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Musikalisch. Edward Collins (rechts) bei der Einbürgerungsfeier im Potsdamer Standesamt. Zum Abschluss der Zeremonie wurde die deutsche Nationalhymne gesungen.

©  Andreas Klaer

Einbürgerung in Potsdam: Potsdam wird britischer

Das Interesse an der Einbürgerung von Potsdamern aus Großbritannien wächst. Meist kommen die Eingebürgerten aus Nicht-EU-Ländern, vor allem aus der Ukraine.

Potsdam bekommt den Brexit zu spüren. Bislang allerdings auf angenehme Weise. Anders als in früheren Jahren wollen sich nämlich Potsdamer mit britischer Herkunft nun einbürgern lassen. Am gestrigen Mittwoch wurde nämlich gleich drei Briten bei einer Feier im Standesamt die Einbürgerungsurkunde von Potsdams Sozialbeigeordnetem Mike Schubert (SPD) überreicht. Einer von ihnen war Alistair Cook. Der 60-jährige Unternehmensberater lebt schon seit 35 Jahren in Deutschland. Seit etwa viereinhalb Jahren sei er in Potsdam heimisch und fühle sich ganz wohl. Direkt nach dem Referendum über den EU-Austritt in Großbritannien im Juni vergangenen Jahres habe er sich entschieden, einen Antrag auf Einbürgerung in Deutschland zu stellen. Maßgeblich sei dabei auch gewesen, dass er Nachteile erwarte, wenn Großbritannien nicht mehr EU-Mitglied sei. Er wolle sich nicht bei der Passkontrolle am Flughafen in die Warteschlange für die Nicht-EU-Bürger anstellen.

Auch für den Potsdamer Edward Collins hieß es nach dem Brexit-Votum „Now or never“. Seit 28 Jahren lebt er in Deutschland, 20 Jahre davon in Potsdam. Das Thema Einbürgerung stand für ihn schon länger zur Diskussion, der geplante EU-Ausstieg Großbritanniens sei dann das i-Tüpfelchen gewesen. Besonders freue er sich, dass er nun endlich wieder wählen kann. Als Brite verliere man nämlich das Stimmrecht, wenn man länger als 15 Jahre im Ausland lebt. „Das ist untragbar“, sagte er.

Briten haben Interesse an Einbürgerungen

Ein gesteigertes Interesse britischer Staatsangehöriger an der Einbürgerung in Potsdam hatte die Stadtverwaltung schon in den ersten Wochen nach dem Brexit-Referendum im Sommer festgestellt. In den ersten acht Wochen danach hatten sich zwölf britische Staatsbürger zu den allgemeinen Voraussetzungen einer Einbürgerung, zur Stellung eines Einbürgerungsantrags und zum Ablauf des Verfahrens beraten lassen. Verglichen mit den Einbürgerungen in der Vergangenheit ist das Interesse enorm gewachsen: In der Zeit von 2006 bis Mitte 2016 haben sich nämlich nach der Statistik der Stadtverwaltung lediglich vier britische Staatsbürger in Potsdam einbürgern lassen. Neuere Zahlen konnte die Stadtverwaltung am Mittwoch nicht bereitstellen. Potenzial für Einbürgerungen gibt es wohl noch: Laut statistischem Jahrbuch lebten Ende 2015 nämlich 164 Bürger des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland in Potsdam.

Seit 1990 sind knapp 2600 Menschen aus 115 Ländern in Potsdam eingebürgert worden. Die meisten davon stammten aus der Ukraine, der Russischen Föderation, der Türkei, aus Polen und Vietnam. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 131. Geht es um Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, haben Einbürgerungen meist Seltenheitswert. Das einzige EU-Land, aus dem in den vergangenen zehn Jahren mehr als zehn Potsdamer eingebürgert wurden, ist Brandenburgs Nachbarland Polen.

Ukrainisches Ehepaar lebt seit elf Jahren in Deutschland

Einsam an der Spitze der Einbürgerungsstatistik liegen Ukrainer. Von 2006 bis 2015 haben 252 Potsdamer mit ukrainischen Wurzeln die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. Auch am Mittwoch waren drei dabei, darunter das Ehepaar Zinchenko. Beide leben seit elf Jahren in Deutschland. Da sei es Zeit geworden, auch die Staatsangehörigkeit anzunehmen. Man sei jetzt schon so lange hier zu Hause, dass eine Rückkehr in die Ukraine nicht infrage komme. Zumal ihre frühere Heimatstadt Charkiw im Osten der Ukraine liege. Von dort sei es nicht weit ins Kriegsgebiet.

Für Schubert – seit Sommer 2016 Beigeordneter – war es bereits die dritte Einbürgerungsfeier. „Das ist aber noch keine Routine für mich“, sagte er. Hinter jedem Teilnehmer stünden schließlich eine Lebensgeschichte und ganz individuelle Gründe für den Wechsel der Staatsbürgerschaft. „Einige kommen wegen der Liebe, andere wegen der Arbeit. Wieder andere flüchten vor Gewalt und Unterdrückung“, so Schubert. Die Einbürgerung selbst sei meist das Ende eines langen Verfahrens. Die Feier ging dafür aber schnell: Alle 22 Teilnehmer wurden einzeln aufgerufen und schworen, Grundgesetz und andere Gesetze zu achten. Dann bekamen sie von Schubert die Einbürgerungsurkunde und von den Mitarbeiterinnen des Standesamts eine Rose und je ein Exemplar des Grundgesetzes und der Landesverfassung überreicht. Anschließend wurde die Nationalhymne gesungen.

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