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Ehrung: Vier Potsdamer für das Goldene Buch

Verdient um die Stadt: Vier Potsdamer verewigen sich am Freitag im Goldenen Buch der Stadt. Zeit, die Geehrten vorzustellen - und den ganzen aktuellen Knatsch mal zu vergessen.

Von Birte Förster

Potsdam - Um interessante Lektüre oder schöne Bilder geht es nicht, wenn Auserwählte das sogenannte Goldene Buch der Stadt aufschlagen können. Jedes Jahr werden in Potsdam, aber auch in anderen Städten, Menschen dazu aufgefordert, sich mit ihrer Unterschrift in dem Buch zu verewigen. Mit dem Eintrag wird denjenigen eine besondere Ehrung zuteil, die sich in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen für die Stadt engagiert haben. Aber auch Ehrengäste der Stadt dürfen in dem Buch ihre Unterschrift hinterlassen.

In dem aktuellen Goldenen Buch der Stadt Potsdam befinden sich alle Einträge seit 1991, bislang 110 – der jüngste stammt vom Donnerstag: Marianne Seibert, die Vorsitzende des Landesverbandes der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, wurde mit einem Eintrag geehrt. Der erste, der auf den Seiten des Buches unterschreiben durfte, war Willy Brandt, von 1969 bis 1974 Bundeskanzler, der die Landeshauptstadt im Mai 1991 besuchte. Weitere bekannte Namen unter den Unterzeichnern sind der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, TV-Moderator Günther Jauch, Modedesigner Wolfgang Joop sowie Software-Unternehmer und Mäzen Hasso Plattner.

Nun stehen weitere Eintragungen an: Vier Potsdamer dürfen am Freitag beim Neujahrsempfang der Stadt im Nikolaisaal im Goldenen Buch unterschreiben – was bereits im Vorfeld zu heftigem Streit geführt hat. Irritationen gab es aber beispielsweise auch 2009, als sich der frühere Baustadtrat Detlef Kaminski neben sieben anderen um die friedliche Revolution in Potsdam verdienten Bürgern eintrug.

Am Freitag werden wieder Potsdamer geehrt, die „in der Wendezeit aktiv waren und in den folgenden 30 Jahren mit ihren ,Lebenslinien’ wichtige Akzente in der Landeshauptstadt gesetzt haben“, wie es die Stadt formuliert. Ein Überblick über die „Neuen“.

Engagement für die Rechte von Frauen

Auf vielen Ebenen setzt sich Heiderose Gerber, Jahrgang 1958, für die Belange von Frauen ein. Seit 30 Jahren ist sie Geschäftsführerin des Autonomen Frauenzentrums, engagiert sich als Vertreterin der Landesarbeitsgemeinschaft Frauenzentren im Vorstand des Frauenpolitischen Rates und als Mitglied der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit.

Willy Brandt war der erste, der sich in das Goldene Buch der Stadt Potsdam eintragen durfte.
Willy Brandt war der erste, der sich in das Goldene Buch der Stadt Potsdam eintragen durfte.

© Andreas Klaer

Außerdem hilft sie Frauen, die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution wurden, und bemüht sich um eine bessere Unterbringung von weiblichen Flüchtlingen. Gerbers frauenpolitisches Engagement begann im Dezember 1989 mit dem ersten unabhängigen Frauentreffen in Potsdam. Es gründete sich die Unabhängige Initiative Potsdamer Frauen mit mehreren Arbeitsgruppen. Gerber schloss sich der Gruppe Frauenzentrum an, aus der 1990 ein Verein entstand. 1991 wurde sie geschäftsführende Vorstandsfrau. Heute ist das Frauenzentrum Kulturprojekt, Bildungsort, Frauenhaus und Beratungsstelle.

Rekonstruktion der Potsdamer Mitte

Seit der Wendezeit engagiert sich Saskia Hüneke, Jahrgang 1953, für den Erhalt und den Wiederaufbau der historischen Potsdamer Mitte. Die Kunsthistorikerin und Lokalpolitikerin ist Vorstandsmitglied der 1988 gegründeten Argus, der Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung, die mehrere geplante Abrisse in der Innenstadt verhinderte. Außerdem setzt sich Hüneke seit Ende der 1980er Jahre dafür ein, historische Bausubstanz und Gartenanlagen mit den Erfordernissen einer modernen Stadtentwicklung in Einklang zu bringen. Seit 1981 ist sie als Kustodin für die Skulpturensammlung der Schlösserstiftung verantwortlich.

Heiderose Gerber.
Heiderose Gerber.

© Andreas Klaer

Seit 1998 bis heute ist Hüneke außerdem Grüne-Stadtverordnete. 2017 wurde Saskia Hüneke bereits mit dem Wilhelm-Foerster-Preis der Urania Potsdam als ausgezeichnete Wissenschaftlerin und hoch engagierte Städtebau-Expertin gewürdigt.

Einsatz für Flüchtlinge

Um den Eintrag von Lutz Boede, Jahrgang 1965, gab es vorab heftigen Krach, besonders von Seiten der CDU. Mit seiner Unterschrift wird Boede, der 2018 als Oberbürgermeisterkandidat der alternativen Wählergruppe Die Andere antrat, für sein Engagement für Flüchtlinge und als Vermittler zwischen Stadtverwaltung und linker Szene geehrt. Außerdem ist er in Potsdam gegen Rechtsextremismus aktiv. Boede engagierte sich in der Mietenstopp-Gruppe, beim Bürgerbegehren „Kein Ausverkauf der Potsdamer Mitte“ sowie gegen das Wiederaufbauprojekt Garnisonkirche.

Saskia Hüneke.
Saskia Hüneke.

© Andreas Klaer

Boede arbeitet halbtags als Geschäftsführer der Fraktion Die Andere. Ehrenamtlich engagiert er sich beim Verein Paragraph 13, der Schulsozialarbeit anbietet, und als Mitglied des Migrantenbeirates. Außerdem trainiert er ein Fußballjugendteam des SV Concordia Nowawes 06.

Aktiv im Kirchenkreis

Ohne Christian Rüss würde es das Goldene Buch gar nicht geben. 1980 übernahm er die seit 1910 bestehende Buchbinderei in der Potsdamer Lindenstraße. 1994 kam eine Druckerei dazu und der Betrieb, dem sich später auch sein Bruder Cornelius anschloss, zog in die Alte Waffenmeisterei im Ulanenweg. Für den aufwendigen Umbau des historischen Gebäudes erhielt die Familie Rüss im Jahr 2003 den Bundespreis für Denkmalpflege. Die Druckerei Rüss hat mehrere besondere Werke binden lassen, darunter eben auch das Goldene Buch der Stadt. Christian Rüss ist auch ehrenamtlich aktiv und hat als früherer Sprecher des Kirchenkreises Potsdam das Stadtgeschehen über Jahrzehnte mitgeprägt.

Lutz Boede.
Lutz Boede.

© Sebastian Gabsch

Er engagiert sich bei der Bürgerinitiative Mitteschön und als stellvertretender Vorsitzender der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche. Er vermittelte bei Zwistigkeiten etwa beim Thema Pfingstberg. Die Ehrung mit dem Eintrag ins Goldene Buch ist für den Buchbinder ein besonderes Ereignis: Er bekommt nun die Gelegenheit, „sein Werk“ zu signieren.

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