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Doppelhaushalt 2018/2019: Mit dem Boom mithalten: Potsdam investiert auf Rekord-Niveau

Effektiv 338 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren für Kitas, Schulen und Verkehr – doch der städtische Haushalt birgt auch Risiken

Potsdam - Die rasant wachsende Stadt Potsdam investiert in den nächsten vier Jahren so viel Geld in Kitas, Schulen und Verkehrsinfrastruktur wie noch nie zuvor. Die Stadtspitze und der kommunale Immobilienservice (Kis) wollen von 2018 bis 2021 ein Investitionsvolumen von effektiv 338 Millionen Euro stemmen. Allein für Schulen und Sportstätten sollen 220 Millionen Euro ausgegeben werden. Für neue Kitas und Horte sind in den nächsten vier Jahren 58 Millionen Euro eingeplant (siehe Grafiken). Die Investitionen sind im Doppelhaushalt für die Jahre 2018 und 2019 festgeschrieben, den Finanzdezernent Burkhard Exner (SPD) am Montag vor Journalisten präsentierte. Er soll im März von den Potsdamer Stadtverordneten beschlossen werden.

Die Investitionen würden die dynamisch wachsende Landeshauptstadt auf einen „guten Weg“ bringen, sagte Exner. Ein Indiz: Das Haushaltsvolumen der Stadt wachse schneller als die Bevölkerungszahl. Zugleich könne Potsdam – auch wegen des von Exner forcierten Konsolidierungskurses der vergangenen Jahre – zunehmend aus eigener Kraft investieren. Für 2017 hatte die Stadt durch ungeplante Mehreinnahmen bereits 13 Millionen Euro ausgeben können, ohne dafür Kredite aufzunehmen. Für die nächsten beiden Jahre sind vor allem wegen der sprudelnden Steuereinnahmen und des Bevölkerungswachstums nun jeweils 15 Millionen Euro für Investitionen ohne Kredite möglich.

Doppelhaushalt in Potsdam sieht Neubau und Sanierungen von Schulen und Sportstätten vor

Vor allem der Sportbereich soll profitieren. Das wohl ambitionierteste Vorhaben ist dabei laut Exner das Sportforum Schlaatz. Für mehr als 6,5 Millionen Euro soll dort nicht nur die Schulturnhalle der Schilfhof-Gesamtschule saniert und erweitert werden, sondern es sollen auch neue Trainingsmöglichkeiten für gleich drei Potsdamer Vereine geschaffen werden. So sollen sich dort die Ringer und Judoka von Motor Babelsberg ansiedeln können. Zusammen mit der geplanten Erneuerung der benachbarten Kleinspielfelder und der schon erfolgten Neuanlage eines Rollsportfeldes erhalte der Schlaatz damit eine „einzigartige sportliche Aufwertung, die auch über den Stadtteil hinaus Wirkung entfalten kann“, heißt es in der Vorlage Exners für die Stadtverordneten.

Der Kämmerer, der sich innerhalb der SPD um die Kandidatur für die Oberbürgermeisterwahl im Herbst 2018 bewirbt, hatte bereits gegenüber seinen Genossen besondere Anstrengungen für den Schlaatz angekündigt. Mit dem Sportforum Schlaatz und dem bereits geplanten Neubau und der Sanierung von rund zehn Turnhallen in den nächsten Jahren werde sich der Kampf um Trainingszeiten in den Sportstätten entspannen, sagte Kis-Chef Bernd Richter: „Das wird man merken.“

Kehrseite des großen Investitionsprogramms: Die Pro-Kopf-Verschuldung in Potsdam steigt

Ob tatsächlich alle Projekte umgesetzt werden oder sogar weitere dazukommen, müssen die Stadtverordneten entscheiden. Am heutigen Dienstag sollen sie ab 16.30 Uhr erstmals bei einer Sondersitzung über den Haushaltsentwurf des Kämmerers debattieren. Bei Extrawünschen müsse die Politik sagen, wo das Geld an anderer Stelle gespart werden könne.

Denn trotz der steigenden Einnahmen müssten Stadt und Kis für ihre vielfältigen Verpflichtungen weitere Kredite aufnehmen. So liegt der Schuldenstand von Stadt und Kis schon Ende diesen Jahres bei 263 Millionen Euro. Ende 2021 – nach den besagten 338 Millionen Euro Investitionen – soll das Gesamtschuldenniveau bei 432 Millionen Euro liegen. „Da können wir von Glück reden, dass wir eine zinsgünstige Zeit für Kredite haben“, sagte Exner. Dennoch werde der jährliche Schuldendienst der Stadt – also Tilgung und Zinsen – von aktuell 16 Millionen Euro auf 22 Millionen Euro im Jahr 2021 steigen. Und damit wachse auch die Pro-Kopf-Verschuldung der Potsdamer, trotz steigender Einwohnerzahl: von jetzt 1533 Euro auf den dann laut Exner durchaus kritischen Wert von 2404 Euro. Auch im Ergebnishaushalt liege Potsdam im nächsten Jahr nicht im Plus. Ein Minus von 3,78 Millionen Euro wird erwartet.

Polster für unbekannte Variable in der Haushaltsrechnung: Muss die Stadt Kita-Gebühren an Eltern zurückzahlen?

Allerdings: Ob es wirklich so kommt, ist ungewiss. Auch in den vergangenen Jahren hatte Exner vor einer schnell steigenden Verschuldung gewarnt, die dann dank unerwarteter Mehreinnahmen zumindest teilweise kompensiert wurde. So hatte der Kämmerer noch im April 2016 für Ende 2017 einen Gesamtschuldenstand von Stadt und Kis von 337 Millionen Euro vorausgesagt – deutlich mehr als die jetzt genannten 263 Millionen. Wegen solcher Unschärfen hatten Kritiker schon mehrfach moniert, dass die finanziellen Spielräume der Stadt deutlich größer seien als von Exner dargestellt.

Gleichwohl gibt es in der aktuellen Haushaltsplanung auch mehrere Risikofaktoren. So hatte die Stadt bereits eingeräumt, dass über die Kita-Elternbeitragssatzung seit 2016 zu hohe Gebühren von Eltern verlangt wurden. Derzeit wird geprüft, ob und wie Rückzahlungen nötig sind. Doch ein Polster für diesen Fall hat Exner nicht angelegt, wie er bestätigte. Ohnehin gehe es zunächst um Ansprüche der Eltern gegenüber den freien Kita-Trägern, an die die Beiträge gezahlt worden seien, sagte er.

„Ein Nachsteuern lässt sich nicht ausschließen“

In der Vorlage für die Stadtverordneten heißt es, die Risiken oder Auswirkungen bei den Kita-Beiträgen könnten erst im Verlauf von 2018 „untersetzt werden“. Und auch für das geplante neue Kreativhaus in der Innenstadt, den Ersatz für das Rechenzentrum, ist im Haushalt noch kein Etat enthalten – hier sollen die Grundzüge bei einem Workshop im Frühjahr 2018 geklärt werden.

Zudem ist unklar, ob Potsdam mit dem geplanten Rekord-Investitionsvolumen auskommt – vor allem bei Schulen und Kitas. So steht derzeit eine aktualisierte Bevölkerungsprognose aus, an der im Rathaus noch gearbeitet wird. Derzeit geht die Stadt von knapp 200 000 Einwohnern im Jahr 2035 aus – aus SPD-Kreisen hieß es zuletzt aber auch, dass diese Zahl voraussichtlich um rund 20 000 steigen dürfte. Exner sagte, er gehe zunächst für die nächsten beiden Jahre von „seriösen Vorausplanungen“ im Kita- und Schulbereich aus. Dann werde man anhand der Prognose weitersehen. „Ein Nachsteuern lässt sich nicht ausschließen.“

* Zunächst war von einem Investitionsniveau von 418 Millionen Euro die Rede. Das ergab sich aus der Darstellung aus dem Rathaus, wonach das Investvolumen der Stadt bei 178 Millionen Euro und das des Kis bei 240 Millionen Euro liege - was zusammen 418 Millionen ergibt. Allerdings liegt das tatsächlich erreichte Investvolumen durch Doppelbuchungen bei 338 Millionen Euro - immer noch ein Rekordniveau für Potsdam. Gleichwohl bitten wir die missverständliche Darstellung zu entschuldigen.

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Zusammenfassung: Mehr Geld für fast alle: Etliche Neubau- und Sanierungsprojekte sind für Potsdam geplant. Bloß: Der Straßenbau bleibt unterfinanziert.

Kommentar: Potsdam wächst immer schneller, deshalb ist es richtig, dass die Stadt in Daseinsvorsorge, Kinderbetreuung, Bildung und Infrastruktur zu investiert, meint PNN-Chefredakteurin Sabine Schicketanz in ihrem Kommentar. 

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