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Ines R. wurde im Dezember verurteilt.

© AFP

Update

Dritter Prozesstag im Fall Oberlin: Zeugin belastet Hausleitung

Laut der ehemaligen Pflegedienstleiterin wusste die Hausleitung der diakonischen Einrichtung von psychischen Problemen der Angeklagten. Ines R. werden vierfacher Mord und weitere Straftaten zur Last gelegt.

Potsdam - Im Prozess wegen der Tötung von vier Schwerstbehinderten im Potsdamer Oberlinhaus hat am Dienstag eine Zeugin die Hausleitung der diakonischen Einrichtung belastet. Diese habe von psychischen Problemen der Angeklagten gewusst, sagte die ehemalige Pflegedienstleiterin Kerstin G. vor dem Potsdamer Landgericht aus.

Sie widersprach damit der Aussage der Hausleitung. Diese hatte am ersten Prozesstag angegeben, keine Kenntnis davon gehabt zu haben, dass die angeklagte ehemalige Oberlin-Pflegerin Ines R. sich 2018 mehrere Wochen in einer Klinik für psychosomatische Erkrankungen behandeln ließ.

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Am dritten Verhandlungstag haben Pflegekräfte auch von Überlastungen im Arbeitsalltag berichtet. „Man springt von Zimmer zu Zimmer, macht nur das Nötigste“, schilderte ein 24-jähriger ehemaliger Mitarbeiter vor dem Landgericht Potsdam den Arbeitsalltag bei personeller Unterbesetzung. Schichten mit nur zwei Pflegekräften, die sich um die 20 Bewohnerinnen und Bewohner kümmern mussten, habe es häufiger gegeben. Der Zeuge hatte als Altenpflegehelfer in dem Heim gearbeitet.

Zeugen beschreiben Angeklagte als liebevoll

Nach den Worten des 24-Jährigen war die Angeklagte eine der nettesten Pflegerinnen, mit der er je gearbeitet hat. Auch andere Zeugen, ehemalige oder noch Beschäftigte des Heims, beschrieben die Angeklagte als „liebevoll“ und „fürsorglich“. 

„Es war eine Katastrophe“, sagte eine Arbeitskollegin der Angeklagten über die Lage in der Einrichtung. Von November 2020 an seien vielfach an mehreren Tagen hintereinander nur zwei Mitarbeiter in der betroffenen Abteilung im Einsatz gewesen, so Elisabeth H. Das sei zu wenig gewesen. Der Dienstleitung sei das „mehrfach“ mitgeteilt worden.

Überdies sei es normal gewesen, bis zu sieben Tage ohne Unterbrechung zu arbeiten. Trotz Überlastungsanzeigen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei mit der Begründung, es seien nicht ausreichend finanzielle Mittel dafür da, keine Leasing-Kräfte hinzugezogen worden. Die Angeklagte habe mehrfach darauf hingewiesen, dass sie nicht mehr könne, zuletzt zwei Wochen vor der Tat.

Angeklagte freute sich auf ihren Geburtstag

Am Tattag sei die Angeklagte sehr blass gewesen, sagte der 24 Jahre alte Zeuge. Er habe sie angesprochen. Sie habe geantwortet, dass alles in Ordnung sei. Sie freue sich auf ihren Geburtstag. Der Geburtstag der Angeklagten war zwei Tage nach der Tat. Auch die Kollegen hatten bereits geplant, den Geburtstag der 52-Jährigen zu feiern.

In dem Prozess vor der 1. Strafkammer des Landgerichts ist Ines R. wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Sie soll am Abend des 28. April in dem Wohnheim vier wehrlose Bewohner im Alter zwischen 31 und 56 Jahren mit einem Messer in ihren Zimmern angegriffen und tödlich verletzt haben. Eine 43 Jahre alte Bewohnerin überlebte schwer verletzt nach einer Notoperation. Drei der Todesopfer sollen vollständig und eines halbseitig gelähmt gewesen sein.

Bislang hat sich die Angeklagte nicht zu den Vorwürfen geäußert. Sie soll nach einem psychiatrischen Gutachten die Taten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen haben. (epd/dpa)

Bettina Gabbe, Anna Kristina Bückmann

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