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Wolfram Iwer wurde 1928 geboren.

© Foto Manfred Thomas

Ehemaliger Kantor der St. Nikolaikirche: Trauer um Potsdamer Kirchenmusiker Wolfram Iwer

Wolfram Iwer war von 1981 bis 1994 Kantor der St. Nikolaikirche. Am 3. Januar starb er in Potsdam im Alter von 91 Jahren. Ein Nachruf.

Potsdam - Die Arbeit war für ihn nach Erreichen des Ruhestandes nicht abgeschlossen. Der Kirchenmusiker Wolfram Iwer, der von 1981 bis 1994 Kantor an der St. Nikolaikirche war, packte weiterhin seine Orgelnoten in die Aktentasche und begab sich mit ihr zum Musizieren in die Kirchen von Berlin-Schlachtensee, Nikolskoe oder Klein-Glienicke. Die Freude am Orgelspiel war bleibend, in der Literatur sowie in der Begleitung des Gemeindegesangs. Doch die Augen versagten eines Tages ihren Dienst. So musste er die Notenbücher zuschlagen. Er konzentrierte sich von nun an vor allem auf das Hören von Musik in seinen eigenen vier Wänden, am liebsten Werke des großen Bach. In den letzten Jahren lebte er in einer Potsdamer Seniorenresidenz. Am 3. Januar ist Wolfram Iwer in Frieden für immer eingeschlafen. Er wurde 91 Jahre alt.

Wenn man den Kirchenmusiker auf Potsdam, auf ihre Vergangenheit und Musica sacra ansprach, so sprudelte es nur so von Erinnerungen. Wolfram Iwer war Ur-Potsdamer. Geboren wurde er am 29. August 1928. Sein Vater Erwin Iwer war Pfarrer an der Auferstehungsgemeinde. Dort konnte er sich auch im Orgelspiel ausprobieren, nachdem er es sich bei einem Organisten abgeguckt hat. Das reiche kirchenmusikalische Angebot Potsdams vor dem Zweiten Weltkrieg hat den Pfarrerssohn immer wieder in Beschlag genommen. Er sang im damals renommierten Liturgischen Chor von St. Nikolai. Die große Kuppelkirche auf dem Alten Markt sollte ihn in späteren Jahren noch einmal zur musikalischen Wirkungsstätte werden. Aber bis dahin verging viel Zeit.

Lebenswunsch nie aus den Augen verloren

Noch in den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges wurde der 16-Jährige zum Arbeitsdienst gerufen. Als der Krieg endlich sein Ende nahm, schöpfte auch Wolfram Iwer trotz der großen Zerstörung der historischen Potsdamer Mitte und der vielen Toten, die der Bombengriff im April 1945 brachten, Hoffnung. Seinen Lebenswunsch, Kirchenmusiker zu werden, verlor er nie aus den Augen. So studierte er von 1946 bis 1951 Kirchenmusik an der Hochschule für Musik in Berlin-Charlottenburg. Während seines Studiums hatte er bereits die Kantorenstelle der zerstörten Heiligengeistgemeinde in Potsdam inne, die in der Französischen Kirche Asyl fand. 

Doch bald erwarteten Wolfram Iwer neue Aufgaben. Sie erfüllten sein Berufsleben und füllten es aus. 1953 ging er als Musikpädagoge in das drei Jahre zuvor eröffnete Kirchliche Oberseminar auf Hermannswerder, in dem in der DDR bildungspolitisch benachteiligte Jugendliche die Möglichkeit hatten, ein innerkirchliches Abitur abzulegen. Es diente zur Vorbereitung auf den kirchlichen Dienst, insbesondere des Theologiestudiums.

Heirat mit Oratoriensängerin Adele Stolte

In der Inselkirche übte er zugleich das Amt des Kantors aus. In jenem Jahr, 1953, heiratete Wolfram Iwer Adele Stolte, die wohl bekannteste Oratoriensängerin ihrer Generation in der ehemaligen DDR und darüber hinaus. Es war klar, dass sie, wenn die Zeit es zuließ, gemeinsam die Musica sacra pflegten und vielfältige Veranstaltungen auch in Konzertsälen bestritten. Schallplatten- und Rundfunkaufnahmen gehörten ebenfalls zu ihrem musikalischen Schaffen. Bei jedem Konzert oder jeder Vesper spürte man, dass ein musikalischer und theologischer Gleichklang zwischen beiden Künstlern bestand.

Rückkehr an die St. Nikolaikirche

Anfang der achtziger Jahre kehrte er an die St. Nikolaikirche zurück. Das in den letzten Kriegstagen zerstörte Gotteshaus wurde nach 36 Jahren am 2. Mai 1981 wieder eingeweiht. Wolfram Iwer war vom ersten Tag an Kantor der Kirche. Er initiierte hier ein facettenreiches kirchenmusikalisches Leben, trotz einer der Größe des sakralen Raumes fehlenden Orgel. Legendär wurden die Advents- und Weihnachtssingen geworden, bei denen die Kirchenchöre, auch die kleinen, auftraten.

Wolfram Iwer war jahrzehntelang eine Institution in Potsdam in Sachen Kirchenmusik. Das Wort Gottes musikalisch erlebbar zu machen, ist ihm gelungen.

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