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Die Fleischerei Neuendorff an der Friedrich-Ebert-Straße in der Potsdamer Innenstadt schließt am 15. Februar 2021.

© Andreas Klaer

Ein Stück Potsdamer Stadtgeschichte schwindet: Traditions-Fleischerei Neuendorff schließt

Nicht mehr lange, dann ist Schluss. Die Fleischerei Neuendorff in der Potsdamer Innenstadt schließt ihr Geschäft. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.

Von Carsten Holm

Potsdam - Ina Neuendorff hat ein DIN-A-4-großes, schlichtes weißes Blatt Papier an der Glasscheibe der Eingangstür zu der Potsdamer Traditions-Fleischerei in der Innenstadt befestigt. „Sehr geehrte Kundschaft,” ist darauf zu lesen, „leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass unser Geschäft ab dem 15.02.2021 geschlossen bleibt. Auf diesem Wege bedanken wir uns ganz herzlich für Ihre jahrelange Treue und wünschen Ihnen für die Zukunft alles erdenklich Gute, verbunden mit allerbester Gesundheit.” „Es ist uns sehr schwer gefallen, diese Entscheidung zu treffen, aber auch, dieses Plakat jetzt aufzuhängen”, sagte die 56 Jahre alte Frau am Freitag den PNN, „es hängt ja unser ganzes Leben daran.” 

Das Virus ist nicht schuld

Umsatzeinbußen mussten Fleischermeister Axel Neuendorff, 55, vor allem während des zweiten Corona-Lockdowns hinnehmen, aber es stand außer Frage, dass das renommierte Geschäft in der Friedrich-Ebert-Straße 21 die schwierige Zeit überleben würde. „Corona war kein Grund”, sagte Ina Neuendorff, „aber wir haben in jüngster Zeit nachgedacht und uns zu diesem Schritt durchgerungen, weil wir immer schwer gearbeitet haben und es nun genug war.” 

Mitte Februar ist Schluss: Die Fleischerei Neuendorff schließt ihr Geschäft am 15. Februar 2021.
Mitte Februar ist Schluss: Die Fleischerei Neuendorff schließt ihr Geschäft am 15. Februar 2021.

© Andreas Klaer

Selbst ein Mitbewerber wie Andreas Riek, der mit seinem Sohn Pierre in Potsdam die seit den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts existierende Fleischerei Riek führt, bedauert die Entscheidung. „Es ist schade, dass die alten Traditionsbetriebe immer weniger werden”, sagte der Schatzmeister der Fleischer-Innung. 

Seit 1908 wird dort Wurst verkauft

Das Wohn- und Geschäftshaus der Neuendorffs ist lebendige Potsdamer Stadtgeschichte. Es entstand 1734 während des ersten Bauabschnitts des Holländischen Viertels und gilt als Einzeldenkmal in dem Ensemble, das als Handwerkerviertel konzipiert wurde und sich nach der Wende zu einem exklusiven Wohn-und Geschäftsviertel entwickelte. Schon seit 1908, so haben es die Neuendorffs anhand von Aufzeichnungen herausgefunden, wurden in ihrem heutigen Anwesen Fleisch- und Wurstwaren verarbeitet und verkauft. 

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Axel Neuendorffs Vater Rainer hatte das Haus und die Fleischerei 1973 erworben, im Oktober 2007, als sein Vater in Rente ging, übernahm der Sohn, der die Produktion schon lange geleitet hatte. Ina Neuendorff gehört seit rund 30 Jahren dazu. Dann zog die Moderne ein: das Ladengeschäft wurde umgebaut, nebenan entstand ein Imbiss. Viele Potsdamer holten sich morgens ihre belegten Brötchen ab, Touristen und Einheimische bestellten von der hausgemachten Mittagskarte. 

Eine gute Nachricht freut die Neuendorffs: Ihre beiden Mitarbeiterinnen im Verkaufsraum fanden innerhalb weniger Tage eine neue Arbeitsstelle. Die Zukunft des Geschäfts ist noch ungeklärt. In der Familie steht niemand für eine Nachfolge bereit, die Tochter der Neuendorffs arbeitet in einem kaufmännischen Beruf. 

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