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Die Gehörlosenschule, die Elias Louis Zander früher besucht hatte, bot nur einen Abschluss bis zur 10. Klasse an.

© Sebastian Gabsch

Elias Louis Zander (17) aus Potsdam: Mit Gebärdensprache als Muttersprache zum Abitur

Elias Louis Zander ist Brandenburgs erster Schüler, der sein Abitur mit Gebärdensprache als Muttersprache absolviert hat. Als nächstes möchte der 17-Jährige jetzt gern studieren – Wirtschaft oder Mathematik.

Potsdam - Elias Louis Zander hat es geschafft: Zufrieden hält der 17-jährige Potsdamer sein Abitur-Zeugnis in den Händen. Er hat allen Grund, stolz zu sein, denn die Coronakrise war nicht die einzige Hürde, die er wie so viele seiner Mitschüler meistern musste. Zander ist der erste gehörlose Schüler in Brandenburg, der sein Abitur mit Gebärdensprache als Muttersprache gemacht hat. „Es ist aufregend und ein tolles Gefühl, dass ich das geschafft habe und dass ich die Möglichkeit dazu hatte“, sagt Zander. „Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, um das zu erreichen.“

Zander ging seit der 9. Klasse auf das Potsdamer Humboldt-Gymnasium, wo er in eine Regelklasse mit 26 Schülerinnen und Schülern aufgenommen worden war. Davor hatte er eine Gehörlosenschule besucht, doch diese bot nur einen Abschluss bis zur 10. Klasse an. „Ich hatte schon immer das Ziel, Abitur zu machen“, sagt Zander.

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Der Wechsel auf die Regelschule verlief nicht problemlos

Im Humboldt-Gymnasium standen ihm für alle schulischen Veranstaltungen zwei Dolmetscherinnen für Gebärdensprache zur Verfügung. Dennoch war der Wechsel auf die Regelschule nicht problemlos: „Anfangs war es recht schwierig, vor allem bei den schriftlichen Arbeiten brauchte ich zuerst viel Unterstützung“, sagt Zander. Viele in der Klasse kannten das Thema Gehörlosigkeit nicht, waren aber interessiert, mehr darüber zu erfahren. „Alle haben sich zusammengesetzt und gut zusammengearbeitet“, sagt Zanders Tutorin Katrin Bergner.

Trotz seiner Gehörlosigkeit fand Zander schnell Anschluss: „Ich habe es schnell geschafft, eine Gruppe zu finden, die zu mir passte. Außerdem hatte ein Mitschüler großes Interesse daran, auch Gebärdensprache zu lernen, so hatte ich jemanden in der Klasse, mit dem ich sehr gut kommunizieren und Arbeitsmaterialien austauschen konnte“, sagt Zander. „Ich war kein Einzelkämpfer, das war sehr wichtig.“

Der heute 17-Jährige wollte unbedingt das Abitur machen und wechselte an das Potsdamer Humboldt-Gymnasium. 
Der heute 17-Jährige wollte unbedingt das Abitur machen und wechselte an das Potsdamer Humboldt-Gymnasium. 

© Sebastian Gabsch

„Es war auch für mich alles sehr neu"

Für ihn selbst sei der Schulalltag auf diese Weise kein Problem gewesen, sagt Zander. Etwas schwierig war nur der Fremdsprachenunterricht in Englisch und Spanisch: Dazu wurden die mündlichen Beiträge der jeweiligen Lehrer und Schüler per Mikro aufgenommen und über das Internet an die Münchner Firma Verbavoice gesendet. Dort wurde das Gesagte verschriftlicht und nach wenigen Sekunden zurückgeschickt, so dass Zander mit nur geringer Zeitverzögerung die Redebeiträge auf seinem Laptop mitlesen konnte. „Es war auch für mich alles sehr neu, aber zum Glück war der Kurs relativ klein“, sagt Tutorin und Spanischlehrerin Katrin Bergner. „Es war immer wieder eine Herausforderung, wenn die Technik oder das Wlan nicht funktioniert haben. Das hat uns manchmal wirklich Unterrichtszeit gekostet.“

Aufgrund der Umstände mussten die Fremdsprachenkurse für Zander stark verschriftlicht werden, auch die mündliche Prüfung fand schriftlich statt. Bergner lobt Zander für seine Leistungen, denn dadurch, dass er alles nur über Gebärden- oder Schriftsprache aufnehmen konnte, musste er eine ganz andere Konzentration an den Tag legen: „Da kann man nicht mal eben Nebengespräche führen, er musste immer aufpassen und vieles vor- und nacharbeiten.“ Außerdem dürfe man die viele Unterstützung für ihn nicht als Lernerleichterung missverstehen: „Elias war komplett allein für seine jeweiligen Leistungen verantwortlich“, sagt Bergner.

Zander ist stolz auf seine Leistung

Die ersten eineinhalb Jahre des Abiturs seien für ihn relativ problemlos verlaufen, sagt Zander. Erst das letzte halbe Jahr mit den Prüfungsvorbereitungen sei stressig gewesen, und dann kam auch noch Corona. Der Lockdown habe ihm das Lernen aber weniger erschwert, als manchen seiner Mitschüler: „Ich war nicht ganz so davon betroffen, weil ich ja schon immer sehr viel zu Hause vorbereitet habe“, sagt Zander. „Trotzdem war es natürlich ein Ausnahmezustand.“

Nicht nur Zander ist stolz, dass er sein Abi nun in der Tasche hat, sondern auch seine Eltern: „Ich muss dem Humboldt-Gymnasium und den Lehrern sehr danken, dass sie den Mut hatten, dieses Projekt anzunehmen“, sagt Zanders Vater Thomas. „Es ist ein schwieriges Thema in Deutschland und es nicht selbstverständlich, dass es so gut klappt wie in diesem Fall. Die Schule war hier vorbildlich und ich hoffe, dass andere Institutionen dies nachahmen.“ Thomas Zander weiß wovon er spricht, denn er ist selbst gehörlos. „Ich hatte diese Chancen früher nicht“, sagt der freiberufliche Autor. „Ich bin in den 1980er- Jahren großgeworden, da gab es noch viel mehr Barrieren, mit denen man zu kämpfen hatte.“

Seinem Sohn hingegen stehen nun alle Türen offen: „Ich möchte gerne studieren, zum Beispiel Wirtschaftswissenschaften oder Mathematik. Der Anwendungsbereich Technik interessiert mich.“ Dem künftigen Berufsleben sieht er optimistisch entgegen: „Natürlich geht es im Beruf um andere Dinge als in der Schule, aber auch dort habe ich ja dann Dolmetscher“, so Zander.

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