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Ein Leben nachzeichnen: Schüler auf der Spur von Gustav Herzfeld

Der Potsdamer Anwalt Gustav Herzfeld wurde von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet. Jugendliche recherchieren zum Leben des Mannes.

Als ihm klar wurde, dass er deportiert werden soll, versuchte Gustav Herzfeld sich das Leben zu nehmen. Aber sein Vorhaben scheiterte. In dem Altenheim, in dem er damals lebte, fand man ihn, er wurde wieder gesund gepflegt – nur um dann ins Konzentrationslager Theresienstadt gebracht und wenige Wochen später ermordet zu werden. Am 23. März 2017 soll nun vor dem ehemaligen Wohnhaus von Gustav Herzfeld in der Potsdamer Straße 26 in Bornstedt ein Stolperstein verlegt werden und fortan an ihn erinnern.

Zum Leben des Potsdamer Anwalts recherchieren derzeit neun Jugendliche – sie besuchen Archive, durchforsten Akten und wälzen alte Bücher. Da es sich um ein Kooperationsprojekt der Landeshauptstadt und der evangelischen Kirchengemeinde handelt, stehen ihnen dabei Stadtkirchenpfarrer Simon Kuntze, Tobias Büloff, Mitarbeiter der Erinnerungskultur der Stadt, und der Historiker Sascha Topp zur Seite.

Einiges ist über das Leben von Gustav Herzfeld bekannt. 1861 kam er als Sohn eines aus Neuss am Rhein stammenden Bankiers in New York zur Welt. Wenig später kehrte die Familie nach Deutschland zurück. 1908 trat Herzfeld vom judentum zum Christentum über, in der evangelischen Bornstedter Kirchengemeinde galt er als engagiertes Mitglied. In Potsdam führte er ab 1914 eine Anwaltskanzlei – er galt als sozial engagiert und beriet auch mittellose Bürger. Doch wie alle Christen jüdischer Herkunft wurde auch er von den Nationalsozialisten verfolgt. Zunächst musste er seine Kanzlei aufgeben, dann sein Haus veräußern und er wurde zunehmend isoliert. Am 4. Oktober 1942 erfolgte seine Deportation nach Theresienstadt.

Doch die jungen Teilnehmer des Projekts wollen am Ende ihrer Recherchen einen umfangreichen Blick auf Gustav Herzfeld vorstellen. „Wir wollen das Ganze mit Leben erfüllen, nicht nur mit den bloßen Daten auf dem Stein“, sagt Büloff.

Am gestrigen Mittwoch traf sich die Gruppe Jugendlicher erneut im Friedenssaal und trugen ihre bisherigen Recherchen zusammen. So tauchte eine alte Klageschrift auf. Es scheint, als habe Herzfeld von 1904 bis 1913 eine Affäre gehabt und seiner Geliebten sogar eine größere Summe Geld und ein Haus vermacht. Als Herzfelds Ehefrau davon erfuhr, forderte sie alles zurück – es entbrannte ein Rechtsstreit. Weitere Fakten – etwa dass Herzfelds einziger Sohn im Ersten Weltkrieg fiel und seine Ehefrau 1920 Selbstmord beging – haben die Jugendlichen bereits zusammengetragen.

In die Recherchen stecken die Jugendlichen viel Zeit. „Das macht mir Spaß“, sagt Nikolai von Pfeil, einer der Teilnehmer. Es sei spannend, etwas über eine Person herauszufinden. Sein Freund Lasse Apel fügt hinzu: „Ich denke, dass wir nicht so schnell wieder die Möglichkeit bekommen, in Archive zu gehen und die Arbeit dort kennenzulernen.“ Die beiden 14-Jährigen haben zu Beginn des Jahres von dem Rechercheprojekt erfahren. „Tagtäglich sollte man daran erinnert werden, was einmal in Deutschland passiert ist“, begründet Nikolai von Pfeil sein Engagement.

Das Leben Herzfelds ist umso interessanter, da er zum christlichen Glauben übertrat. Eine Arbeitsgruppe des Evangelischen Kirchenkreises forscht schon länger zu Geschichten von Christen jüdischer Herkunft. „Wie mit Anfragen zur Herkunft christlicher Gemeindemitglieder umgegangen wurde, ist für uns spannend“, sagt Stadtkirchenpfarrer Kuntze. Bisher konnten sie jedoch nicht herausfinden, ob die Nationalsozialisten bei der Kirche zu Herzfeld recherchierten. Daher soll in den Taufbüchern der Bornstedter Gemeinde nach weiteren Anhaltspunkten geforscht werden.

Wenn alle Informationen zusammengetragen sind, will die Gruppe einen Rundgang durch Potsdam machen – vorbei an Herzfelds Anwaltskanzlei, vielleicht am Haus seiner Geliebten, am Altenheim, am St. Josefs-Krankenhaus, in dem er gepflegt wurde und vorbei an seinem ehemaligen Wohnhaus, wo bald der Stolperstein an ihn erinnern wird.

Anne-Kathrin Fischer

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