr MESZ, auf dem Kapellenberg: Vor der Alexander-Newski-Gedächtniskirche versammeln sich die Gläubigen der russisch-orthodoxen Gemeinde zu einer Andacht. Wenige Minuten vor Mitternacht beginnen die Glocken zu läuten, in einer Prozession zieht die Gemeinde um die Kirche, deren Türen sich um 0 Uhr öffnen: „Christus ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden“, rufen sich Priester und Gemeinde zu. Die Göttliche Liturgie – der Gottesdienst zum höchsten Fest der Christenheit in der orthodoxen Kirche – beginnt. Mit Chorgesängen in altslawischer Kirchensprache, mit Lesungen aus der Bibel und der Predigt wird der Gottesdienst nach orthodoxem Ritus mit Lobpreisung und Anbetung bis in die frühen Morgenstunden dauern. Wer in der Kirche keinen Platz gefunden hat, kann ihn auf einem Monitor und über Lautsprecher im Freien verfolgen Die Kirche des Heiligen Alexander Newski auf dem Potsdamer Kapellenberg ist die älteste russisch-orthodoxe Kirche in West- und Mitteleuropa. König Friedrich Wilhelm III. ließ sie im Gedenken an die deutsch-russische Freundschaft im Kampf gegen Napoleon im Stil des russischen Klassizismus errichten. Seit ihrer Einweihung am 11. September 1829 wird sie ununterbrochen als Gottesdienststätte genutzt. Erzpriester Anatolij Koljada betreut seit Oktober 1986 seine aus vielen Nationalitäten bestehende Gemeinde. Über 99 Prozent von ihnen besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft, doch ihrer ursprünglichen Herkunft nach sind sie Ukrainer, Weißrussen, Kasachen, Georgier, Bulgaren, Rumänen und jüdische Orthodoxe aus Osteuropa. Drei Zuwanderungswellen prägen die Zusammensetzung der Gemeinde, erläutert der Erzpriester. Zu den Nachfahren der russischen Soldaten aus den Befreiungskriegen kamen nach der Oktoberrevolution 1917 die ersten Auswanderer aus Russland. Weiteren Zuwachs erhielt die Gemeinde zu DDR-Zeiten durch orthodoxe Ehepartner deutscher Studenten, Facharbeiter und Ingenieure, die zeitweilig in der Sowjetunion arbeiteten. Die dritte Zuwanderungsgruppe kam nach der Wende. Jetzt gehörten vor allem russlanddeutsche Aussiedler und ehemals russische Juden zu den Ankommenden. „Die Russisch-Orthodoxe Kirche führt keine offizielle Mitgliederstatistik“, erklärt Anatolij Koljada. „Aber unsere Kirche ist jeden Sonntag zum Gottesdienst voll, und an den Festtagen stehen die Menschen vor der Kirche.“ Im Unterschied zur Evangelischen Kirche, deren Hauptziel in den Augen des orthodoxen Priesters die „Auseinandersetzung mit sozialen Problemen ist“, will die Orthodoxe Kirche „die Seelen retten“. „Christus ist als der Erlöser gekommen. Ihn zu preisen, ist unser Ziel.“ Das bedeute jedoch nicht den Verzicht auf Mildtätigkeit und Barmherzigkeit. Erzpriester Koljada bewohnt das Haus des Kirchenvorstehers auf dem Kapellenberg. Das Blockhaus mit den geschnitzten Balustraden im Stil der russischen Kolonie Alexandrowka ist überholungsbedürftig. Aber es fehlt an Geld. Das Priestergehalt bekommt Koljada vom Berliner Exarchat des Moskauer Patriarchats. Die Finanzen für das Gemeindeleben müssen durch freiwillige Spenden aufgebracht werden. Jugendarbeit oder Christenlehre kennt die orthodoxe Gemeinde nicht. „Die Kinder erleben Kirche mit ihren Eltern im Gottesdienst“, sagt der Erzpriester. So erlernten sie Geduld und Demut. Noch eine Besonderheit zeichnet die orthodoxe Kirche aus: Sie kennt keine Orgeln oder andere Musikinstrumente, denn „nichts kann Gott so loben, wie die menschlich Stimme.“ Und so gehört ein Chor aus freiwilligen Sängerinnen und Sängern zur Gemeinde. Nicht alle Gemeindeglieder sind des Russischen mächtig. Daher werden alle Predigten des Erzpriesters, der deutsch und russisch predigt, in die jeweils andere Sprache übersetzt. Die gottesdienstlichen Formen gehen auf eine Jahrhunderte alte Tradition zurück. Aber die moderne Technik macht vor den Kirchentoren nicht Halt. Die Gemeinde hat eine Homepage und der Osternachtsgottesdienst wird live im Internet zu sehen sein: www.r-o-k.de.

Lutz Borgmann

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