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Einseitiges Erinnern: Zentralrat der Juden kritisiert Gedenkkultur in Potsdam

Stephan Kramer hat das Potsdamer Gedenkkonzept als zu einseitig auf die preußisch-königliche Geschichte konzentriert kritisiert. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland hat sich in seiner Stellungnahme außerdem gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche ausgesprochen.

Potsdam - Der Zentralrat der Juden hat die Erinnerungspolitik der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam kritisiert. Ursachen und Wirkungen des Nationalsozialismus würden "höchstens relativ abgeschwächt im Verhältnis zur preußisch-königlichen Geschichte und der Zeit nach 1945 thematisiert", heißt es in einer Stellungnahme von Generalsekretär Stephan J. Kramer zum Potsdamer Gedenkkonzept, das am Dienstagabend in Potsdam diskutiert werden soll. Dies führe zu "ziemlicher Einseitigkeit".

"Potsdam war nicht nur am Tag von Potsdam eine herausragende Stadt der nationalsozialistischen Verhetzung und des Terrors", schreibt Kramer weiter. Dabei sei die 1945 im Zweiten Weltkrieg zerstörte und 1968 in der DDR abgerissene Garnisonkirche, um deren Wiederaufbau sich seit Jahren verschiedene Initiativen bemühen, "nicht nur für die jüdische Gemeinschaft äußerst negativ-symbolträchtig". In der Kirche wurde am 21. März 1933 die Eröffnung des neu gewählten Reichtags gefeiert, Hitler gab dort eine Regierungserklärung ab.

Auch die "beabsichtigte Installation einer Gedenktafel zur Würdigung aller Opfer des NKWD in der Leistikowstraße stellt einen Skandal ohnegleichen dar", kritisiert Kramer. Durch solche Ehrungen unter Einschluss der Täter würden "die wirklichen Opfer stalinistischer Verfolgung diskreditiert". Im früheren KGB-Gefängnis in der Leistikowstraße erinnert eine Gedenkstätte an die Opfer des sowjetischen Geheimdienstes. Die Erinnerung an die frühere jüdische Gemeinde der Stadt beschränke sich auf die Gedenktafel für die ehemalige Synagoge, den jüdischen Friedhof mit seiner Trauerhalle und mehrere Stolpersteine für NS-Opfer, kritisiert Kramer.

"Die Erinnerung an jüdisches Leben in der Landeshauptstadt ist deutlich unterrepräsentiert, gerade auch im Vergleich zu Berlin", heißt es auch in der Stellungnahme Moses-Mendelssohn-Zentrums (MMZ). "Eine angemessene Berücksichtigung im Rahmen des dringend zu realisierenden Ausstellungsteils zur NS-Zeit in der Gedenkstätte Lindenstraße ist zu erhoffen."

Im Stadtbild sollte zudem stärker mit Gedenktafeln auch an jüdisches Leben erinnert werden, betont das MMZ. Wünschenswert sei dabei auch die Erinnerung an verdiente Jüdinnen und Juden bei der Benennung neuer Straßen. Dabei könne Potsdam sich auch durch das Gedenken an jüdische Gelehrte als Wissenschaftsstandort stärker profilieren.

Die Stadt Potsdam arbeitet derzeit an einem neuen Gedenkkonzept. Mehr als 100 Vereine, Initiativen, Verbände und Institutionen wurden um Beteiligung gebeten, bislang sind rund 40 Stellungnahmen eingegangen. (epd)

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