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Geldfrage. Dozentin Gudrun Spaan hat die Bezahlung thematisiert.

© M. Thomas

Landeshauptstadt: Dozenten in prekärer Lage

Honorarlehrkräfte der Potsdamer Volkshochschule protestieren erstmals gegen ihre schlechte Bezahlung

Innenstadt - Für Gudrun Spaan war es wie ein Tabubruch. Die Englisch-Dozentin hat, wie andere ihrer Kollegen, ihren Kursteilnehmern von ihrer Lohnsituation erzählt. „Eigentlich spricht man darüber nicht, auch nicht mit den Nachbarn. Für viele von uns ist das geringe Honorar beschämend. Es entsteht der Eindruck, man hat studiert, ist aber nicht erfolgreich.“ Manche der gestandenen Lehrenden an der Volkshochschule Potsdam (VHS) sind trotz ihrer Tätigkeit auf Hartz IV angewiesen oder haben Schulden angehäuft. Zum ersten Mal treten die Dozenten damit jetzt an die Öffentlichkeit – und können zumindest kleine Erfolge verbuchen.

Seit Jahren sind die Beschäftigungsbedingungen an der Volkshochschule prekär. Von den rund 170 Dozenten in Potsdam sind mehr als die Hälfte selbstständig und hauptberuflich an der VHS tätig. Sie erhalten ein Honorar von 22,50 Euro pro Unterrichtsstunde. Das klingt nicht wenig, doch bleibt davon kaum die Hälfte übrig. Denn Honorarlehrkräfte müssen als Selbstständige die Sozialversicherungsbeiträge selbst tragen. Außerdem sind sie verpflichtet, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Demnach, so haben es Spaan und ihre Kollegin Katrin Wartenberg ausgerechnet, bleiben nur 11,92 Euro pro Unterrichtseinheit übrig. Weder Vorbereitung noch Urlaub oder Krankheit werden entlohnt. Bei einem vollen Lehrdeputat von 25 Wochenstunden bleiben 1190 Euro Nettolohn übrig. „Manche von uns haben wegen Nachforderungen Schulden bei der Rentenversicherung zwischen 20 000 und 40 000 Euro“, sagte Spaan.

Nun haben sich die freiberuflichen Mitarbeiter der VHS Potsdam Gehör verschafft. Mit der Forderung, ihr Honorar bis 2017 auf 30 Euro pro Stunde anzupassen, sind sie auf dem elften Platz im Bürgerhaushalt gelandet. Fast 1500 Stimmen konnten sie zu ihren Gunsten verbuchen. Spaan und Wartenberg haben parallel zu der Abstimmung mit Fraktionspolitikern im Rathaus und im Landtag gesprochen. „Die Resonanz ging von überrascht bis geschockt“, so Wartenberg. Vielen Politikern sei nicht bewusst gewesen, dass das Problem so massiv sei. Die Fraktion Die Andere und Die Linke forderten jeweils in Anträgen, die Honorare der Lehrkräfte anzuheben.

„Es gibt immer mehr prekär Beschäftigte in der Weiterbildung“, sagte auch Joachim Ludwig, Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Potsdam. Systematisch unterfinanziert seien die Volkshochschulen schon lange. In den vergangenen zehn Jahren habe allerdings die Zahl der Selbstständigen, die hauptberuflich unterrichten, stark zugenommen. Die Bezahlung trägt dem aber nicht Rechnung. „Von Gehalt kann man gar nicht sprechen“, so Ludwig. „Schmerzensgeld – mehr ist es ja nicht.“ Durch die finanziell prekäre Lage der Beschäftigten sieht er noch ein anderes Problem auf die Volkshochschulen zukommen – das der Qualität. „Die Dozenten haben generell eine geringe Weiterbildungsbereitschaft. Das ist nachzuvollziehen. Bei der schlechten Bezahlung können sie nicht noch zusätzlich in Weiterbildung investieren.“ In ihrem Antrag zum Bürgerhaushalt forderten die VHS-Dozenten auch, in Potsdam das sogenannte Berliner Modell einzuführen. Die Hauptstadt zahlt den freiberuflichen Dozenten Zuschüsse zu den Sozialbeiträgen und Urlaubsentgelt, schließlich ist ein Großteil der Kursleitenden arbeitnehmerähnlich angestellt.

Doch von solch einem Zugeständnis ist Potsdam weit entfernt. Immerhin werden die Stadtverordneten aller Voraussicht nach am Mittwoch für eine Honoraranhebung von 2,50 Euro auf 25 Euro stimmen. Der Hauptausschuss hat dies vergangenen Mittwoch im Zuge der aktuellen Haushaltsverhandlungen beschlossen. Auf eine weitere Erhöhung bis 2017 wollten sich die Politiker nicht festlegen. Auch wird das neue Honorar wahrscheinlich erst ab Sommer gezahlt, wenn der Haushalt abgesegnet ist. Und nicht, zugunsten der Mitarbeiter, rückwirkend zum 1. Januar 2015.

Die Kosten für die VHS-Kurse teilen sich zu je einem Drittel Bundesland, Kommune und die Teilnehmer durch ihre Beiträge. Die Stadt Potsdam will in ihrem Zukunftsprogramm 2019 rund 100 000 Euro bei der Volkshochschule einsparen. Dafür sollen die Kurse besser belegt werden: Im Bundesdurchschnitt waren es 2013 elf Teilnehmer pro Kurs, in Potsdam nur 9,2. Seit die VHS ihren Sitz am zentralen Standort des Bildungsforums hat, sei die Attraktivität gestiegen und die Teilnehmerzahl liege bereits im Schnitt bei zehn, heißt es von der VHS.

Ein Honorar von 30 Euro im Jahr 2017 wäre ein Traum, sagte Dozentin Wartenberg. Dabei ist sie noch bescheiden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft rechnete 2012 vor, dass das Stundenhonorar für einen Berufsanfänger bei rund 42 Euro liegen müsste, für Lehrkräfte mit zehn Jahren Berufserfahrung bei knapp 61 Euro. Soviel bekommt denn auch ein Kursleiter, wenn er direkt bei der Stadt unterrichtet – im Fortbildungsprogramm für die kommunal Beschäftigten.

Grit Weirauch

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