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Die Zukunft von Haus Alexander in Groß Glienicke: Versöhnung im Alexander-Haus

Das einstige Sommer-Refugium einer jüdischen Arztfamilie in Groß Glienicke wird saniert und um ein Bildungs- und Versöhnungszentrum erweitert. Schon im Herbst könnte es losgehen.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Ein „soul place“ war das Alexander-Haus für Elsie Harding, ein Seelenort. Von Berlin aus kam die Jugendliche in den 1920er- und 1930er-Jahren mit ihrer Familie in das Wochenend-Refugium nach Groß Glienicke, ein dunkles Holzhäuschen mit wunderbarem Blick auf den gleichnamigen See. Elsies Vater, Alfred Alexander, war ein bekannter Arzt, Größen der Berliner Gesellschaft wie Albert Einstein, Marlene Dietrich oder Max Reinhardt gehörten zu seinen Patienten, er war Präsident der Berliner Ärztekammer. Doch vor ziemlich genau 80 Jahren – in Berlin liefen gerade die Olympischen Spiele – verschloss die Familie die hölzernen Fensterläden ihres Sommerhauses ein letztes Mal, nie wieder sollten sie hier ein Wochenende verbringen. Denn Alfred Alexander war Jude, 1936 floh er vor den Nationalsozialisten nach England. Und mit ihm seine Frau Henny sowie seine Kinder Bella, Paul, Hanns – und Elsie.

Elsies Enkel Thomas Harding, britischer Autor und Journalist, kannte die Geschichten seiner Großmutter über das Sommerhaus. Er wurde neugierig, begleitete sie 1993 auf eine Reise nach Groß Glienicke – damals war das Haus noch bewohnt. Und als er von örtlichen Heimatforschern kontaktiert wurde, nahm auch er die Recherche auf. Daraus entstand nicht nur das Buch „Sommerhaus am See: Fünf Familien und 100 Jahre deutscher Geschichte“, das 2015 erschien. Thomas Harding fing auch an, für die Sanierung des seit 2003 leer stehenden Holzhäuschens zu kämpfen. Damit war er nun erfolgreich – und er hat sogar noch mehr erreicht: Das Alexander-Haus soll künftig ein Bildungs- und Versöhnungszentrum werden.

Jüdische und muslimische Studenten sollen das Bildungszentrum nutzen

Am gestrigen Montag versammelten sich einige der wichtigsten Akteure auf der verwitterten Terrasse des Hauses und unterzeichneten eine Absichtserklärung über die Sanierung sowie die Errichtung des Bildungszentrums. Für die Wiederherstellung des Hauses will der Bund 140 000 Euro aus dem Denkmalschutz-Topf beisteuern, das Land noch einmal 32 000 Euro. Die Stadt Potsdam, die seit der Wende Eigentümerin der Immobilie samt Garten ist, stellt diese zur Verfügung und verzichtet dafür auf einen – wahrscheinlich lukrativen – Verkauf des Grundstücks. Weitere 85 000 Euro hat der Verein „Alexander Haus“ bereits an Spenden eingetrieben, die geschätzten 300 000 Euro, die die Sanierung des Hauses und die Wiederherstellung der Außenanlagen kosten sollen, sind also schon fast beisammen. Weitaus teurer wird der Neubau des Bildungszentrums auf dem hinteren Teil des Geländes sein – der Verein schätzt die Kosten auf circa 2,5 Millionen Euro. Derzeit wird eine Fertigstellung 2020 anvisiert.

Bereits fest stehen allerdings die künftigen Nutzer des Zentrums: So wollen das Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES), das hochbegabte jüdische Studenten fördert, sowie das Avicenna-Studienwerk, das sich wiederum für begabte muslimische Studenten einsetzt, den geschichtsträchtigen Ort für Bildungsarbeit und den interreligiösen Dialog nutzen. Auch die Universität Potsdam hat Interesse, sie will das künftige Zentrum für Seminare und Konferenzen buchen. „Hier kann man viel über deutsche und jüdische Geschichte lernen“, sagte Bildungsstaatssekretär Martin Gorholt (SPD). Deshalb eigne sich der Ort gut für den interkulturellen und interreligiösen Dialog.

Das Haus soll wieder in den Zustand von 1936 versetzt werden

Doch bevor der Neubau entsteht, ist zunächst die Sanierung des Alexander-Hauses selbst an der Reihe. Es soll wieder in den Zustand von 1936 versetzt werden, als die Familie Alexander es verlassen musste. So manches Gestrüpp wurde schon bei mehreren Freiwilligeneinsätzen entfernt, nun sollen die Spuren der vielen Nachnutzer am Haus selbst weitgehend verschwinden – teils mussten sich zwei Familien das Häuschen teilen. So wird etwa ein nachträglich angebauter Wintergarten abgetragen und das Dach erneuert, wie der zuständige Architekt Andreas Potthoff sagte. Außerdem soll wieder eine Veranda in Richtung See entstehen, die vom Haus aus zugänglich ist. Zu DDR-Zeiten war sie entfernt und die Terrassentür zugemauert worden – schließlich verlief keine zehn Meter davon entfernt die Hinterlandmauer, wie ein Betonpfeiler, der bei den Aufräumarbeiten zutage kam, zeigt. Die Aussicht war also denkbar schlecht.

Nach der Absichtserklärung fehlen nun noch ein entsprechender Nutzungsvertrag mit der Stadt und die Baugenehmigung, dann kann mit der Sanierung begonnen werden. Läuft alles nach Plan, könnte im Sommer 2017 Eröffnung gefeiert werden. Zumindest an den Wochenenden sollen dann auch Besucher das Alexander-Haus besichtigen können, und sich ein Bild davon machen, wie es einst zu Elsie Hardings Jugendzeiten aussah. Als es ihr Seelenort war.

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