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Einzelhandel in der Brandenburger Straße: Potsdams Innenstadt unter Druck

Die Brandenburger Straße gilt als Potsdams Flaniermeile. Doch immer mehr Einzelhändler machen zu. Verramscht die Straße?

Potsdam - Einkaufen im Internet ist in Mode, Shoppingcenter locken mit guter Anbindung. Zudem machen teure Parkhäuser und die Parkplatzbewirtschaftung die Fußgängerzone in Potsdam nicht gerade attraktiv für einen schnellen Einkaufsbummel. Das spüren zunehmend die Einzelhändler rund um die Brandenburger Straße.

An der Lindenstraße steht ein großes Eckgeschäft leer, die Modekette Timberland will ihre Filiale in der Flaniermeile der Landeshauptstadt schließen. Ende vergangenen Jahres schloss bereits der Outdoor-Bekleidungshersteller Jack Wolfskin seine Filiale. Manche fürchten nun, dass das Viertel langsam verramscht.

Konkurrenz vom Stern-Center und den Bahnhofspassagen

Zwar gelang es zuletzt, die Qualität der Einkaufsstraße zu stabilisieren und sie besonders für Touristen interessant zu halten. Dieses Niveau gerät jetzt aber offenbar erneut in Gefahr. Ein Grund dafür könnten auch die im vergangenen Jahr vergrößerten Bahnhofspassagen sein. Seitdem gilt die Sortimentsbeschränkung nicht mehr, jetzt gibt es dort auch Schuhe und Modeartikel zu kaufen.

Und auch die Diskussion um eine Erweiterung der Gewerbeflächen im Stern-Center schafft neue Verkaufsflächen und damit Konkurrenz für die Innenstadt. Bis 2016 sollen rund 6000 Quadratmeter in der ersten Etage hinzukommen. Ob es wirklich dazu kommt, steht aber noch nicht fest. Die Gespräche mit der Stadt laufen. „Es gibt aber keinen neuen Stand“, sagte der Centermanager Stephan Raml der PNN. Auch einen konkreten Termin für die Erweiterung konnte er noch nicht nennen. Etwas Zeit für die Innenstadt.

Dort sind die Umsätze der Geschäfte derzeit laut einer Umfrage des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg (HBB) noch gut, doch auch die Gewerbemieten sind zuletzt stark gestiegen, was wiederum die Gewinne schmälert. Zudem sind die meisten Verkaufsflächen nicht groß genug, um etwa für Modeketten interessant zu sein. Zu Jahresbeginn ist daher viel in Bewegung geraten, wie die zahlreichen Geschäftsaufgaben in der Innenstadt zeigen.

Juwelier macht bald dicht

Auch der Juwelier Herrendorf – eine Art Institution in Potsdam – macht Ende Februar dicht. Allerdings nicht für immer. Nach Angaben der Inhaberin Sylvia Gerber hätte das Haus in Kürze umfassend saniert werden müssen. Daraufhin habe man sich entschieden, es zu verkaufen. Das Geschäft soll aber Ende des Jahres mit einem neuen Konzept an einem anderen Standort wieder eröffnet werden. „Die Bahnhofspassagen oder das Stern-Center kommen nicht infrage“, betonte sie.

Ob die leer stehenden Geschäfte dann immer mit adäquaten Nachfolgern besetzt werden können, ist zumindest fraglich. So zieht etwa ein Anbieter von Modeschmuck in die Brandenburger Straße. „Davon haben wir doch schon genug hier“, sagt eine Verkäuferin eines kleinen Geschäftes, die aber nicht namentlich genannt werden möchte. Ihr fehle die Originalität und das Besondere in der Innenstadt. „Die Lage ist durchaus dramatisch“, fügt auch Karin Genrich hinzu, Präsidentin des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg und Mitglied der AG Innenstadt. Die Arbeitsgemeinschaft bemüht sich seit Jahren um eine bessere Akzeptanz der Geschäftsstraße bei den potenziellen Kunden. Als Gründe nannte sie unter anderem den boomenden Online-Handel. „Die Innenstädte haben Frequenzverluste“, so Genrich.

Innenstädte leiden bundesweit

Eine Entwicklung, von der aber nicht nur Potsdam betroffen ist. Einer Befragung des Kölner Instituts für Handelsforschung (IfH) unter 33.000 Innenstadtbesuchern zufolge leiden alle Innenstädte unter dem demografischen Wandel, der Digitalisierung und einem veränderten Konsumverhalten. Dennoch sind die Kunden mit ihren deutschen Innenstädten grundsätzlich zufrieden. Sie gaben ihnen die Schulnote drei plus. Allerdings gibt es einen hohen Bedarf an mehr Freizeitangeboten – ein Punkt, bei dem auch Potsdam durchaus Nachholbedarf hat.

Genrich warb in diesem Zusammenhang dafür, mehr Kulturveranstaltungen und Events in der Innenstadt anzubieten, um die Potsdamer anzulocken. Diese müssten gar nicht so groß angelegt sein wie etwa der Weihnachtsmarkt. „Wir müssen aber etwas tun“, betonte sie.

Handelsverband sieht aber Potenziale

Nils Busch-Petersen, der Geschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, sieht indes kaum noch Entwicklungspotenzial für die Brandenburger Straße. „Wir bräuchten Magnetbetriebe“, die die Kunden in die Innenstadt lockten, sagte er der PNN. In den vergangenen Monaten hätten einige Textilgeschäfte geschlossen. „Wenn da nur Handygeschäfte nachwachsen, haben wir nichts gewonnen.“ Für Busch-Petersen liegt das Problem darin, dass die Innenstadt nicht mit dem Bevölkerungswachstum von Potsdam mithalten kann. Das Angebot müsste größer werden, um neue Käufer anzulocken. So entstehen in den kommenden Jahren rund um den Landtag neue Geschäfte. Auch die Freigabe der Bahnhofspassagen für das größere Sortiment bewertete er positiv.

Allerdings: Ein „Damoklesschwert“ hängt noch über der Innenstadt als Shoppingmeile. Die Zukunft der Karstadt-Filiale ist weiterhin ungewiss. Im vergangenen Jahr war sie unter den 29 Häusern, die möglicherweise im Zuge des Sparkurses des Essener Konzerns geschlossen werden sollten. Schließlich rang sich die Geschäftsführung aber doch zu einer Bestandsgarantie bis 2016 durch.

Stefan Engelbrecht

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