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Katharina Tietz im Garten der Heidesiedlung.

© PNN / Ottmar Winter

Engagement in Potsdam: Die Empörerin aus der Heidesiedlung

Mit ihrem Einsatz gegen den Verkauf der Heidesiedlung begann die Potsdamerin Katharina Tietz, sich zu engagieren. Bis heute ist sie aktiv - mittlerweile auch politisch. 

Wer nicht kämpft, hat schon verloren – den Spruch hat Katharina Tietz verinnerlicht. Als vor wenigen Wochen das Richtfest des künftigen Bürgertreffs im historischen Heidehaus in der Großbeerenstraße gefeiert wurde, bedeutete ihr das auch persönlich viel. Die 34-Jährige ist stellvertretende Vorsitzende des Vereins Interlog, der das Projekt ins Leben rief. Außerdem ist sie Mitbegründerin und Sprecherin der Initiative zum Erhalt der Heidesiedlung Babelsberg und engagiert sich in der politischen Wählergruppe Die Andere. Bis zu 15 Stunden pro Woche ehrenamtlicher Arbeit können in stressigen Zeiten schon mal zusammenkommen, sagt die 34-Jährige. „Aber es lohnt sich.“

Tietz, in Potsdam geboren, studierte Politikwissenschaften und Geschichte. Heute arbeitet sie in der Jugendhilfe, beim Potsdamer Chillout-Verein. Wer mit ihr zu tun hat, erlebt sie als jemanden, der kein Blatt vor den Mund nimmt. „Ich habe mich immer gerne empört und gepöbelt“, beschreibt sie selbst ihre Art der Kommunikation und lächelt selbstbewusst. „Das ist meine Rolle, andere leiten das dann in diplomatische Bahnen. Es sind ja viele an einem solchen Prozess beteiligt.“

Die Heidesiedlung war runtergekommen - aber die Stimmung gut

Der Prozess beginnt, als sie 2009 zu ihrem Freund in die Heidesiedlung zieht. Die Wohnblocks der 30er Jahre sind sichtbar abgewirtschaftet und werden aufgrund ungeklärter Rückübertagungsansprüche nur notdürftig von der Stadt instand gehalten. Es gibt nur wenige Etagenheizungen, meist Kohleöfen, Bad und Küche sind nicht beheizbar. Regenrinnen sind kaputt, Mauern beschädigt. Der Hof: im Sommer trocken, bei Regen überflutet. Aber es sei ein schönes Miteinander gewesen. „Wo gab es das noch, Wohnen im Altbau bei so einer günstigen Miete?“

Nach Klärung der Eigentumsverhältnisse will die Pro Potsdam die Siedlung verkaufen. Der Erlös könnte in sozialen Wohnungsneubau fließen. Die meisten Wohnungen in der Heidesiedlung stehen 2012 bereits leer und vergammeln. Die restlichen etwa 30 Miet-Parteien schließen sich zusammen und fordern, die Stadt möge die Siedlung nicht verkaufen, sondern sozialverträglich sanieren, damit sie eine Chance haben zu bleiben.

"Wir waren mit Ofenheizung zufrieden"

„Wir hatten damals Angst vor einer Luxussanierung privater Investoren. Wir waren mit Ofenheizung zufrieden.“ Jetzt haben sie dennoch eine Art Luxussanierung aus öffentlichen Geldern bekommen: Fernwärme, moderne Bäder, Balkone, die es vorher nicht gab. Holzdielen. Leider aus Fichte, sagen die Heidesiedler, da sei an der falschen Stelle gespart worden. „Wenn ein Messer runterfällt, bleibt es drin stecken.“ Außen: ein gestalteter grüner Innenhof mit Spielgeräten und gepflastertem Parkplatz. Neue Bäume wurden auch gepflanzt. Mitten in der neuen Idylle haben die ursprünglichen Siedler ihre abgewohnte, zusammengestoppelte Sitzgruppe aus alten Zeiten aufgebaut. Sie sitzen lieber hier.

Der Aufstand beginnt 2012 mit Versammlungen genau auf diesem Hof. Dann wird es strukturierter, sie brauchen auch bald Leute mit Fachwissen. „Wir gingen dann ja in die Stadtverordnetenversammlung, als dort die AG Heidesiedlung gegründet wurde“, so Tietz. Die ersten Berührungen mit politischen Gremien seien eine spannende Zeit gewesen – aber nicht immer ein schönes Gefühl, erinnert sie sich. „Die Stadtverordnetenversammlung ist kein niedrigschwelliges Angebot für neue Leute. Wir wussten vieles nicht. Und manche in den Ausschüssen gucken so streng.“ 

Sie malen Banner und bringen sie an der Außenfassade der Wohnblöcke an, die Pro Potsdam lässt sie regelmäßig entfernen. Sie informieren sich, wie ähnliche Initiativen in anderen Städten arbeiten und suchen vor Ort Verbündete. Die finden sie in der Gruppe Die Andere. „Die haben uns einfach gut beraten und halfen uns. Und wir konnten sie jederzeit anrufen.“

Heute ist Tietz selber bei Die Andere aktiv

Heute sind vier aus der Heidesiedlung aktive Mitglieder der politischen Vereinigung, auch Katharina Tietz. Sie steckt außerdem viel Kraft in das Projekt Heidehaus. Es soll ein Treffpunkt für alle Potsdamer, nicht nur Heidesiedler, werden. „Wir hatten schon Besuch von Nachbarn aus der Kopernikusstraße.“ 650.000 Euro kostet die denkmalgerechte Sanierung, davon tragen einen Großteil Bund und Land. Noch mehr Geld, nämlich acht Millionen Euro, kostete die Sanierung des langen S-förmigen Gebäuderiegels. Weil es als Sanierungsgebiet deklariert werden konnte, gab es Fördermittel, die Stadt musste nur 1,2 Millionen investieren. Für die Stadt und die alten und neuen Bewohner ein gutes Geschäft.

Machen sie sich manchmal Gedanken über die Herkunft des Geldes? Fühlen sie sich privilegiert, dass so viele Steuermittel in ihr Quartier flossen? Katharina Tietz antwortet schnell. „Ich finde es selbstverständlich, dass man halbwegs gut wohnen kann, ohne dass man so viel verdient, dass es für 1500 Euro Miete reicht.“ Dafür und für Orte wie das geplante Nachbarschaftshaus sei eine Stadt schließlich verantwortlich. Dass im vergangenen Kommunalwahlkampf auf der Wiese vor der Heidesiedlung ein riesiges Plakat der Anderen die exemplarische Enteignung eines großen städtischen Unternehmers forderte, sei ein Missverständnis gewesen. Natürlich brauche die Stadt Steuerzahler. Sie selbst seien ja auch welche.

Bestandsmieter zahlen jetzt 5,50 Euro 

2016 und 2017 wurden die Wohnungen fertig. 5,50 Euro pro Quadratmeter zahlen jetzt Bestandsmieter, neue 6,50 Euro. Die sind mittlerweile in der Mehrzahl. Nur in 20 der 90 Wohnungen leben die, die 2012 den Erhalt forderten. Einige sind nach der Sanierung nicht zurückgekommen. Die Neuen seien leider nicht so kommunikativ. „Man kennt sich nicht mehr so wie früher“, sagt Tietz. Aber man werde mögliche Konflikte untereinander aushandeln. Auch mit der Pro Potsdam. Die Hausverwaltung habe ihnen untersagt, hölzerne Sichtschutzwände an den Seiten der Balkone anzubringen. Sie haben sie trotzdem angebaut, nur mit Kabelbindern befestigt. Was soll da schon passieren, sagt Tietz mit einem Anflug von Trotz in der Stimme.

Sie hat weiter Lust auf politische Einmischung. Von 2013 bis 2017 arbeitete sie in der Werkstatt für Beteiligung mit. Seit der Kommunalwahl 2014 ist sie für Die Andere per Rotationsprinzip zeitweise Mitglied in verschiedenen Ausschüssen der Stadtverordnetenversammlung. „Es macht Spaß, sich zu streiten, aber es ist zeitaufwendig. Man muss sich ja vorbereiten, und all das neben der Arbeit.“

Das Heidehaus soll 2020 fertig werden. Zurzeit entwickle der Verein das Nutzungskonzept. Denkbar sei alles, von Kaffeeklatsch bis zu politischen Veranstaltungen. Auch die Geschichte des Hauses soll eine Rolle spielen, sie wird gerade erforscht. Und ein Garten wäre schön, vielleicht mit Hühnern, sagt Tietz – sie haben noch viele Ideen.

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