zum Hauptinhalt

Einblick ins blu: Ein Mann und sein Bad

Fast 1000 Besucher und 1850 Quadratmeter Wasser: Marc Fischer ist Schwimmmeister in Potsdams neuem Bad – und hatte am Eröffnungstag seinen ersten blu-Einsatz.

Von Valerie Barsig

Das tut weh! Ein kleines Mädchen hält sich die rote und schmerzende Schulter. Gerade ist sie im blu die große Rutsche hinuntergesaust. Dabei hat sie sich gestoßen. Gemeinsam mit ihrer Mutter sucht sie Hilfe bei Schwimmmeister Marc Fischer. „Haben Sie etwas zum Kühlen?“ Fischer ist am ersten Öffnungstag des neuen Potsdamer Sport- und Freizeitbads gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen für die Sicherheit auf 1850 Quadratmetern Gesamtwasserfläche verantwortlich. Der 28-Jährige verschwindet kurz im Erste-Hilfe-Raum und muss Mutter und Tochter enttäuschen: Er kommt ohne Kühlkompresse wieder. „Am besten in der Dusche unter kaltes Wasser halten“, empfiehlt er.

So ganz reibungslos funktioniert noch nicht alles an diesem ersten Tag blu, als morgens um halb sieben die ersten Gäste erstmals ins neue Sportbad dürfen – 968 im gesamten Bad werden es bis abends um 18 Uhr. Die Chip-Armbänder funktionieren nicht an jedem Drehkreuz sofort und im Erste-Hilfe-Raum fehlt eben der Kühlschrank für die Kompressen. „Der wird aber in den kommenden Tagen geliefert“, verspricht Fischer.

 „Dieses Bad ist ein kleines Kraftwerk“

Ortswechsel: Es dröhnt, rauscht und pfeift. blu-Badleiter Björn Meding steht an einer mehrere Meter hohen grauen Betonwand, die mindestens 50 Zentimeter dick ist. Über Medings Kopf verlaufen dicke, silberne Rohre, am Ende einer Metalltreppe sind große Tanks zu sehen. „Dieses Bad ist ein kleines Kraftwerk“, sagt er. Die Technik ist das Herz des blu. Und das liegt im Keller. Vier Techniker sollen einmal das Hightech-Bad überwachen, am Eröffnungstag sind im Keller aber mehr Leute beschäftigt. Der letzte Baustaub wird von den Maschinen geputzt, Rohre gespült. Mitten in diesem Labyrinth stehen riesige Filter. Durch sie rauschen viermal am Tag 600 Kubikmeter Wasser. „Organische Stoffe und Schmutz werden so entfernt“, erklärt Meding.

Aber nicht nur die Filter sind für die Wasserqualität im blu verantwortlich, sondern auch Schwimmmeister Fischer, oben an den Becken. Über seinen korrekten Berufstitel muss er schmunzeln: „Fachkraft für Bäderwesen“ ist er, der nicht nur Leben rettet und Becken überwacht, sondern auch den pH- und Chlorwert des Wassers dreimal täglich kontrolliert. Dazu trägt er einen kleinen Messkoffer zum Strömungskanal und beugt sich vorsichtig über den Rand. In das Wasser taucht er zwei kleine Glasgefäße. Mit ausholenden Bewegungen wirbelt er das Wasser durcheinander und nimmt dabei die Proben. Sichtkontrolle: alles in Ordnung. Mit Hilfe von Färbetabletten und einem elektronischen Messgerät kann er dann Chlor- und pH-Wert testen. Es dauert insgesamt rund 30 Minuten, bis jedes der blu-Becken geprüft ist.

Der Computer hilft mit

Würde morgens bei der ersten Kontrolle, bevor die Besucher da sind, etwas nicht stimmen, könnte man das Becken rechtzeitig sperren. Zusätzlich zu Fischers Kontrolle wird auch noch per Computer überwacht. „Die Technik hier ist schon sehr spannend“, sagt Fischer, der vorher im alten Bad am Brauhausberg gearbeitet hat. „Ich bin sozusagen im Schwimmbad groß geworden.“ Lange Zeit hat er Wasserball gespielt. Die Ausbildung als Fachkraft für Bäderwesen war für ihn nur ein konsequenter Schritt. In drei Jahren werden die Azubis zu Rettungsschwimmern, müssen aber auch Mathe, Physik und Chemie pauken. „Weil das viele abschreckt, ist es gar nicht so leicht, neue Leute zu finden“, sagt Fischer.

Er steht am Sportbecken und lässt seinen Blick prüfend über das Wasser gleiten. „Menschen retten hat nichts mit Baywatch zu tun“, sagt er. „Keiner läuft hier in Zeitlupe, reißt sich das Hemd vom Leib und springt mit einer Boje ins Wasser.“ Es gehe um Prävention. Das bedeutet, dass Fischer zum Beispiel auf den Gesichtsausdruck der Schwimmer im Becken des blu achtet. Sieht jemand angestrengt aus, wird er genauer beobachtet. Außerdem wechselt er seinen Platz alle paar Minuten und achtet auf den Beckenboden.

59 Prozent der Zehnjährigen können nicht schwimmen

Im blu musste er noch keinem Schwimmer in Not helfen, erinnert sich aber noch gut an den Teenager, den er plötzlich auf dem Boden im alten Schwimmbad am Brauhausberg entdeckte: Der Junge hatte sich im Apnoe- Tauchen versucht, einer speziellen Technik, bei der man nach viel Training bis zu acht Minuten unter Wasser bleiben kann. Mitten im Tauchgang hatte der Teenager das Bewusstsein verloren – Fischer rettete ihn aus dem Becken und leistete erste Hilfe. „Zum Glück ist nichts Schlimmes passiert.“ Jeder sollte schwimmen lernen, sagt der Schwimmmeister.

Dass laut einer von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage 59 Prozent der Zehnjährigen heute nicht sicher schwimmen können, hält er für einen bedenklichen Trend. Fünf erwachsene Nichtschwimmer unterrichtet er selbst, außerdem Kinder, die das Seepferdchen machen wollen. „Der Moment, wenn sie das erste Mal ohne Schwimmflügel ins Becken gehen, ist einfach nur super“, sagt er. Diese Momente wird er ab sofort noch häufig erleben. Nicht im alten Schwimmbad am Brauhausberg, sondern als Schwimmmeister im neuen blu.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false