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„Deichgraf“ gratuliert „Held der Oder“: Gemeinsam haben Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und Hans-Peter von Kirchbach vor 14 Jahren gegen das Oderhochwasser gekämpft. Am Mittwoch feierte von Kirchbach seinen 70. Geburtstag.

© Katie Simpson

Landeshauptstadt: Ein Held wider Willen feiert Geburtstag

1997 bewahrte Hans-Peter von Kirchbach das Oderbruch vor dem Untergang. Am Mittwoch ist er 70 Jahre alt geworden.

Von Matthias Matern

Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Wolfgang Huber, nennt ihn ein „leuchtendes Vorbild ehrenamtlichen Engagements“. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) würdigt ihn als „großes Glück für das Land Brandenburg“. Hans-Peter von Kirchbach selbst sind solche Lobeshymnen eher unangenehm. Vermeiden lassen sie sich aber nicht, erst recht nicht an diesem Tag. Es ist sein 70. Geburtstag und die Liste der Redner ist lang. Im Kavaliersflügel des Schloss Glienicke steht die Luft, doch keiner will es sich nehmen lassen, an die Verdienste des Jubilars zu erinnern. Gepriesen wird seine Arbeit als Präsident der Johanniter-Unfallhilfe, sein Engagement für Schulen und Kindergärten. Doch bundesweit bekannt geworden ist von Kirchbach für etwas ganz Anderes: Als Generalmajor der Bundeswehr bewahrte er vor rund 14 Jahren an der Spitze von 30 000 Soldaten das Oderbruch vor dem Untergang.

Noch heute wird von Kirchbach zwischen Wriezen und Hohenwutzen als Retter gefeiert. Kaum ein Dorffest wird geplant, ohne dass bei von Kirchbach in Potsdam das Telefon klingelt oder eine Einladung im Briefkasten landet. Die drohende Katastrophe im Sommer 1997 rückte den bis dahin kaum beachteten Landstrich im Osten Brandenburgs durch bewegende Fotos und dramatische Wasserstandsmeldungen schlagartig bundesweit ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Nach tagelangen Regenfällen in Tschechien und Polen schwoll die Oder an, trat über die Ufer und drückte gegen die morschen Deiche. Überwältigt von den Fernsehbildern brach Hans-Peter von Kirchbach, damals Kommandeur der 14. Panzergrenadierdivision in Neubrandenburg, seinen Urlaub in der Eifel ab und ließ sich direkt in das Krisengebiet fliegen. „Ich wusste, nur die Bundeswehr konnte wirklich etwas tun in dieser Situation“, erinnert sich von Kirchbach später.

Am 30. Juli kommt es schließlich bei Hohenwutzen zur Nagelprobe. Zusammen mit Platzeck, damals noch Landesumweltminister und seit Tagen vor Ort, muss von Kirchbach mit ansehen, wie sich auf einer Länge von 150 Metern der Deich unter dem Druck des Wassers aufzulösen droht. Dann trifft der Generalmajor die Entscheidung: Er fordert alle verfügbaren Hubschrauber an, lässt 250 000 Sandsäcke an der beschädigten Barriere abwerfen – der Coup gelingt, das Oderbruch ist gerettet.

Platzeck hat der Sommer 1997 zum „Deichgrafen“ gemacht und von Kirchbach zum „Helden von der Oder“. „Für mich persönlich habe ich den Titel nie in Anspruch nehmen wollen. Als Anerkennung für die Leistung der Truppe ist das noch akzeptabel“, findet von Kirchbach, der in Weimar geboren wurde und nach Kriegsende mit seiner Familie Thüringen Richtung Westen verließ. Nach dem Abitur 1960 in Koblenz trat der Sohn eines Offiziers in die Bundeswehr ein, entschied sich nach dem Fall der Mauer bewusst für einen Dienst in den neuen Bundesländern. 1990 übernahm er das Kommando über eine ehemalige NVA-Panzerdivision in Eggesin (Mecklenburg-Vorpommern).

Nach der Rettung des Oderbruchs ging es für den überzeugten Protestanten und Junggesellen steil bergauf. Auf Anregung des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) wurde von Kirchbach 1998 zum Generalinspekteur der Bundeswehr berufen. Doch nur rund ein Jahr nach seinem Amtsantritt bat der einst gefeierte Held um seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Grund soll ein Zerwürfnis mit dem damaligen Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) über die geplante Bundeswehrreform gewesen sein. Dieser hatte von Kirchbach beauftragt, ein entsprechendes Konzept vorzulegen, dieses dann jedoch angeblich als nicht zufriedenstellend abgetan. Beide Seiten hatten über die wahren Gründe Stillschweigen vereinbart.

Seit 2002 widmet sich von Kirchbach seiner Aufgabe als Präsident der Johanniter-Unfallhilfe. Unter seiner Führung hat der Orden sein Engagement in der Jugendarbeit verstärkt und begonnen, eigene Schulen und Kindergärten zu gründen. Bei großen Naturkatastrophen lässt es sich der „Held von der Oder“ noch immer nicht nehmen, in das Krisengebiet zu reisen. Sowohl nach dem Erdbeben von Haiti Anfang 2010 als auch während der verheerenden Flut in Pakistan im Sommer des selben Jahres machte er sich vor Ort ein Bild von den Zerstörungen.

Auf was es in ärgster Not ankommt, hat ihm der Kampf gegen seinen einst „größten Feind“, die Oder, gezeigt. Für von Kirchbach ist die Flut zum „Lehrstück“ geworden, wie „Zusammenarbeit in der Krise funktioniert“. „Die Erinnerungen spielen immer mit, wenn ich am Fluss stehe – aber nur die guten“, versichert er.

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