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Neben dem Rechenzentrum entsteht derzeit der Garnisonkirchenturm.

© Ottmar Winter

Update

Durchbruch in Potsdamer Dauerstreit: Konflikt um Garnisonkirche gelöst

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) stellt Kompromiss mit Garnisonkirchenstiftung und Rechenzentrum vor: Kreativhaus soll bleiben, ein "Haus der Demokratie" neu entstehen - mit Sitzungssaal für die Stadtverordneten.

Potsdam - Der seit Jahrzehnten in Potsdam ausgetragene Konflikt um die Zukunft des Areals an der ehemaligen Garnisonkirche scheint gelöst: Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hat nach PNN-Recherchen dem Ältestenrat der Stadtverordnetenversammlung am Dienstagabend einen weitreichenden Kompromiss zwischen der Stiftung Garnisonkirche sowie Vertretern des Kulturzentrums Rechenzentrum und der Stadt präsentiert.

"Forum an der Plantage": Rechenzentrum bleibt, Neubau kommt dazu 

Am Standort in der Potsdamer Stadtmitte soll ein „Forum an der Plantage“ entstehen, hieß es aus Kreisen des Ältestenrats. Kernpunkte des Kompromisses, der zwischen den drei Akteuren bereits besiegelt ist: Der DDR-Bau des einstigen Rechenzentrums bleibt als soziokulturelles Kreativhaus bis auf einen kleinen Gebäudeteil bestehen und wird nicht wie geplant abgerissen, sondern saniert. Das Kirchenschiff der einstigen Garnisonkirche, deren Turm sich im Wiederaufbau befindet, wird nicht wiedererrichtet.

An dessen Stelle wird ein „Verbindendes Haus der Demokratie“ neu gebaut, in dem sich auch ein neuer Sitzungssaal der Stadtverordnetenversammlung befinden soll. Der jetzige im Stadthaus ist zu klein und wegen Denkmalschutzes kaum modernisierbar. In dem möglichst ökologisch gestalteten Neubau am Garnisonkirchturm soll auch Platz für das beengte Potsdam Museum entstehen, der eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte ermöglicht. Außerdem sollen Garnisonkirchenstiftung, Rechenzentrum und Stadt dort weitere Räume flexibel nutzen können.

Architekturwettbewerb für das Areal geplant

Wie das Gebäude aussehen könnte, das die Gegensätze Garnisonkirchturm und Rechenzentrum, die dicht an dicht stehen, verbinden kann, soll ein Architekturwettbewerb zeigen. Offen ist, ob sich daran auch Stararchitekt Daniel Libeskind beteiligen würde, den der Oberbürgermeister vor einiger Zeit für einen Bau am Ort ins Spiel gebracht hatte. Wichtig ist den Prozessbeteiligten offenbar, dass das künftige Ensemble den Bruch mit den beiden anderen Bauten – Kirchturm und Rechenzentrum – symbolisiert.

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Dass es Oberbürgermeister Schubert gelingen würde, den die Stadtgesellschaft spaltenden und als nahezu unlösbar geltenden Garnisonkirchen-Konflikt zu beenden, hatten viele bezweifelt. Doch er hatte dies bereits im Oberbürgermeister-Wahlkampf als Ziel ausgegeben und nach seinem Amtsantritt 2019 mit der Kompromisssuche begonnen. Die Konstellation war denkbar schwierig: Zahlreiche Künstler:innen im Rechenzentrum treten vehement für einen Erhalt des Hauses ein, das bislang Ende 2023 abgerissen werden sollte – als Ersatz wird derzeit bereits in der Nähe ein neues Kreativquartier errichtet. Doch gegen die Abrisspläne für das Rechenzentrum war der Widerstand in den vergangenen Jahren immer breiter geworden. Auf der anderen Seite hatten die Stiftung Garnisonkirche und die darin vertretenen Anhänger eines originalgetreuen Wiederaufbaus des Gotteshauses darauf verwiesen, dass ein Teil des Rechenzentrums einem möglichen Kirchenschiff im Wege stünde. Der laufende Wiederaufbau des Turms wird wegen der Geschichte der einstigen Militärkirche zudem seit Jahren kritisiert.

Erhalt des Rechenzentrums wird teuer

2020 hatten die Stadtverordneten die Kompromisssuche des Oberbürgermeisters mit großer Mehrheit gebilligt und ein mehrstufiges Verfahren für die Erarbeitung eines „Inhaltlichen und gestalterischen Konzepts“ für den „Bereich Garnisonkirche/Rechenzentrum“ genehmigt. Bereits darin war ein „weitestgehender oder vollständiger Erhalt“ des Rechenzentrums als Ziel beschlossen worden – auch wenn dies teuer wird: Eine Untersuchung des kommunalen Sanierungsträgers für die Mitte von 2019 hatte für Teilerhalt und Sanierung Kosten zwischen 7,3 und 8,7 Millionen Euro kalkuliert.

Zur Finanzierung des Neubaus setzt der Rathauschef den Informationen nach auch auf Fördertöpfe des Landes oder des Bundes, beispielsweise zur Demokratiebildung. Die Garnisonkirche war in der Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Projekt nationaler Bedeutung aus dem CDU-geführten Kulturstaatsministerium mit Millionenbeiträgen gefördert worden. Das Amt besetzt in der neuen Ampel-Regierung Claudia Roth (Grüne).

Mehr als ein Jahr lang hatte Schubert zuletzt mit den Akteuren verhandelt, auch Studierende der School of Design Thinking des Hasso-Plattner-Instituts waren involviert. Diese hatten nach PNN-Informationen unter anderem festgestellt, dass der historische Ort in der Potsdamer Mitte keinen solitären Gewinner haben solle. Vor der Garnisonkirche hatten sich am 21. März 1933 der damalige Reichskanzler Adolf Hitler und Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Hand gegeben, das Bild wurde Symbol für das Bündnis zwischen den rechtskonservativen Eliten und den Nationalsozialisten. Bei der Bombardierung Potsdams 1945 wurde die Garnisonkirche zerstört, 1968 ließ DDR-Staatschef Walter Ulbricht die Ruine des barocken Kirchturms, einst ein Wahrzeichen Potsdams, sprengen.

Grundsatzbeschluss könnte im Januar 2022 fallen

Das jetzt geplante „Forum an der Plantage“ mit dem Dreiklang von Garnisonkirchturm, Rechenzentrum und dem Verbindenden Haus der Demokratie muss von den Stadtverordneten beschlossen werden. Bereits Ende Januar 2022 könnte der Grundsatzbeschluss fallen, der die Vorbereitung des Architektenwettbewerbs ermöglichen würde. Nicht ausgeschlossen ist aber auch eine Bürgerbefragung zu der Idee. Am Mittwoch (8. Dezember) will Schubert jedenfalls die Presse im Detail über den Kompromiss informieren, die Einladung zur Pressekonferenz wurde erst am Dienstagabend verschickt.

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