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Landeshauptstadt: Die Zone in der Zone

Eine DDR-Enklave in West-Berlin: Im Juni eröffnet eine Ausstellung über Klein Glienicke

Von Katharina Wiechers

Klein Glienicke - Am Fuße des Böttcherberges in Klein Glienicke steht Jens Arndt und breitet die Arme aus. „Mit 15 Metern war hier die schmalste Stelle der DDR“, sagt der 51-Jährige. Als vor 50 Jahren, am 13. August 1961, die Berliner Mauer gebaut wurde, nahm sie an kaum einem anderen Ort einen so absurden Lauf wie in Klein Glienicke. Der rund 500 Einwohner zählende Stadtteil Potsdams gehörte zur DDR – lag aber geografisch in West-Berlin und war jahrzehntelang nur über eine Brücke von Babelsberg aus zu erreichen. Ab dem 19. Juni ist in Schloss Glienicke eine Ausstellung über die Geschichte der Enklave zu sehen.

Die Idee dazu stammt von Jens Arndt, der vor zwölf Jahren mit seiner Frau aus Berlin-Zehlendorf in das idyllische Klein Glienicke zog. Aus Gesprächen mit Anwohnern entwickelte er zunächst ein Buch, das 2009 erschienen ist. Gemeinsam mit der Stiftung Berliner Mauer und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) entsteht nun eine multimediale Schau zu dem Thema.

Seit dem Mauerbau standen die Bewohner der „Zone in der Zone“, wie Klein Glienicke damals genannt wurde, unter besonderer Beobachtung. Platzmangel auf dem nur acht Straßen umfassenden Gelände machte eine aufwendige Grenzanlage mit Kolonnenweg oder Laufanlage für Kettenhunde unmöglich. Tatsächlich erzählen die Bewohner von teils spektakulären Fluchten, wie Arndt sagt.

So sei eines Tages im Jahr 1962 eine Frau mit ihrem Kind im Haus einer Familie in Klein Glienicke zu Besuch gewesen. Plötzlich tauchten auf der Westseite der Mauer ihr Mann und die Feuerwehr mitsamt einem Sprungtuch auf. Die Frau stürmte auf den Balkon, der nicht weit von der Mauer entfernt in Richtung Westen ragte. Erst warf sie das Kind in das Tuch und sprang dann selbst.

Die Flucht sei gelungen, sagt Arndt. Doch die als Helfer verdächtigten Gastgeber mussten büßen. Sie wurden ausgewiesen und das Haus innerhalb weniger Wochen dem Erdboden gleichgemacht. Es war nicht das einzige – zahlreiche weitere Gebäude mussten der Mauer weichen. Vor allem nachdem die Grenze durch den sogenannten Todesstreifen und eine zweite, innere Mauer verstärkt wurde. Durch die schmalste Stelle der DDR passte dann gerade noch ein Trabi.

Als elf Jahre später auch noch neun Klein Glienickern das Entkommen durch einen selbstgebauten Tunnel gelang, wurde die Angst vor weiteren Fluchten noch größer. An der Brücke über die Glienicker Panke, dem einzigen Zugang zu der Enklave, bildeten sich oft stundenlange Schlangen. Handwerker wurden auf Schritt und Tritt von Grenzsoldaten begleitet, Verwandte oder Freunde von Klein Glienickern teils willkürlich abgewiesen. „Klein Glienicke war einfach kaum zu bewachen“, sagt Arndt. Irgendwann habe sich die Staatsführung deshalb dazu entschlossen, nach und nach linientreue Kader anzusiedeln. „Klein Glienicke sollte sich selbst bewachen“, sagt er. Dies habe sich auch auf die Atmosphäre im Stadtteil niedergeschlagen. „Horch und Guck“, sagt Arndt.

Heute ist von der Mauer, die Klein Glienicke umschloss, kaum noch etwas zu sehen. Arndts Frau will deshalb parallel zur Ausstellung Führungen an den Wochenenden anbieten, um auf die wenigen gebliebenen Relikte hinzuweisen. Dazu gehört laut Arndt auch ein Haus, das auf der Westseite direkt an der ehemaligen Grenze steht.

„Als die Mauer fiel, hatte die Familie plötzlich keine Begrenzung mehr am Hintergarten“, sagt er. Kurzerhand hätten sich die Bewohner ein paar Meter des überflüssig gewordenen Grenzzauns genommen und einen Gartenzaun daraus errichtet. Er hält bis heute.

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