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Sicht von oben auf das Leipziger Dreieck.

© Lutz Hannemann

Diskussion im Stadtforum: Die Auswirkungen des Corona-Lockdowns auf Potsdam

Was hat die Krise mit der Kultur, dem Verkehr, der Bürgerbeteiligung in der Stadt gemacht? Manche sprechen von Schockstarre, andere ziehen ein weniger negatives Resümee. 

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Geschlossene Läden, abgesagte Veranstaltungen, ein Großteil der Bevölkerung im Homeoffice – die Corona-Eindämmungsmaßnahmen haben Potsdam extrem beeinflusst. Welchen Effekt das alles für die Stadt hatte und hat war Thema des Potsdamer Stadtforums, das am Donnerstagabend im Bürgerhaus am Schlaatz stattfand – erstmals ohne Publikum vor Ort, dafür live im Internet übertragen. Zu verschiedenen Bereichen städtischen Lebens waren Gesprächspartner eingeladen. Sie berichteten, wie sie die letzten Monate erlebt haben und was als Fazit bleibt. Ein Überblick.

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KULTUR

Besonders hart getroffen wurde von den Maßnahmen die Kultur. Alle Konzerte, Theatervorstellungen oder Lesungen mussten abgesagt werden. Die Intendantin der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, Dorothee Oberlinger, berichtete von einer Art Schockstarre, in die man im März zunächst gefallen sei. Als irgendwann klar war, dass die Festspiele diesen Sommer abgesagt beziehungsweise ins nächste Jahr verschoben werden müssen, seien sie und ihr Team fast erleichtert gewesen. „Denn dann wussten wir, wie wir weiter agieren müssen“, so die Musikerin. Die Künstler hätten sich sehr kooperativ gezeigt und „zu 99 Prozent“ für das Nachhol-Festival 2021 zugesagt. Auch das Publikum habe sich überwiegend solidarisch verhalten und kaum Karten zurückgehen lassen. Dennoch sei die Lage für die Musiker problematisch, viele befänden sich in existenziellen Schwierigkeiten, die Hilfsprogramme der Regierung griffen oft nicht. 
„An der Lebensrealität vorbeikonzipiert“ nannte die Hilfen auch Anja Engel, Kulturmanagerin des Rechenzentrums. Schließlich sei für viele Solo-Selbstständige die Miete das größte Problem. Eine „Riesenwelle“ an Kündigungen habe es im Rechenzentrum bislang nicht gegeben, so Engel. „Aber langfristig bin ich da nicht so optimistisch.“ Immerhin konnten auch in der Krise viele Künstler weiterarbeiten, da es sich um viele kleinere, voneinander getrennte Räume handelt. Einer der Mieter ist der Bildhauer Stefan Pietryga, der ebenfalls zu Gast beim Stadtforum war. Er berichtete, wie innerhalb weniger Tage alle Kunstmessen und Projekte abgesagt wurden. „Ich sollte jetzt gerade eigentlich in der Mongolei sein und eine Holzskulptur schaffen“, so Pietryga. „Stattdessen kuratiere ich jetzt eine Ausstellung in Schwetzingen.“ 

VERKEHR 

Deutlich positiver blickte Anja Hänel vom ökologischen Verkehrsclub VCD auf die vergangenen Monate. „Man konnte mal reinschmecken, wie sich eine autoarme Stadt anfühlt“, sagte sie. Viele hätten sich wieder auf das Fahrrad getraut, die Stadt sei deutlich leiser geworden, die CO2-Emissionen gesunken. Mittlerweile habe der Autoverkehr wieder deutlich zugenommen und die alten Probleme seien wieder da. Schade findet Hänel, dass Potsdam nicht wie in Berlin, Bogotá oder München die Chance für sogenannte Pop-Up-Bike-Lanes genutzt habe – also temporäre Radwege. 

BÜRGERBETEILIGUNG

Von „heftigen Auswirkungen“ durch den Lockdown berichtete auch Kay-Uwe Kärsten von der Werkstadt für Beteiligung. Die gesetzlich-formalen Prozesse wie etwa die Auslegung von Bebauungsplanung seien zwar „in Minimalvariante“ weiter gelaufen. Doch die freiwilligen und informellen Prozesse seien fast alle auf Eis gelegt, Netzwerke auseinander gegangen, Ergebnisse in den Hintergrund getreten. „Hier müssen wir viel Nachholarbeit leisten“, so Kärsten. Auch Bürgerbegehren hätten erheblich gelitten, Unterschriftensammlungen seien schließlich so gut wie unmöglich gewesen. „Da gibt es noch viel Klärungsbedarf“.

FAZIT 

Die Erkenntnisse, die die Teilnehmer aus dieser ungewöhnlichen Situation zogen, waren naturgemäß recht unterschiedlich. Oberlinger sagte, es sei noch deutlicher geworden, dass Kultur nicht nur systemrelevant sondern sogar systemimmanent sei. „Kultur gehört zu einem lebenswerten Leben dazu.“ Engel vom Rechenzentrum wünschte sich eine „ermöglichende Verwaltung“, die sich offener für neue Kunstprojekte in Krisenzeiten zeige. Und Hänel vom Verkehrsclub sah es an der Zeit, „unseren Anspruch an den öffentlichen Raum zu überdenken“. Parkende und fahrende Autos nähmen zu viel Platz ein. 

Im Bezug auf Beteiligungsformate wie etwa Anwohnerversammlungen zu einem bestimmten Thema sagte Experte Kärsten, man müsse über Alternativen zu Veranstaltungen mit Hunderten Menschen nachdenken. Möglich sei es zum Beispiel, mehrere Termine kurz hintereinander stattfinden zu lassen – was aber mehr Ressourcen erfordere. Weitgehende Einigkeit bestand bei allen, dass die Möglichkeit, online zu kommunizieren, während der Krise hilfreich war, dies aber keine Präsenzveranstaltungen ersetzen könne. „Es ist viel anstrengender, in Videokonferenzen zu Entscheidungen zu kommen, weil viele menschliche Komponenten fehlen“, brachte es Kärsten auf den Punkt. 

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