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Digitalwirtschaft Potsdam: Das digitale Potsdam muss nacharbeiten

Prognos-Studie zur Digitalwirtschaft macht deutlich: Der Standort Potsdam muss in der Wirtschaft sichtbarer werden und Studenten müssen in der Stadt gehalten werden.

Von Valerie Barsig

Potsdam als Digital-Standort wächst. Um aber neben Berlin als Innovationszentrum zu bestehen, muss die Stadt nacharbeiten. Das sind die Ergebnisse einer von der Industrie- und Handelskammer (IHK) beauftragen Studie der Firma Prognos. Sie wurde am gestrigen Montag in den Räumen der Netfox AG im Europarc Dreilinden in Kleinmachnow vorgestellt. Unter dem Titel „IKT-Wirtschaftsstandort Westbrandenburg und Potsdam – Potenziale einer Zukunftsbranche“ habe man erstmals verlässliche Zahlen über die IKT-, also über die Informations- und Telekommunikationsbranche, im Bezirk Westbrandenburg sammeln können, sagte IHK-Präsidiumsmitglied Benjamin Körber.

Die Studie, die von Prognos-Direktor Olaf Arndt vorgestellt wurde, zeigt: Potsdam ist ein Schwerpunkt in der Region. Die Digitalwirtschaft mit rund 7000 Beschäftigten erzielte 2015 im gesamten Bereich Westbrandenburg ein Umsatzvolumen von 1,1 Milliarden Euro – das sind zwei Drittel aller Umsätze in Brandenburg. 16 Prozent davon werden von Unternehmen in Potsdam erwirtschaftet.

„Seit 2010 hat Potsdam ein massives Wachstum hingelegt“, sagte Arndt. Und auch die Zukunftsaussichten sind gut: Laut der Studie erwarten rund die Hälfte der Unternehmen für die nächsten drei Jahre steigende Umsätze.

„Dort soll zusammengearbeitet werden.“

2,3 Firmengründungen kommen auf je 10 000 Erwerbsfähige in Potsdam. Damit steht die Stadt im Vergleich zum Rest des IHK-Bezirks überdurchschnittlich gut da. „Potsdam ist neben Berlin eine weitere Gründungshochburg in der Region“, betonte Arndt. Aber: Die Stadt müsse wegen der Nähe zur Hauptstadt ein Standortprofil entgegenhalten. „Jeder zweite Potsdamer Student ist unentschlossen, wo es nach dem Studium hingehen soll. Das ist also ein wichtiger Anknüpfungspunkt.“

Denn in den kommenden fünf Jahren wird es laut Studie für jedes zweite Unternehmen immer problematischer, Fachkräfte zu finden. Ständig müssen Entwicklungen voranschreiten. „Der Innovationsdruck ist hoch“, so Arndt. Deshalb seien Netzwerkangebote wichtig. Und die fehlen oder werden nicht entsprechend genutzt: Denn laut der Studie identifizieren 80 Prozent der Potsdamer Unternehmen die Nähe zu den Hochschulen oder dem Hasso-Plattner-Institut als wesentlich, allerdings kooperieren lediglich 20 Prozent der Unternehmen mit den Hochschulen in Potsdam. „Oft gibt es Angebote der Institute, aber sie werden mit der Nachfrage der Unternehmen nicht zusammengebracht“, sagte Arndt. An Hochschulen müsste es dafür mehr Personal geben. Beispiele wie das Potsdamer Media Tech Lab, in dem junge Firmengründer einen Platz finden, seien laut Arndt gute Ansätze. „Dort soll zusammengearbeitet werden.“

Vorzeigestandort für Neuheiten der Medientechnologie

Das Media Tech Lab, das seit Anfang des Jahres geöffnet ist, ist das erste sichtbare Ergebnis der Initiative Media Tech Hub. Wie berichtet wurde Potsdam im vergangenen Jahr offiziell zu einem von insgesamt zwölf sogenannten Digital Hubs in Deutschland ernannt. Die Idee ist, dass die Zusammenarbeit von Unternehmen und Gründern auf engem Raum Innovation befördert. Dabei hat jeder „Hub“-Standort inhaltlich eine andere Ausrichtung. Während man etwa in Nürnberg/Erlangen an Innovationen im Bereich der Digitalisierung im Gesundheitswesen tüftelt, gilt Potsdam als Vorzeigestandort für Neuheiten der Medientechnologie.

In Potsdam liege damit eine Chance, sagte auch IHK-Hauptgeschäftsführer Mario Tobias. Aber: „Wir brauchen eine kritische Masse an Unternehmern, die sich hier ansiedelt“, sagte Tobias. Denn erst dann würden viele andere nachziehen. Dazu gehöre zwingend, Studenten auch nach dem Uniabschluss in der Stadt zu halten. „Die Stadtpolitik muss dazu ihr Übriges tun“, forderte der IHK-Hauptgeschäftsführer. Dazu gehöre es, günstige Wohnungsmieten für Studenten anzubieten, aber auch Büromieten für Start-ups bezahlbar zu halten. Auch müsse die Stadt dafür sorgen, dass Start-ups, die zu größeren Unternehmen anwachsen, nicht einfach wegziehen. Drei Viertel der Jungunternehmen, die ursprünglich aus Potsdam stammen und inzwischen gewachsen sind, haben ihren Firmensitz bereits nicht mehr in Brandenburg.

IHK-Präsidiumsmitglied Körber richtete Forderungen an die Landespolitik: Es gelte, den ländlichen Raum zu stabilisieren und den Breitbandausbau zu forcieren. „Die Infrastruktur muss funktionieren“, betonte Körber. Aber auch die Branche selbst müsse nacharbeiten. „Sie muss sichtbarer werden.“ Die Digitalfirmen müssen Konzepte erarbeiten, um präsenter zu werden. Gleichzeitig brauche es eine Strategie, um Schulen und Firmen besser zu vernetzen. „Es gilt für alle, die Steine, die im Weg liegen, wegzuräumen.“

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HINTERGRUND: Potsdam boomt – Westbrandenburg nicht

Für die Prognos-Studie wurden IHK-Mitgliedsunternehmen befragt und Experten interviewt. In Potsdam sind vor allem digitale Dienstleistungsunternehmen angesiedelt – insgesamt 164. Lediglich vier Unternehmen stellen Hardware her. Ihre Kunden sind vorwiegend der Handel, die Gesundheitsbranche und die öffentliche Verwaltung. Im Zeitraum von 2010 bis 2016 ist die Zahl der Beschäftigten in der Branche in Potsdam gewachsen – um rund 5,8 Prozent pro Jahr. 2200 Menschen arbeiten in Potsdam in der Digitalwirtschaft – das ist ein Drittel der Beschäftigten im gesamten IHK-Bezirk Westbrandenburg. Zwei Drittel der Unternehmen sind mit dem Standort zufrieden, unter anderem wegen geringen Personalkosten. Allerdings wünschen sie sich vor allem weniger bürokratische Hürden, sagt die Studie. Potsdams Digitalwirtschaft ist von 2010 bis 2017 um rund zwölf Prozent pro Jahrgewachsen. Damit hält die Stadt den Rekord im IHK-Bezirk. Im Gegensatz zu Potsdam ist die Gründungsintensität in Westbrandenburg eher unterdurchschnittlich ausgeprägt. 

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Die gesamte Studie ist auch im Netz: https://bit.ly/2Ja8Ytf

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