zum Hauptinhalt
Die britische Flagge in der Dortustraße. Der Brexit würde sich auch negativ auf die Potsdamer Wirtschaft auswirken.

© A. klaer

Entscheidung über EU-Austritt: Sorgen vor dem Brexit auch in Potsdam

Die Abstimmung in Großbritannien zum Verbleib oder zum Austritt aus der EU steht bevor. Was der Brexit für Potsdam und seine Wirtschaft bedeuten würde.

Von

Potsdam - Am Donnerstag können die Briten über den möglichen Austritt aus der Europäischen Union abstimmen: Ein „Brexit“ würde über kurz oder lang auch Auswirkungen in Potsdam und der Region haben.

300 Brandenburger Unternehmen machen Geschäfte mit britischen Firmen

Zum Beispiel für die Wirtschaft vor Ort: „Die Briten gehören zu unseren Top-Ten“, sagt Mario Tobias, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK). Großbritannien belege im Ranking der Brandenburger Exportmärkte Platz neun. Waren und Dienstleistungen im Wert von fast einer halben Milliarde Euro seien allein im vergangenen Jahr aus Brandenburg nach Großbritannien exportiert worden. Fast eine Milliarde Euro sei dadurch nach Brandenburg geflossen. Rund 300 brandenburgische Unternehmen unterhalten demnach Geschäftsbeziehungen auf die Insel, darunter die Grundy-UFA mit Sitz in Babelsberg, das Schaltgerätewerk in Werder (Havel) und das Teltower Medizintechnikunternehmen Getemed.

Oder die Mikado Model Helicopters GmbH aus Potsdam. Die Firma stellt Elektro-Modellhubschrauber her – zu haben sind sie für Preise zwischen 350 und mehr als 1000 Euro. Zehn Mitarbeiter arbeiten in der Fertigung vor Ort, „ein paar Tausend“ Modelle werden pro Jahr ausgeliefert, wie Geschäftsführer Ralf Buxnowitz den PNN sagte. Vertrieben werden die Modelle von Händlern in rund 30 Ländern weltweit.

"Das macht doch keinen Sinn"

Für die Potsdamer Firma ist Großbritannien der zweitgrößte Absatzmarkt. „Ich war gerade erst in England und habe dort unter anderem mit Händlern gesprochen, die unsere Produkte kaufen“, erzählt Buxnowitz: „Die sind alle sehr verunsichert.“ Es werde auf alle Fälle langfristig alles schwieriger und teurer werden, meint der Mikado-Geschäftsführer. Sorgen um die Firma mache er sich aber trotzdem nicht: „Wir sind breit genug aufgestellt.“ Vom Brexit hält Buxnowitz nichts: „Das macht doch keinen Sinn – und jeder, der etwas von Wirtschaftsbeziehungen versteht, denkt genauso.“

Nach einem Brexit kämen alle in der EU geltenden Vereinbarungen für Großbritannien auf den Prüfstand, sagt IHK-Chef Tobias: „Großbritannien würde von einem maßgeblichen Teil des EU-Binnenmarktes zu einem Drittland werden.“ Das würde die Lieferungen zwischen brandenburgischen und britischen Unternehmen zollrechtlich wesentlich komplizierter machen.

Englischer Tee, Gin und schottische Kekse gibt es im Spezialitätengeschäft „British American Food“ in der Dortustraße, der Union Jack, die britische Flagge, weist den Weg zum Laden im Innenhof. Über mögliche Folgen eines Brexits will man dort aber nicht öffentlich sprechen. „Kein Kommentar“, heißt es kurz angebunden.

Auswirkungen auch für Potsdamer Studierende

Auswirkungen könnte der Austritt der Briten auch für Studierende in Potsdam haben – und zwar, wenn es um die Unterstützung für ein mögliches Austauschjahr in Großbritannien geht. Die Universität bietet Austauschplätze in mehreren Orten im Vereinigten Königreich an, darunter etwa Southhampton, Westminster, Manchester, Hull oder Nottingham, wie Regina Neum-Flux, die Chefin des Akademischen Auslandsamtes der Uni, sagt. Großbritannien sei zwar nicht das größte Austauschland für die Hochschule – das ist Spanien –, „aber ein wichtiges“.

Aber: Es ist bislang Teil des Erasmus-Plus-Programms, ein EU-Programm. Darüber können die Studierenden bei einem Austauschsemester gebührenfrei studieren und außerdem einen Zuschuss von 250 und 500 Euro pro Monat bekommen. Bei einem Brexit wäre davon auszugehen, dass Großbritannien nicht mehr über dieses Programm gefördert wird, sagt Regina Neum-Flux. Es könne zwar noch Jahre dauern, bis die entsprechenden Verträge tatsächlich so weit geregelt sind, dass es dazu kommt, „aber grundsätzlich bedeutet das für die Studierenden einen erheblichen Nachteil“, sagt sie.

Dass Großbritannien ausfallende EU-Gelder aus dem Staatshaushalt kompensiert, bezweifelt Regina Neum-Flux aber: In Großbritannien habe es im Hochschulwesen seit Längerem eine starke Fokussierung auf rein wirtschaftliche Aspekte gegeben, die Studiengebühren seien zuletzt enorm gestiegen. Gleichzeitig sei die Zahl der Partnerschaftsverträge über Erasmus Plus eingeschränkt worden. „Das ist ein Trend, den wir seit mehreren Jahren beobachten“, sagt Regina Neum-Flux. 

Lesen Sie weiter:

Ein Austritt hätte gravierende Folgen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Brexit im Überblick >>

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false