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Landeshauptstadt: Die Zeit der Bayreuther

Hofbaumeister Mader brachte im Jahr 1764 fast 100 Baugesellen mit nach Potsdam. Ihre Häuser, wenn nicht bereits abgerissen, werden saniert und restauriert.

Hofbaumeister Mader brachte im Jahr 1764 fast 100 Baugesellen mit nach Potsdam. Ihre Häuser, wenn nicht bereits abgerissen, werden saniert und restauriert. Angeführt von Hofbaumeister Georg Christoph Mader, ihrem Arbeitgeber, zogen im Frühjahr 1764 fast 100 Bayreuther Baugesellen in Potsdam ein. Friedrich II. hatte sie angeworben und zahlte sogar Reisegeld. Für beide Seiten war der Kontrakt ein Glücksfall. Im gerade beendeten Siebenjährigen Krieg hatten zahlreiche Baukünstler und -handwerker, da sie keine Aufträge mehr erhielten, die preußische Residenz verlassen. Jetzt fehlten sie dem König für die Errichtung des Neuen Palais und den repräsentativen Ausbau der Innenstadt. In Bayreuth war ebenfalls 1763 Markgraf Friedrich seiner Gemahlin Wilhelmine, Lieblingsschwester des preußischen Königs, ins Grab gefolgt. Beide hatten ihre kleine Residenz prachtvoll ausbauen lassen, dabei aber hohe Schulden angehäuft. Der nun einsetzende Sparkurs stoppte den Ausbau und kostete fast alle Beteiligten den Arbeitsplatz. Deshalb nahmen sie dankbar die Stellenangebote des Königs von Preußens wahr. Die „Bayreuther in Potsdam“ werden meist an den beiden Architekten Carl von Gontard (1731 - 1791) und Johann Christian Unger (1743 - 1799) fest gemacht. Gontard vollendete bekanntlich das Neue Palais, baute die Communs, Antiken- und Freundschaftstempel, das Drachenhaus, in der Stadt das Große Waisenhaus und an die 70 Bürgerhäuser, darunter das Brocksche Palais Am Kanal. Am Ende seiner Laufbahn setzte er das Marmorpalais in den Neuen Garten. Von Unger stammen das Belvedere auf dem Klausberg, das Portal des Langen Stalls, die Hiller-Brandtschen Häuser, die Gewehrfabrik und nicht weniger als 167 Bürgerhäuser. Manchmal wirkten die beiden Meister auch zusammen, so am Brandenburger Tor und am Palast Barberini. Die Bayreuther Kunsthistorikerin Dr. Angela Michel hat einen Plan der Potsdamer Innenstadt jener Zeit vorgelegt: dicht an dicht Gontard- und Ungerbauten. Damals habe Potsdam einen Bauboom geherrscht wie nach 1990 am Potsdamer Platz in Berlin. Dennoch hätte der Bauhistoriker Manger nicht von einer „Zeit der Bayreuther“ schreiben können, ginge es nur um die beiden Architekten. Angela Michel hat eine Fülle von Namen recherchiert, die bisher wenig oder gar nicht bekannt waren. Johann Rudolph Heinrich Richter (1748 - 1820), ein Schüler Gontards, bereicherte die Stadt ebenfalls um 53 Bürgerhäuser. Zumindest Fachleuten bekannt sind die Bildhauer Gebrüder Räntz mit ihren zur Legende gewordenen Lampenträgern auf der Breiten Brücke, der Stukkateur Giovanni Batista Pedrozzi, der Maler und Porzellanmaler Johann Christoph Jucht und die Kunsttischler Gebrüder Spindler mit ihren Arbeiten im Neuen Palais. Nach Potsdam kam aber auch der Hofmaurermeister Johann Georg Leithold mit Gesellen, der Zimmerermeister Nikolaus Querfeld, der Vergolder Maximilian Konrad Saeger, der Grobschmied Zuleger ... Von alteingesessenen Potsdamern wurden die Ankömmlinge um ihre Privilegien wie Befreiung von der Einquartierungspflicht beneidet und als Konkurrenten betrachtet. Die Bayreuther blieben deshalb meist unter sich und siedelten sich vorzugsweise in benachbarten Häusern an. Einer ihrer Konzentrationspunkte war die Lindenstraße, wo Gontard ein wunderschönes Wohngebäude für seine Landsleute, die Bildhauer Räntz, baute. Als Baumeister Unger die Frau gestorben war, heiratete er die Witwe seines Landsmanns Leithold. Vom Alten Fritz wurden die Bayreuther gewohnt willkürlich behandelt. Gontard landete 1768 im Arrest, weil dem König der Bau der Kolonnaden am Neuen Palais nicht schnell genug voranging. Nach dem Ende des Baubooms zogen viele Bayreuther wieder davon, andere wie die Familie Mader blieben und führten ihre Unternehmen über Generationen erfolgreich fort. In Krieg sind zahlreiche Gontardsche und Ungersche Bauten zerstört, noch mehr in der DDR-Zeit abgerissen worden. Was blieb, wurde zum größten Teil wie das Waisenhaus oder das Belvedere Klausberg nach der deutschen Wiedervereinigung saniert und restauriert. Das Wohngebäude Am Bassin 3 wird gegenwärtig vom Eigentümer wiederhergestellt, und auch an der Charlottenstraße 114/115 stehen jetzt Baugerüste. Nur am Bürgerhaus Spornstraße 6, das die letzte Stufe des Verfalls erreicht hat, und am Brockschen Haus, das der Telekom gehört, tut sich nach wie vor nichts. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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