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Landeshauptstadt: „Dieser Platz hat jetzt eine Geschichte“

Rondell vor der Erlöserkirche erhielt Namen Dr. Rudolph Tschäpe / Ehrung für Bürgerrechtler

Brandenburger Vorstadt – Seit gestern Nachmittag trägt ein bislang namenloses Rondell vor der Erlöserkirche in der Nansenstraße den Namen Dr. Rudolph Tschäpe. Weit mehr als 200 Menschen, darunter Familienangehörige und viele Weggefährten, waren gekommen, um der Namensweihe für den kleinen Platz beizuwohnen.

Gemeinsam ehrten sie den Wissenschaftler und Bürgerrechtler Rudolph Tschäpe, der vor genau sechs Jahre im Alter von 61 Jahren verstarb. Alle Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung hatten gemeinsam den Antrag gestellt. Diese fraktionsübergreifende Einhelligkeit ist Ausdruck der großen Verehrung für einen bescheidenen Menschen, der genauso auch konsequent, leidenschaftlich und zielstrebig war – wie gestern alle Redner bekräftigten.

Oberbürgermeister Jann Jakobs bezeichnete Tschäpe als „unbeugsamen Vorkämpfer für die friedliche Revolution“. Nach der Wende habe der Bürgerrechtler, der zu DDR-Zeiten als Wehrdienstverweigerer und Kirchenmensch unter Beobachtung der Staatssicherheit stand, seine ganze Persönlichkeit in den Dienst der Demokratie und der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit gestellt. Tschäpe war für Argus/Neues Forum nach der Wende in der Stadtverordnetenversammlung und 1995 Mitbegründer des Fördervereins Lindenstraße 54, der aus dem ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnis in der Lindenstraße eine Gedenkstätte gestalten will. Der mit dem Nationalpreis und dem Bundesverdienstkreuz Geehrte sei ein „mutiger Demokrat“ gewesen, die Namensweihe für den Platz „Zeichen der Anerkennung und Dankbarkeit für seine Lebensleistung“, so Jakobs.

Der Bildhauer Wieland Förster erinnerte an Tschäpes mutiges und beharrliches Eintreten für eine Ausstellung von Werken des Künstlers, der in der DDR viele Jahre Ausstellungverbot bekam. 1974 sei es insbesondere dank Tschäpes Beharrlichkeit gelungen, im leer stehenden Refraktorgebäude auf dem Telegraphenberg doch eine Ausstellung zu organisieren. Dafür sei er „noch heute zutiefst dankbar“, sagte Förster. Nach der Wende, so der Bildhauer, sei es wiederum Tschäpe zu verdanken gewesen, dass zwei seiner Werke einen Platz in Potsdam fanden: die Stele „Das Opfer“ im Innenhof der Lindenstraße 54 und die Figur „Nike“ an der Glienicker Brücke. Tschäpes „Mut und Geradlinigkeit sind ein Auftrag, der für uns bleibt“, sagte Förster.

Der Pfarrer der Erlöserkirche, Martin Kwaschnik, erinnerte daran, dass der Platz, der nun Tschäpes Name trage, eng mit seinem Leben verbunden gewesen sei. Tschäpe habe gleich in der Nähe gewohnt, hier hätten seine Kinder gespielt, hier stehe auch die Kirche, wo er aktives Gemeindemitglied gewesen sei. „Dieser Platz hat jetzt eine Geschichte – unsere Geschichte“, so Kwaschnik. Gudrun Tschäpe sagte zur Idee, dem Platz den Namen ihres verstorbenen Mannes zu geben: „Ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke ist großer Freude gewichen.“ Und in Bezug auf ihren Mann: „Er ist wieder hier – ein schönes Gefühl.“ Gemeinsam mit Jakobs enthüllte sie das Schild des neuen Potsdamer Platzes.

Unter den Gästen war auch der frühere Oberbürgermeister Horst Gramlich. Er bezeichnete Tschäpe als einen Stadtverordneten, der „freundlich, umgänglich, unheimlich interessiert war – und für seine Überzeugung bereit, durchs Feuer zu gehen.“ Das habe auch er gespürt, sagte Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen. Als Aufsichtsratsmitglied sei Tschäpe zunächst sehr kritisch gewesen, „dann aber haben wir gut zusammen gefunden“. Tschäpe habe zu überzeugen gewusst, sei darin sehr hartnäckig gewesen – kein Wunder, dass sich die Stadtwerke schließlich auch mit Spenden an der Aufstellung der beiden Förster-Stelen beteiligten.

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