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Landeshauptstadt: Ehrliche Gespräche mit Schmalzstulle Die legendäre „Stube“ feierte ihren 30. Jahrestag

Manches bleibt. Auch zum 30-Jährigen der „Stube“ gab es Schmalzstullen und Gurken auf die Hand, ein festes Glas für jeden Gast, in das nachgeschenkt wurde.

Manches bleibt. Auch zum 30-Jährigen der „Stube“ gab es Schmalzstullen und Gurken auf die Hand, ein festes Glas für jeden Gast, in das nachgeschenkt wurde. Wie in den 80er-Jahren, erst unter dem Dach des Jugendkulturhauses Lindenpark in Babelsberg, kurz darauf unter den Balken des damals neu eröffneten „Spartakus“. Am Samstagabend wurde das 30-jährige Jubiläum wieder unter einem Dach gefeiert, diesmal im „Kuze“, dem studentischen Kulturzentrum

Legendär ist die „Stube“ für jene, die damals in tiefster DDR-Zeit allwöchentlich am Donnerstag jenen Kultur- und Diskussionstreffpunkt aufsuchten. Für Wolfram Arton, ehemals Schulze, ist es „damals die Suche nach einer Möglichkeit gewesen, ehrlich zueinander zu sein, wahrhaftiges auszutauschen, Künstler direkt zu treffen“, erinnert er sich an die Anfänge. „Und es sollte eine Atmosphäre wie im eigenen Wohnzimmer sein, deshalb auch der Name ,Stube’“, so Arton. Mit vier Freunden organisierte er 1980 erstmals eine „Stuben-Veranstaltung“. Premierengast: die Musik-Formation „Polka-toffel“.

Die durch die Gründer gewollte freie, ehrliche Atmosphäre fand schnell den Argwohn der Oberen. Die Staatssicherheit verhörte Arton schon kurz nach der Eröffnung. Nach der Wende finden sich dutzende Stasi-Aktenbelege über den Veranstaltungsort. Ein damaliges Ziel: Die Verhinderung des ersten großen „Stube“- Coups. „Wir hatten die Zusage der Schriftstellerin Christa Wolf, bei uns zu lesen“, erzählte Wolfram Arton. Die Stasi konnte die Veranstaltung nicht mehr verhindern, Wolf kam und las. Und wegen ihr kamen hunderte Potsdamer. „Wir haben die Lesung mit Lautsprechern in andere Räume übertragen müssen, so voll war es“, erinnerte sich Arton. Danach wurde die „Stube“ zum Geheimtipp. Mundpropaganda reichte aus, dass Lesungen mit Stephan Hermlin und Konzerte mit Barbara Thalheim oder Gerhard Schöne mehr als gut besucht waren. Bleibende Erinnerungen hinterließen auch die Gitarrenfeste, damals organisiert von Michael Wegener, der nach der Wende das „Waschhaus“ führte. Fester Bestandteil: Anschließende Diskussionen und Streitgespräche über Kultur, Gesellschaft, aktuelle Probleme.

Alt-„Stubianerin“ Jeanette Niebelschütz kann sich sogar vorstellen, dass die „Stube“, die 1987 urplötzlich geschlossen wurde, eine Wiedereröffnung erfährt. Womöglich auf dem Freiland-Gelände. Achim Trautvetter vom Spartacus e.V., der die Jahrestagsfeier der Stube mitorganisierte, kann sich das vorstellen, erkannte gar Parallelen zwischen der „Stube“ und „Spartacus“. „Als ich Berichte von damals gelesen habe dachte ich nur: Das sind ja wir. Die Selbstorganisation, die Selbstverantwortung – all das ist bei Spartacus auch zu finden.“ So ist es gut möglich, dass die Tradition von Kultur und Diskussion mit Schmalzstullen auf die Hand in Potsdam fortleben wird. KG

Das Video wurde uns freundlicherweise von PotsdamTV zur Verfügung gestellt.

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