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Erneute Gewalt. Christian Müller soll seine Lebensgefährtin Anika K. am Donnerstag brutal verprügelt haben. Das Foto entstand auf einer Pogida-Demo im Februar in Bornstedt.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Eine tickende Zeitbombe

Christian Müller hat Potsdam über Wochen mit Pogida-Demos in Atem gehalten. Nun hat er auf offener Straße seine Freundin verprügelt. Für die Ermittler kann das nur eine Konsequenz haben: Der Gewaltstraftäter muss hinter Gitter

Der mehrfach wegen Gewaltstraftaten verurteilte Pogida-Gründer Christian Müller hat offenbar jeden Halt verloren, Ermittler halten ihn für eine tickende Zeitbombe. Mehrfach verfiel er betrunken in wahre Gewaltexzesse, folterte seine Opfer sogar. Nun hat der 32-Jährige nach PNN-Recherchen in Potsdam auf offener Straße im Rausch seine Lebenspartnerin Anika K. brutal verprügelt. Die Polizei wollte auf Anfrage unter Verweis auf den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte allerdings keine Angaben dazu machen, ob es sich um Müller handelt.

Am frühen Donnerstagmorgen um 4.45 Uhr beobachteten Zeugen das Pärchen auf der Brandenburger Straße, Müller pöbelte lautstark und randalierte. Nach PNN-Recherchen eskalierte es dann an der St. Peter und Paul Kirche auf dem Bassinplatz. Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen spielten sich brutale Szenen ab: Müller drückte seine 24 Jahre alte Freundin gegen den Zaun der Kirche, brüllte sie an, schlug zu: mit beiden Fäusten, vier, fünf Mal, in ihr Gesicht. Sie hielt sich die Arme vors Gesicht. Müller schlug weiter auf sie ein, mehrere Male in den Bauch. Als sie in sich zusammenbrach und hinfiel, versuchte Müller sie an den Haaren über den Gehweg zu schleifen. Als die Frau versuchte, aufzustehen, sich mit den Armen aufstützte, trat Müller ihr in den Rücken. Dann ließ er von ihr ab.

Die von Zeugen alarmierte Polizei schickte einen Streifenwagen zum Bassinplatz. Im offiziellen Polizeibericht von Donnerstag heißt es dazu: „Bei Eintreffen der Beamten tat das Pärchen so, als wäre nichts passiert.“ Müller verhielt sich gegenüber den Beamten sehr aggressiv und beleidigte sie. Anika K. erlitt äußerliche Verletzungen, sie musste von einem Notarzt vor Ort behandelt werden.

Die Polizeibeamten nahmen Müller vorläufig fest und in Gewahrsam. Es war eine Vorsichtmaßnahme: Weil Müller weiter äußerst aggressiv war und bei der Polizei als brutaler Gewalttäter registriert ist. Ein Alkoholtest ergab, dass Müller knapp 2,3 Promille intus hatte. Er konnte sich dann im Polizeigewahrsam ausnüchtern. Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft Potsdam wurde er im Laufe des Tages wieder auf freien Fuß gesetzt. Gegen ihn wird nun wegen schwerer Körperverletzung ermittelt.

Müller war erst im Februar vor dem Amtsgericht Potsdam wegen Körperverletzung und Bedrohung zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Grund war ein Vorfall bei einer Silvesterparty 2014/15. Als es schon Neujahr war, soll sich Müllers Kampfhund mit einem anderen Hund eine wilde Beißerei geliefert haben. Als der 32-Jährige die Tiere auseinanderbringen wollte, soll er gebissen worden sein. Der Potsdamer soll derart in Rage geraten sein, dass er in seiner Wut zwei andere Partygäste verprügelt haben soll, darunter einen 16-Jährigen. Beide Opfer wurden erheblich verletzt. Müller hatte nur Fahren ohne Führerschein zugegeben, die Schläge auf die Partygäste aber bestritten. Er habe sie lediglich geschubst. Deshalb hat der 32-Jährige gegen das Urteil vom Februar Berufung eingelegt und will eine Bewährungsstrafe erreichen. Wann darüber am Landgericht Potsdam verhandelt wird, ist noch offen.

Müller steht auch unter Führungsaufsicht. Um eine Haftstrafe zu vermeiden, hatte er sogar eine Therapie begonnen, um seine Aggressivität in den Griff zu bekommen und dem Gericht zu signalisieren, dass er sich ernsthaft bessern wolle. Deshalb hatte er sich zuletzt als Anmelder der fremdenfeindlichen Pogida-Demonstrationen zurückgezogen, aber weiterhin im Hintergrund die Strippen gezogen.

Relevant für das Hafturteil des Amtsgerichts war Müllers dickes Vorstrafenregister, mehrere Urteile aus den vergangenen Jahren wegen Körperverletzung. Der Intensivstraftäter ist fünf Mal zu Haft verurteilt worden und war zwei Mal im Maßregelvollzug für psychisch kranke Straftäter. Zudem räumte er ein, ein Aggressions-Problem zu haben – und ein Problem mit Alkohol. Insgesamt fünf Jahre war er nach eigenen Angaben schon im Gefängnis. Zudem wurde ihm nun eine narzisstische Persönlichkeitsstörung attestiert.

Auch bei der Polizei ist Müller einschlägig bekannt: Insgesamt 170 Verfahren sind im internen Datensystem für die Jahre 2002 bis 2015 verzeichnet, zudem wird er mit den Vermerken „Drogenkriminalität“, „bewaffnet“ und „gewalttätig“ geführt. Bei den meisten Fällen handelte es sich um Rohheitsdelikte wie Nötigung, Bedrohung und Körperverletzungen. Daneben fiel Müller mehrfach mit politisch motivierter Kriminalität auf.

Relevant für die weiteren Verfahren dürfte sein, dass der 32-Jährige ohnehin noch auf Bewährung ist. 2013 war er vorzeitig aus der Haft entlassen worden – trotz einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung, weil er einen Mann über Stunden gefoltert hat. Sollte seine jüngste Verurteilung nach der Berufungsverhandlung rechtskräftig werden, müsste Müller die damals erlassene Haft nachholen.

Die Ermittler bei Polizei und Staatsanwaltschaft nehmen den neuesten Vorfall überaus ernst. Intern äußern Beamte größtes Unverständnis für den jahrelangen nachsichtigen Umgang der Justiz mit dem Gewaltstraftäter. Bevor die Staatsanwaltschaft nun in dem durch die Zeugenaussagen recht klaren Fall abschließend entscheidet, seien weitere Ermittlungen nötig, hieß es. Man wolle die Ermittlungen aber zügig abschließen, sagte ein Behördensprecher. Im Klartext: Noch vor der Berufungsverhandlung soll Anklage gegen Müller wegen der Prügelorgie vom Donnerstag erhoben werden. Es wäre dann unausweichlich, so das Kalkül der Ermittler, dass Müller hinter Gittern muss. Intern wird auch geprüft, ob Müller vor Gericht als gefährlich eingestuft werden muss.

Besonders bizarr ist übrigens, was Müller tat, nachdem er am Donnerstag aus dem Polizeigewahrsam kam. Die Polizei bestätigte auf PNN-Anfrage lediglich, dass Müller am Nachmittag eine Pogida-Demo anmelden wollte. Es hätten allerdings Verbotsgründe wie die Gefahrenlage bei Pogida-Demos vorgelegen, weshalb der 32-Jährige die Versammlung nicht durchführen konnte.

Noch verstörender ist, was sich Zeugenaussagen zufolge tatsächlich am Donnerstagnachmittag abspielte – nur Stunden nachdem Müller seine Lebenspartnerin verprügelt hat. Am Nachmittag gegen 16.30 Uhr rief Müller über den Notruf 110 bei der Polizei an und erklärte, eine Demonstration anmelden zu wollen. Da saß Müller mit seinen Kumpanen am Erlenhof am Schlaatz. Polizeibeamte wurden in das Wohngebiet beordert, sie trafen auf eine Saufrunde von rund zehn Personen, darunter Eltern mit Kindern. Müller war so betrunken, dass er den Beamten nicht einmal sagen konnte, unter welchem Motto die Demo stehen sollte. Er hatte schon wieder 1,7 Promille intus.

Wie es mit Pogida weitergeht, ist unklar. Nach dem Demo-Verbot durch die Polizei soll Müller weiter getrunken haben. Bis in den frühen Freitagmorgen.

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