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Die Wildnis nebenan. Rund 5500 Tier- und Pflanzenarten finden sich in der Döberitzer Heide. Durch die Landschaftspflegemaßnahmen wurden weite Teile von Munition und Bäumen befreit. Von den offenen Flächen profitieren auch Zauneidechsen (r.u.).

© Felix Hackenbruch (2), Matthias Wichmann, Heinz Sielmann Stiftung

Döberitzer Heide: Safari statt Schießerei

Früher trainierten Soldaten in der Döberitzer Heide, heute beherbergt sie seltene Tiere und Pflanzen. Und der Naturschutz wird ausgebaut. Ein Besuch.

Ein bisschen erinnert es schon an eine Safari, zu der Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD) am Freitag in die Döberitzer Heide geladen hat. Der Geländewagen ruckelt über die staubige Buckelpiste, die Sonne sticht und in der Ferne kreischen ein paar Kraniche. Gut, Löwen, Zebras und Giraffen bekommt der Minister nicht zu sehen, dafür aber Esel, Przewalski-Pferde und Wisente. „Ist doch beeindruckend, diese Vielfalt“, sagt er begeistert bei einem Stopp im kniehohen Gras. Dass hier bis vor Kurzem noch Munition im Boden lag, kann man sich in diesem Moment kaum vorstellen.

In den vergangenen sechs Monaten hat sich in der Döberitzer Heide, dem ehemaligen Truppenübungsplatz nördlich von Potsdam, viel getan. 2,7 Millionen Euro haben Bund und Land bereitgestellt, um die historischen Offenlandstrukturen in der Heide wiederherzustellen und Gewässer zugänglich zu machen. Unter Leitung der Heinz-Sielmann-Stiftung wurden auf dem 3500 Hektar großen Gelände Schneisen in die Wälder geschlagen, Sträucher und Gestrüpp von den Wiesen entfernt und für den Weidebetrieb vorbereitet.

„Wir wollten die Strukturen der Fläche, wie sie die Russen verlassen haben, wiederherstellen“, sagt Michael Beier, Vorstand der Stiftung, beim Besuch des Ministers. Weil die Fördergelder zeitlich gebunden waren, blieben Stiftung und etlichen Dienstleistern nur sieben Monate für die Umsetzung. „Das in so kurzer Zeit zu machen, war ein riesengroßer Kraftakt“, sagt Beier nicht ohne Stolz.

2,7 Millionen Euro, nur um ein paar Bäume zu fällen? „Die Vorbereitungsmaßnahmen und die Entmunitionierung gingen richtig ins Geld“, erklärt Beier. Mehrere Tonnen Munitionsschrott, Altmetall und Sprengstoff habe der Kampfmittelräumdienst entfernt. „Die Russen haben nicht alles mitgenommen, was sie hätten mitnehmen müssen“, sagt Beier. Große Teile der Heide seien zudem nur mit schwerem Gerät bearbeitbar gewesen. Doch der Einsatz habe sich gelohnt, so Beier: „Es hilft der biologischen Vielfalt Brandenburgs.“

Tatsächlich beherbergt die Döberitzer Heide circa 5500 Tier- und Pflanzenarten. Viele von ihnen sind auf offene Flächen angewiesen. „Früher sorgten Waldbrände oder Überschwemmungen für Freiflächen, heute regelt das der Mensch“, sagt Peter Nitschke, Leiter der Sielmann Naturlandschaft Döberitzer Heide. Würde man die Natur sich selbst überlassen, dann habe man in Brandenburg irgendwann nur noch Wald. Auch ungenutzte und offene Natur gebe es inzwischen kaum noch. „Und wenn, dann werden die Böden aufgeforstet, versiegelt oder sie kommen unter den Pflug“, sagt Nitschke. Tiere wie die Zauneidechse, die Heidesand-Biene, einige Spinnenarten oder der Wiedehopf – ein Vogel mit Irokesenfrisur – bräuchten aber keine landwirtschaftlichen Nutzflächen, sondern sogenannte Offenland-Habitate.

Davon gibt es nun jede Menge, wie sich bei der Safari zeigt. Wo früher Panzer rollten, Schießübungen stattfanden und Soldaten sich in Bunkern verschanzten, stehen nur noch ein paar vereinzelte Ruinen. Stattdessen wachsen auf den Wiesen nun wilde Möhren, Labkraut, Ginster und Königskerzen. 91 verschiedene Moosarten will ein Mitarbeiter der Heinz-Sielmann-Stiftung in der Heide gezählt haben. Dass hier vor wenigen Monaten noch Bagger und gepanzerte Wagen des Kampfmittelräumdienstes durchs Unterholz fuhren, erahnt man nur noch. Die Stiftung hat sich zudem verpflichtet, die Fläche in den kommenden zwölf Jahren zu bewirtschaften.

Auch der wegen seiner Fördermittel- und Personalpolitik zuletzt in die Kritik geratene Landwirtschaftsminister äußerte sich hoch zufrieden. „Die Investition war Gold wert“, sagt er und betont, dass dies ohne die Stiftung nicht möglich gewesen wäre. „Das war schon eine besondere Leistung“, sagt er und hofft auf eine weitere Zusammenarbeit zwischen Land und Stiftung. „Hier passt alles zusammen“, sagt Vogelsänger, der auch privat manchmal mit seiner Frau die Döberitzer Heide besucht. Die Auszeit fernab des Ministeriums genießt er sichtlich. Den Schlips hat er längst abgelegt, beim Mittagessen zwischendurch genehmigt er sich auch mal einen Schluck Bier. „Wer Bier trinkt, hilft der Landwirtschaft“, sagt er und lacht.

Sorgen bereitet nur ein weiteres Großprojekt. Die Heide soll für Radfahrer besser zugänglich gemacht werden. Statt Trampelpfaden soll es rund 30 Kilometer fest angelegte Radwege geben. Gelder dafür hat das Landwirtschaftsministerium bereits bewilligt, trotzdem wird noch nicht gebaut. „Das zieht sich ein bisschen“, sagt Beier. Mit der Naturschutzbehörde müsse man noch klären, wie die Wege beschaffen sein sollen. Komplett versiegeln möchte man den Boden jedenfalls nicht. „2020 müssen wir fertig werden, deshalb schätze ich, dass wir Mitte 2019 mit dem Bau beginnen“, sagt Beier. Für ihn sind die Radwege ein wichtiger Schritt für die Zukunft der Döberitzer Heide. „Die neue Qualität der Heide wird dann hoffentlich von den Besuchern wahrgenommen.“ Die Natur soll für mehr Menschen erlebbar werden – auch ohne Geländewagen.

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HINTERGRUND: Panzer, Pflanzen und Pferde

Schon zu Zeiten von Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (1688 - 1740) diente die Döberitzer Heide als Übungsplatz für Soldaten. Kaiser Wilhelm II. ließ den Ort 1892 offiziell zum Truppenübungsplatz ausbauen, in den folgenden Jahren wurde die Heerstraße als Verbindung zum Berliner Stadtschloss angelegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die Rote Armee die Fläche intensiv für Geländetraining, bis zum Truppenabzug Anfang der 1990er Jahre. In den Folgejahren wurde die Heide Stück für Stück entmilitarisiert und renaturisiert. Für Besucher stehen inzwischen 55 Kilometer angelegte Wanderwege bereit, von denen man mit etwas Glück die 90 Wisente, 30 Przewalski-Pferde und 90 Rothirsche beobachten kann. Wer die Heide von Potsdam aus besuchen möchte, muss derzeit allerdings einen Umweg auf sich nehmen. Die Eingänge in Krampnitz und an der Speckdammbrücke sind aktuell gesperrt. Die Eingänge bei Groß Glienicke, Seeburg, Elstal und Priort sind weiterhin offen. 

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