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Zentrale der Pro Potsdam an der Behlertstraße. Ob Aufsichtsrat und Gesellschafter des städtischen Unternehmens alle Details des damaligen Verkaufsverfahrens kannten, lässt die Pro Potsdam weiter offen. Es herrschte Einvernehmen, heißt es.

© A. Klaer

Dubiose Privatisierung: Gewoba-Deals im „Einvernehmen“

Unternehmen ignorierte bei Verkauf städtischer Immobilien im Wert von 30 Millionen Euro die EU-Regeln, weil für kommunale Unternehmen angeblich keine gesetzlich geregelte Ausschreibungspflicht gelte.

Im Fall der dubiosen Gewoba-Privatisierungen im Jahr 2000 ist weiterhin unklar, wer über die Ausschreibungs- und Verkaufskonditionen entschieden hat. Damals hatte das städtische Wohnungsunternehmen in zwei Paketen 1050 Wohnungen veräußert. Für beide Pakete bekam der Investor Theodor Semmelhaack den Zuschlag und stieg damit zu einem der wichtigsten privaten Immobilienanbieter und -vermieter in der Landeshauptstadt auf. Zuvor hatte Semmelhaack bereits die Neubausiedlung „Altes Rad“ in Eiche mit rund 1000 Wohnungen errichtet.

Um die 1050 Wohnungen zu privatisieren, wählte die Gewoba damals Verfahren, die zwar zulässig sind, aber deutlich von dem abweichen, was Land und EU bereits 1996 und 1997 als Empfehlungen vorgaben. Beide rieten zu Ausschreibungen, damit Begünstigungen ausgeschlossen sind. Die EU-Kommission sieht dafür als erforderlich an, dass das zum Verkauf stehende öffentliche Eigentum „hinreichend publiziert“ wurde: Das heißt, das Angebot soll über einen „längeren Zeitraum (zwei Monate und mehr)“ mehrfach in einschlägigen Medien veröffentlicht werden.

Die Gewoba veräußerte das städtische „Tafelsilber“ auf anderen Wegen: Das erste Grundstückspaket bot sie sechs selbst ausgewählten Unternehmen an, das zweite schrieb sie mit einer einzigen Anzeige in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ aus. Das sei „ganz offenkundig im Einvernehmen zwischen allen dazu befugten Entscheidungsträgern des Unternehmens und seiner Organe“ erfolgt, erklärte die Gewoba-Mutter, der kommunale Konzern Pro Potsdam, auf Anfrage. Wer dies genau war, ob der Aufsichtsrat das Vorgehen in allen Details gebilligt hat oder die Geschäftsführung unter Horst Müller-Zinsius selbst entschied, teilt die städtische Pro Potsdam nicht mit. Damit bleibt unklar, ob Oberbürgermeister Jakobs als Aufsichtsratschef und der heutige Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD), der als damaliger Oberbürgermeister Gesellschafter der Gewoba war, genaue Kenntnis der Verfahren hatten. Beide hatten vom Magazin „Stern“ erhobene Vorwürfe, es habe bei den Grundstücksgeschäften Unregelmäßigkeiten gegeben, zurückgewiesen.

Warum die Gewoba nicht nach EU-Regeln ausgeschrieben hat, erklärt Pro Potsdam damit, dass für kommunale Unternehmen keine gesetzlich geregelte Ausschreibungspflicht gelte. Die EU-Regeln seien zudem „kein verbindlicher Rechtsakt“ – sie können nicht eingeklagt werden. Dennoch machen sie auch zu Preisabschlägen auf öffentliches Eigentum Vorgaben. Erst wenn eine Ausschreibung erfolglos bleibt, sieht die EU einen Preisabschlag vor: fünf Prozent des Marktwertes.

Die Gewoba verkaufte das erste Immobilienpaket mit zehn Prozent „Paketabschlag“ an Semmelhaack – zum Kaufpreis von 14,3 Millionen Euro. Beim zweiten Paket, für das Semmelhaack zwölf Millionen Euro zahlte, gab es sogar 20 Prozent Abschlag. Die Wirtschaftsprüfer der Domus Revision zogen bereits beim Bodenrichtwert zehn Prozent ab, dann folgte der ebenso hohe „Paketabschlag“. Diesen rechtfertigen die Gewoba und ihr Aufsichtsratschef, Oberbürgermeister Jakobs, heute damit, dass die Grundstückspakete attraktive Grundstück und „Schrott“ enthalten hätten. Außerdem habe die Gewoba durch den Paketverkauf Kosten gespart.

Fest steht allerdings, dass der Millionen-Deal umstritten war. Neben den städtischen Rechnungsprüfern protestierte auch ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung gegen das Verfahren. Der Mann, der im Gewoba-Aufsichtsrat saß, legte sein Mandat am 2. September 2001 nieder. Das bestätigte die Verwaltung. Außerdem drohte Gewoba-Aufsichtsratschef Jakobs damit, die Rechnungsprüfer zu verklagen. Dazu sei es aber nicht gekommen, hieß es jetzt aus dem Rathaus, nachdem Jakobs sich am Mittwoch in der Frage, ob er einen Anwalt einschaltete, noch nicht festgelegt hatte.

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