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Landeshauptstadt: Eine Lederjacke für 400 Ost-Mark

Neuer Ausstellungsbereich im HBPG widmet sich dem DDR-Alltag in Brandenburg von 1945 bis 1989

Von Katharina Wiechers

Aufkleber zieren die alte blaue Kasse, die Bandnamen „Kaltfront“, „Hard Pop“ oder „WK 13“ stehen darauf. Die Blechkiste, in der noch vergilbte Eintrittskarten liegen, gehörte einst zum Punk-Jugendclub „Extrem“ in Lugau bei Fürstenwalde, der es in den 1980ern schaffte, zahlreiche Bands aus Berlin und der gesamten DDR in die brandenburgische Provinz zu locken. Ab dem morgigen Mittwoch ist die alte Kasse als Teil eines neu gestalteten Ausstellungsbereichs über „Alltag und Diktatur in der DDR“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) zu sehen, der sich vor allem an junge Menschen richtet.

„Das ,Extrem’ hat mich davor bewahrt, vor Langeweile einzugehen“, sagt der Gründer des Punk-Clubs, Alexander Kühne, in einem Video, das am Eingang zur Schau zu sehen ist. Neben der Kasse hat er auch seine Lederjacke für den neuen Ausstellungsteil zur Verfügung gestellt. „Das war wahrscheinlich ursprünglich ein Mantel, der dann umgenäht wurde“, sagt Kuratorin Antonia Humm. 400 DDR-Mark habe Kühne einst dafür gezahlt, sagt sie. „Damals ein Vermögen!“

Dieses und ähnliche Beispiele sollen vor allem Jugendlichen das DDR-Alltagsleben vermitteln, sagt Humm. Beginnend mit der Geschichte einer Familie, die im Zuge der Bodenreform 1945 enteignet und vertrieben wurde, habe man versucht, eine grobe Chronologie der Ereignisse in Brandenburg nach dem Krieg bis zur Wende darzustellen.

Dabei spielt auch das Schicksal eines 17-Jährigen eine Rolle, der 1966 bei einem Fluchtversuch in Teltow ums Leben kam. Familienfotos und Tonbandaufnahmen aus dem West-Radio, die dem Jungen gehörten und die sein Bruder nun dem HBPG zur Verfügung gestellt hat, werden ebenso gezeigt wie Stasi-Dokumente über den Fall.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der DDR-Jugendorganisation FDJ. Diese habe versucht, Kinder zu „sozialistischen Menschen“ zu erziehen, sagt Humm. Dabei seien vor allem in den 1950ern auch andere Jugendgruppen, wie etwa die christliche Junge Gemeinde, kriminalisiert worden. Auszüge aus dem Tagebuch des Gubeners Gerhard Gunia, damals Mitglied der Jungen Gemeinde, belegen dies.

Ebenfalls ausgestellt sind ein FDJ-Abzeichen zum Anstecken, ein FDJ-Mitgliedsbuch und das FDJ-Liederbuch mit dem Titel „Leben Singen Kämpfen“. Den Schlusspunkt bildet die DDR-Bürgerbewegung. Exemplarisch wird dort die vom heutigen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) mitgegründete Bürgerinitiative Argus vorgestellt, die sich für Umweltschutz und gegen den Abriss historischer Bauten im Stadtzentrum einsetzte.

Zu sehen ist auch ein selbst bemaltes Holzschild, das an einem Baggersee stand. Es zeigt einen Storch, ein paar Schilfhalme und die Aufschrift „Betreten verboten“. Katharina Wiechers

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