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Überraschungseffekt. Im Innern offenbart die von außen eher schlichte Groß Glienicker Dorfkirche die Pracht der Spätrenaissance. Rund 700.000 Euro sind in den vergangenen beiden Jahrzehnten nach Angaben des Gemeindekirchenrats in die Restaurierung des Sakralbaus geflossen.

© Andreas Klaer

Dorfkirche Groß Glienicke: Das älteste Bauwerk Potsdams wird saniert

Das älteste Bauwerk der Stadt ist nicht die Alte Kirche in Golm, sondern die Dorfkirche in Groß Glienicke, wie der ehemalige Stadtkonservator Andreas Kalesse herausgefunden hat.

Von Peer Straube

Gross Glienicke - Die Wände errichtet aus mächtigen Feldsteinen, darüber gelblich verputztes Ziegelmauerwerk, gekrönt von einem Steildach nebst einem holzverkleideten Türmchen – auf den ersten Blick sieht die Dorfkirche in Groß Glienicke aus wie Hunderte anderer Gotteshäuser im ländlichen Brandenburg.

Doch im Innern offenbart der Sakralbau die Pracht der Spätrenaissance, die dem Laien so gar nicht zur schlichten Hülle passen will. Und das ist nicht die einzige Besonderheit dieses kleinen Kirchleins, dessen Sanierung vor 20 Jahren begann und die sich nun auf der Zielgeraden befindet.

Denn nicht die Alte Kirche in Golm ist, wie vielfach angenommen, Potsdams ältestes erhaltenes Bauwerk, sondern eben jene Dorfkirche im Potsdamer Norden. Als Erstere 1458 errichtet wurde, hatte Letztere bereits rund 200 Jahre auf dem Buckel.

Datierung anhand eines Schachbrettsteins möglich

Dass sich die Groß Glienicker Dorfkirche auf die Zeit um 1250 datieren lässt, hat Potsdams früherer Stadtkonservator Andreas Kalesse herausgefunden, und zwar – und das ist die nächste Besonderheit des Bauwerks – anhand eines sogenannten Schachbrettsteins. Steine mit einem solchen Muster, das an dieses „Spiel der Könige“ erinnert, finden sich an Feldsteinkirchen in Skandinavien, hauptsächlich in Dänemark, sowie beiderseits der Oder, also in Polen, Mecklenburg-Vorpommern und nicht zuletzt Brandenburg. Sie stammen alle aus spätromanischer oder frühgotischer Zeit, jedenfalls aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Daher lasse sich die Erbauungszeit der Groß Glienicker Dorfkirche gut eingrenzen, erzählt Kalesse. Zudem ist sie die bislang einzig bekannte Feldsteinkirche westlich von Berlin, in deren Fassade Schachbrettsteine eingelassen sind, drei sind es sogar. Wozu sie dienten ist unklar. Fest steht lediglich, wie das Muster entstand: Für die helleren Quadrate schabten die Handwerker die dunkle, weil verwitterte Oberfläche des Steins einfach ab.

Jahrzehntelang waren die Schachbrettsteine unter einem grauen Betonputz verborgen, der zu DDR-Zeiten auf die Fassade aufgebracht und erst im vergangenen Jahr entfernt wurde. „Die Kirche war im buchstäblichen Sinne eine graue Maus“, sagt Kalesse. Dass nun die Feldsteinwände und das ursprüngliche Aussehen des Gotteshauses wieder erkennbar sind, „ist ein Knüller“.

Genau Ausrichtung überrascht

Potsdams langjährigen Denkmalamtschef ist die Euphorie deutlich anzumerken. Dass Potsdams Baugeschichte in ihren ältesten Teilen mit der Datierung der Kirche neu geschrieben werden muss, erfüllt ihn sichtlich mit Stolz. Erst in einer Denkmalpflegezeitschrift hat der 66-Jährige das Thema kurz angerissen, im nächsten Jahr will er aber ausführlich über die Entstehungsgeschichte des ältesten Bauwerks der Stadt publizieren.

Eine weitere Besonderheit der Dorfkirche ist ihre absolut exakte Ausrichtung der Altarseite nach Osten. Nur 0,0315 Grad betrage die Abweichung, wie eine aktuelle Messung ergeben habe, erzählt Kalesse. Andere Dorfkirchen seien zwar ebenfalls – wegen der christlichen Vorstellung, dass das Heil aus dieser Himmelsrichtung kommt – nach Osten ausgerichtet, jedoch variiere das jeweils um ein paar Grad, sagt der Denkmalpfleger. Über die Gründe für die Genauigkeit, mit der in Groß Glienicke gearbeitet wurde, könne man nur spekulieren.

Zustand wie im 17. Jahrhundert

Rund 700.000 Euro seien in den vergangenen beiden Jahrzehnten in die Restaurierung der Kirche geflossen, sagt Burkhardt Radtke, der Gemeindekirchenratsvorsitzende von Groß Glienicke. Der 79-Jährige kennt die Kirche zeit seines Lebens, er wurde sogar in ihr getauft. In den letzten Jahren hat er miterlebt, wie sich das äußere, aber auch das innere Erscheinungsbild veränderte. Waren die Wände und auch das reich verzierte Interieur, etwa der Altar, das Taufbecken und die Kanzel, früher in tristem Grau gestrichen, erstrahlt nun alles wieder in der ursprünglichen, bunten Farbigkeit.

So, wie sie heute zu sehen ist, gibt die Dorfkirche in etwa den Zustand wieder, in den sie im 17. Jahrhundert versetzt wurde. Verantwortlich dafür war vor allem Hans Georg III. von Ribbeck. Der Patronatsherr von Groß Glienicke und Dechant des Brandenburger Domstifts entstammte dem osthavelländischen Zweig der Familie – dem westhavelländischen hatte bekanntlich Theodor Fontane mit seinem berühmten Gedicht ein Denkmal gesetzt. Hans Georg III. ließ die Dorfkirche ab 1679 umbauen. Der Kirchenraum wurde verkleinert und ein Vorraum geschaffen, zudem bekam die Kirche ihr heutiges Dach nebst Türmchen.

Prächtige Ausstattung

Vor allem aber ist es die prächtige Ausstattung, die den Betrachter in ihren Bann zieht. Das Taufbecken imponiert mit frühbarocker Vielfarbigkeit, fein zieselierten Schnitzereien, die Blumen und Früchte darstellen. Gekrönt wird es von einer Haube, auf der mit Blattgold überzogene Tulpen zu sehen sind. Wie die ebenso aufwendige Kanzel und der Altar wurde das Taufbecken in den vergangenen Jahren behutsam restauriert.

Auf den ersten Blick erscheint die Kirche fertig, erst der zweite offenbart, dass noch etwas zu tun ist. Die Unterseite der Empore muss noch restauriert werden, ebenso die frühere Loge eines späteren Patronatsherrn von 1851. 30.000 Euro fehlen dafür noch, Radtke hofft auf Spenden, um die Arbeiten 2020 ganz abschließen zu können. „Wir sind dankbar, dass wir unsere Kirche restaurieren konnten“, sagt Radtke. „Denn anderswo in Brandenburg verfallen ja die Dorfkirchen.“

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