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Beten statt rasen. Zeestows Kirche soll wieder eine Zukunft haben.

© Kitty Kleist-Heinrich

Landeshauptstadt: Eine Tankstelle für die Seele

In Zeestow soll aus einem verwaisten Gotteshaus die erste Autobahnkirche am Berliner Ring entstehen

Zeestow - Versteckt lugt der kleine Turm hinter den hohen Nadelbäumen hervor. Der Weg zum alten Holzportal ist zugewuchert, die steinerne Stufe vor dem Eingang kaum noch zu erkennen. Seit über 50 Jahren hat in der Kirche von Zeestow (bei Brieselang) kein Gottesdienst mehr stattgefunden. Die wenigen Gemeindeglieder, die es in dem Dorf noch gibt, halten sich an die Kirche im großen Nachbarort. „Ein Unternehmer hat vorgeschlagen, in der Kirche ein Möbellager einzurichten“, sagt Pfarrer Bernhard Schmidt aus Groß-Glienicke, der zur Leitung des Kirchenkreises Falkensee gehört. Doch eine Gemeindeversammlung zur Zukunft der Kirche von Zeestow fiel aus: Niemand kam.

Nun gibt es neue Hoffnung: Weil direkt neben dem Dorf im Havelland der Berliner Ring verläuft, soll das verfallene Gotteshaus zu einer Autobahnkirche werden, schlagen Schmidt und seine Wustermarker Kollegin Heike Benzin vor. Über 30 solcher Kirchen gibt es schon in Deutschland. Meist in der Nähe einer Autobahnauffahrt gelegen, dienen sie Reisenden als „Tankstelle für die Seele“ und bieten Raum für das stille Gebet ebenso wie für eine kurze Pause in einer ruhigen Umgebung. Ein blaues Autobahnschild mit einer schwarzen Kirche auf weißem Grund weist den Autofahrern den Weg. So geschieht es auch in Brandenburg, wo sich Autobahnkirchen bislang im Spreewald an der Ausfahrt Duben der A 13 nach Dresden und an der Ausfahrt Werbellin der A 11 Richtung Stettin finden. Am dicht befahrenen Berliner Ring gibt es dagegen noch keine Autobahnkirche.

„Bei uns wird die Kirche an jedem Morgen um acht Uhr von einem Ehrenamtlichen auf- und abends um acht wieder zugeschlossen“, sagt Pfarrer Ulf Haberkorn von der Kirchengemeinde in Werbellin. Dazwischen überlässt die Gemeinde das Gotteshaus weitgehend sich selbst. Dass es dennoch rege genutzt wird, darüber gibt ein „Anliegenbuch“ Auskunft, das in der Kirche ausliegt: Besucher hinterlassen kurze Grüße, schreiben Gebete in das Buch oder bedanken sich für das offene Kirchengebäude. „Heimkehrende Urlauber danken Gott für ihren Urlaub, andere Autofahrer bitten um Gesundheit für einen erkrankten Angehörigen“, sagt Haberkorn. Selbst hat er nur sehr selten Benutzer der Autobahnkirche angetroffen: „Manchmal kommen Fremde in die Gottesdienste, die wir dort feiern“, sagt der Pfarrer. „Aber das Anliegenbuch zeigt uns, wie oft Menschen im Laufe des Tages tatsächlich in die Kirche kommen.“

So ähnlich stellt sich Rajah Scheepers das auch für Zeestow vor. Die Berliner Theologin, die derzeit ein Forschungsprojekt an der Universität Erfurt leitet, hat für den Kirchenkreis Falkensee ein Konzept zur Nutzung der Zeestower Kirche erarbeitet. „Ein großer Vorteil ist, dass die Kirche in Zeestow nach einem Dorfbrand 1850 neu errichtet wurde“, sagt die promovierte Theologin. „Historische Ausstattungsgegenstände gibt es nicht mehr.“ Die alte Orgel steht heute in der Kirche in Falkensee, einzig eine aus Backsteinen gemauerte Kanzel, ein schlichter Altar und einige alte Kirchenbänke haben die Zeiten überdauert. „Wir können also einen zeitgenössischen, guten Künstler bitten, die Kirche komplett auszugestalten und auch auf die Gestaltung des Äußeren Einfluss zu nehmen“, sagt Rajah Scheepers. „Wenn sich dafür ein einigermaßen bekannter Name findet, kann schon das dazu führen, dass Menschen an der Kirche halten.“

Einstweilen sind noch grundlegende Sanierungsarbeiten nötig. Zwischen 500 000 und einer Million Euro wird es kosten, das Gotteshaus für den Betrieb als Autobahnkirche herzurichten. „Wir brauchen Parkplätze und Toiletten“, sagt Heike Benzin. „Auch das Gelände rund um die Kirche muss wieder hergerichtet werden.“ Der Kirchenkreis sucht deswegen nach Spendern, die das Projekt unterstützen. Die Dorfkirche von Zeestow soll nicht weitere 50 Jahre im Dornröschenschlaf verbringen. Benjamin Lassiwe

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