zum Hauptinhalt

„Diplomatie von unten": Städtepartnerschaft: Die erste Potsdamerin in Bonn

Seit 1988 sind Bonn und Potsdam Städtepartner. Als die erste Bonner Delegation nach Potsdam kam, fiel die Mauer. Und Ramona Kleber wurde die erste Potsdamerin in Bonn

Von Valerie Barsig

Marquardt - Die Fotos hat sie schon herausgesucht, sie liegen vor ihr auf dem Tisch. Ramona Kleber ist ein besonnener Mensch. Ruhig erzählt sie, während sie an ihrem Gartentisch sitzt, in einer kleinen Oase in Marquardt. Pflanzen ranken dort und bilden ein Dach über ihrem Tisch. Die Fotos vor Kleber zeigen feiernde Menschen am Lehrter Stadtbahnhof, in ihrer Mitte eine lächelnde Kleber, ein Schild mit der Aufschrift „Stellt euch vor: Es ist Sozialismus und keiner geht weg“. Die Fotos sind vom 9. November 1989. Kleber hatte zu diesem Zeitpunkt als Reiseleiterin des FDJ-Reisebüros Jugendtourist eine Delegation aus Bonn zu Besuch – im Rahmen der Partnerschaft zwischen Bonn und Potsdam. „Ich möchte schon, dass meine Geschichte einmal erzählt wird“, sagt Kleber.

Die Partnerschaft der beiden Städte war das Produkt eines Kompromisses. Vorbereitet wurde die Kooperation zwischen der damaligen Bundesrepublik und der DDR bereits Mitte der 80er-Jahre. „Der damalige Bonner Oberbürgermeister Hans Daniels forderte zu diesem Zeitpunkt aber, dass Ostberliner Studenten, die festgenommen wurden, freigelassen werden sollten“, erzählt Walter Christian, seit 2007 Vorsitzender des Potsdam-Clubs Bonn. Besonders pikant: Daniels stellte seine Forderung mitten in Potsdam, vor laufenden Kameras des ZDF. Damit lag das Projekt auf Eis.

Weimar kam zuerst infrage - dann entschied man sich in Bonn für Potsdam als Partnerstadt

Walter Christian wurde vor zehn Jahren auf den Club aufmerksam, der im Bonn-Club Potsdam sein Pendant findet. Regelmäßig treffen sich die Mitglieder im Wechsel zum Tag der Deutschen Einheit in den Landeshauptstädten. Ursprünglich wollte man im Zuge der Anerkennung der DDR in der Bundesrepublik eine Partnerschaft zwischen Bonn und Ostberlin. Das wollten die Bonner allerdings nicht. „In Bonn wünschte man sich aber trotzdem etwas Besonderes“, erzählt Christian. Weimar kam zuerst infrage, dann entschied man sich für Potsdam. Erst 1988 wurde der Partnerschaftsvertrag unterzeichnet.

Ein Jahr später bekommt die damalige Reiseleiterin Kleber Besuch von einer Delegation aus Bonn. Sie ist zusammengesetzt aus Beamten und Sozialarbeitern, die mit Jugendlichen arbeiten. „Am 9. November abends haben wir uns dann im Alpha Jugendclub Am Schlaatz getroffen“, erzählt Kleber. Dann hieß es plötzlich, die Mauer sei gefallen. „Ich dachte nur: Sind die jetzt alle verrückt?“ Mit einem Bus macht sich die Gruppe auf Richtung Berlin – es geht über Stahnsdorf, Teltow und Mahlow Richtung Schönefeld und mit der S-Bahn bis zum Lehrter Bahnhof. „Wir freuten uns damals alle auf die gleiche Weise“, sagt Kleber, der Abend sei voller Erwartung gewesen. „Wir hatten alle ziemlich wenig Schlaf in dieser Nacht.“

Eine Art Diplomatie von unten

Bei der Abschlussbesprechung am nächsten Morgen entstand die Idee, Kleber mit nach Bonn zu nehmen. „Ich habe daraufhin schnell versucht herauszufinden, ob ich ein Visum oder einen Stempel brauchte.“ An der Henning-von- Tresckow-Straße Richtung Lustgarten hätten die Menschen in drei Reihen an der Wache angestanden – sie hätte sich einfach vorgedrängelt, berichtet Kleber. So bekam sie ihren Stempel in den Pass. „Und dann war ich am 10. November wohl die erste Potsdamerin, die nach Bonn fuhr.“ Später folgten weitere: Rund 200 Potsdamer waren zu Silvester 1990 in der damaligen Bundeshauptstadt.

1990 wurde auch der Potsdam-Club in Bonn auf Initiative des ehemaligen ZDF-Chefredakteurs Reinhard Appel gegründet. „Die Partnerschaft zwischen den Städten war eher eine Patenschaft. Man überlegte, wie man Potsdam helfen könnte“, erzählt Christian. Der Austausch sei eine Art Diplomatie von unten gewesen. In Potsdam folgte dann schnell die Gründung eines Bonn-Clubs.

Ihm sitzt seit 1997 Wigor Webers vor. „Damals hat man Leute aus verschiedenen Behörden in Bonn nach Potsdam geschickt, um Unterstützung zu geben“, sagt er. Anfangs sei es aber auch die Neugier gewesen, die die Partnerschaft zwischen den Städten rege hielt. „Irgendwann flachte das aber ab“, sagt Walter Christian.

Parallelen zwischen Potsdam und Bonn auch in der Städtestruktur

Und heute? Kleber hat mit ihrem Lebensgefährten ein Café in Marquardt, außerdem ist sie Stadtführerin. Zu ihren Besuchern von damals hat sie nur noch sporadisch Kontakt, Mitglied im Bonn-Club in Potsdam ist sie nicht. Was bringen solche Clubs und Partnerschaften heutzutage noch? Mit dieser Fragestellung müsse man sich beschäftigen, sagt auch Vorsitzender Christian. Denn längst sei die Zeit der Diplomatie von unten vorbei. Christian sieht seine Aufgabe darin, gegenseitig über Kultur und Geschichte aufzuklären. „Es gibt eine politische Tradition der Zugehörigkeit, die gepflegt werden muss, wenn man keine geschichtsvergessene Nation werden will.“ Preußisches Erbe gebe es auch im Rheinland, der Potsdam-Club mache mit Veranstaltungen darauf aufmerksam. Und die Resonanz sei da, sagt Christian. „Es soll aber nicht nur um den Alten Fritz gehen“, betont er. Abgesehen von der Geschichte gebe es zwischen Bonn und Potsdam auch in der Städtestruktur Parallelen, in beiden Städten sind Konsulate ansässig, auch die Universität Bonn sei Kooperationspartner bei Veranstaltungen des Clubs.

Anders ist die Lage in Potsdam. Die Uni sei nicht an einer Kooperation interessiert, sagt Vorsitzender Webers. Auch das Nachwuchsproblem sei nur schwer in den Griff zu bekommen, gerade in Potsdam, wo die Vereinsstruktur nicht so dicht sei wie in Bonn. „Es ist beschwerlich“, sagt er. Der Bonn-Club in Potsdam hat gerade einmal 25 Mitglieder, die Bonner zählen 56 Aktive, sieben kamen im vergangenen Jahr dazu. Webers sieht die Aufgabe der Clubs vor allem darin, noch immer bestehende Vorurteile abzubauen. „Gerade Schüler haben noch das Bild vom grauen Osten im Kopf.“ Längst seien nicht alle Vorurteile die gleichen wie in den 90er-Jahren. „Aber sie sind eben da.“ Man müsse voneinander wissen, um sie abzubauen. „Und solange müssen wir weitermachen.“

+++ Städtereise nach Bonn

Vom 1. bis 4. Oktober findet in Bonn eine Bürgerbegegnung der Städteclubs statt. 150 Euro kostet die Reise für Nichtmitglieder plus Unterbringung im Hotel. Für drei Schüler der Sekundarstufe II und einen begleitenden Lehrer sind kostenlose Plätze im Reisebus vorhanden. In Bonn werden sie bei Gastfamilien übernachten. Verzehrkosten der Schüler im Rahmen des offiziellen Programms werden vom Potsdam-Club übernommen. Bewerbungen können bis Freitag, 15. September, 20 Uhr, an den Vorsitzenden des Potsdam- Clubs, Walter Christian gesendet werden: info@christian53340.de oder unter Tel.: (02225) 16 1 64. Für die Reise anmelden kann man sich außerdem beim Vorsitzenden des Bonn-Clubs Potsdam, Wigor Webers, entweder per Mail an wigorwebers@ gmx.com oder unter Tel.: (0331) 296 074. Neben den Treffen der Clubs sind außerdem Besuche im Bonner Stadtmuseum, in der Zisterzienserruine in Königswinter, dem Bundeskanzler-Adenauer-Haus in Bad Honnef und beim Bundesrechnungshof in Bonn geplant. Außerdem gibt es eine Festveranstaltung auf Einladung des Bonner Oberbürgermeisters. Mehr Infos zum Programm gibt es unter www.potsdam-club.com 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false