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Will in die „Königsklasse“: Beyo-Geschäftsführer Cüneyt Göktekin.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Dolmetscher im Handy

Die Potsdamer Softwareschmiede Beyo entwickelte eine Übersetzungsanwendung für Mobiltelefone

Von Matthias Matern

Sich im Urlaub fremdländische Genüsse zu erobern ist eine feine Sache. Doch selbst in klassischen Reiseländern wie Griechenland, der Türkei oder in Ungarn sind Speisekarten häufig Bücher mit sieben Siegeln. Bietet das gewählte Restaurant kein Menü in deutscher oder wenigstens englischer Sprache, lässt sich etwa der beliebte griechische Hackfleisch-Auberginen-Auflauf Moussakas kaum vom Tintenfisch in Tomatensoße unterscheiden. Dank einer Potsdamer Software-Firma hat der Blindflug mit knurrendem Magen nun ein Ende: Statt hilflos im Wörterbuch zu blättern reicht ein Blick durchs Mobiltelefon. „Einfach das Handy mit der Kamera auf den Text halten und im Display wird die Originalsprache durch die gewünschte Übersetzung überblendet“, erläutert Cüneyt Göktekin, Geschäftsführer der Beyo GmbH.

Wozu die innovative Handy-Anwendung der Potsdamer Entwickler noch taugt, zeigt derzeit ein Werbespot der Telekom. Dabei entpuppt sich ein verheißungsvoller Aufdruck auf einem Bikinihöschen als eine entlarvende Botschaft. Seit vergangenem Mai wird das sogenannte „App“ von dem deutschen Kommunikationsriesen vermarktet. Die Zusammenarbeit mit der Telekom war für Göktekin und sein Team der Durchbruch. Bereits mehr als 400 000-Mal sei die Applikation heruntergeladen worden, berichtet der 36-jährige Geschäftsführer. „Im Vergleich zu dem, was wir davor gemacht haben, ist das gigantisch“, versichert der Informatiker.

Dabei hat sich die Beyo GmbH auch früher einen Namen gemacht. Bereits zweimal wurde das Unternehmen für seine herausragenden Ideen im Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“ ausgezeichnet. Unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten prämiert die Standortinitiative „Deutschland – Land der Ideen“ in Kooperation mit der Deutschen Bank seit 2006 Ideen und Projekte, die einen nachhaltigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit Deutschlands leisten. Das erste Mal erhielt Beyo die Auszeichnung 2009 für ein kamerabasiertes Vorlesegerät, das blinden und sehbehinderten Menschen die Lektüre von Büchern und Schriftstücken ermöglicht, ohne die Texte vorher aufwändig scannen zu müssen. Im vergangenen Jahr honorierte die Wettbewerbsjury eine entsprechende Software-Lösung für Mobiltelefone. „Ein Handy hat heute fast jeder immer dabei“, meint Beyo-Chef Göktekin.

Gegründet wurde die Firma vor vier Jahren. Das zentrale Unternehmensziel haben die beiden Gründer Göktekin und sein damaliger Studienkollege Oliver Tenchio bereits erreicht. Die Beweise hängen als Urkunden im Flur der Firmenzentrale an der Hegelallee: „Wir wollten ein Vorlesesystem für Blinde und Sehbehinderte entwickeln“, erinnert sich Göktekin. Kurzerhand schrieben die beiden Absolventen der Freien Universität Berlin 2006 einen Businessplan und überzeugten die Beteiligungsgesellschaft der brandenburgischen Investitionsbank (ILB), BC Brandenburg Capital, von ihrer Idee. Innerhalb nur eines Jahres war der Prototyp des Lesegerätes fertig. „Wir haben alles selbst gebaut, vom Gehäuse bis zum Innenleben“, sagt Göktekin nicht ohne Stolz.

Angefangen haben Göktekin und Tenchio zu dritt, heute beschäftigt die Beyo GmbH acht feste und zu Projekten bis zu vier weitere freie Mitarbeiter. Bis 2012 soll das Team auf 15 bis 20 feste Mitarbeiter anwachsen. Genaue Zahlen zur Umsatzentwicklung will Göktekin nicht nennen. „Bislang haben wir vor allem in die Technologie investiert.“ Allerdings rechnet der Geschäftsführer mit demnächst deutlich steigenden Erlösen. Das Übersetzungs-App werde ständig erweitert. „Derzeit erkennt die Anwendung bereits 200 000 deutsche Wörter mit den entsprechenden Übersetzungen unter anderem in Russisch, Italienisch, Türkisch oder Französisch“, meint Cüneyt Göktekin.

Der große Vorteil der Beyo-Applikation gegenüber anderen Übersetzungsanwendungen ist, dass eine Internetverbindung nicht benötigt wird. „Alles ist auf dem Handy. Das spart vor allem im Ausland Geld“, meint der Firmengründer. Die Texterkennung über die Kamera macht zudem mühseliges Eintippen über die Tastatur oder das für Nebengeräusche anfällige Aufzeichnen über eine Spracherkennung überflüssig.

Gerade erst hat die Telekom damit begonnen, das App aus Potsdam auch im Ausland zu bewerben. Angelaufen ist der Vertrieb bereits in Österreich, den Niederlanden und in Großbritannien. Göktekin jedoch macht sich bereits Hoffnungen auf den Aufstieg in die nächst höhere Spielklasse. „Die Königsklasse sind die Gerätehersteller“, so der Softwaretüftler. Die sollen künftig die Anwendung mit ihren Geräten ab Werk mitliefern. Erste Gespräche sind bereits verabredet, verrät der Geschäftsführer.Matthias Matern

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