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Gleich am Ball bleiben. Seit Montag lernen die 13- bis 15-jährigen Jungen und Mädchen Deutsch an der Da-Vinci-Schule. Zwischen den Unterrichtseinheiten spielt Lehrerin Kerstin Richtern mit ihren Willkommenskindern, kurz Willis genannt, im Schulflur Boule.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Die Willis an der „Da-Vinci“

In Potsdam hat die zweite Vorbereitungsklasse für ausländische Kinder eröffnet. Das Modell könnte auch für Grundschulen wieder infrage kommen

Das neue Jahr beginnt mit fünf Neuen an der Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule. Sie heißen Gregory, Adam, Norbert, Phong und Nhong und sind zwischen 13 und 15 Jahre alt. Sie kommen aus Nigeria, Polen, Tschetschenien und Vietnam. Seit Montag bilden sie eine eigene Klasse. Die Lehrer nennen sie liebevoll die Willis. Die Willkommenskinder.

Erstmals bringt die Stadt Potsdam Flüchtlinge mitten in der Stadt unter– statt in einem Wohnheim sollen die Asylbewerber Tür an Tür mit Altpotsdamern wohnen. In der Haeckelstraße in Potsdam-West leben derzeit 48 Flüchtlinge, weitere 37 sollen bis Ende des Monats hinzukommen, vorrangig Familien oder Mütter mit Kindern. 19 Kinder wohnen inzwischen hier, die meisten von ihnen sind allerdings im Kindergartenalter. Der 15-jährige Adam aus Tschetschenien wohnt auch in der Haeckelstraße, ganz in der Nähe seiner neuen Schule. In den nächsten Wochen sollen in die Willkommensklasse noch mehr Mädchen und Jungen aus der Haeckelstraße kommen und auch solche, die über Familienzusammenführungen in die Stadt ziehen. Insgesamt kann die Da-Vinci-Schule 16 ausländische Schüler aufnehmen.

Damit werden nun an zwei Schulen in der Stadt ausländische Kinder auf das deutsche Schulsystem vorbereitet. Seit einigen Jahren führt die Steuben-Gesamtschule im Kirchsteigfeld eine Vorbereitungsklasse mit 16 Schülern.

Am zweiten Schultag spielt Lehrerin Kerstin Richter mit ihren Willis zwischen den Unterrichtseinheiten auf dem Gang vor dem Klassenraum Boule mit weichen Stoffbällen. Richter wirft die Arme in die Luft und ruft: „Adam, du hast gewonnen!“ Als im November die Stadt entschied, die Schüler in die Da-Vinci-Schule aufzunehmen, da dort noch freie Kapazitäten vorhanden sind, und das Schulamt eine Lehrerstelle in Aussicht stellte, war für die Stellvertretende Schulleiterin Anke Ulbrich bald klar, wen sie für diese Aufgabe gewinnen wollte. „Sie kann sofort eine Beziehung zu Kindern aufbauen“, sagt Ulbrich über Kerstin Richter, die bis Ende des vergangenen Jahres 20 Jahre lang als Englisch-Lehrerin an der Voltaire-Gesamtschule unterrichtete. Nun wird sie in den nächsten zwei Jahren die ausländischen Kinder auf dem Weg ins deutsche Schulsystem begleiten. „Es ist viel Beziehungsarbeit“, beschreibt Richter ihr Aufgabenfeld. Deutschkenntnisse zu vermitteln ist dabei nur ein Teil. „Es geht nicht um drei Wörter mehr“. Sie sieht sich eher als Coach denn als Wissensvermittler oder gar Stundengeber. Es gehe in erster Linie darum, Vertrauen aufzubauen. Die zum Teil traumatisierten Kinder sollen hier ankommen und sich angenommen fühlen.

Das gesamte Kollegium habe sich Willkommenskultur auf die Fahnen geschrieben, sagt Ulbrich: Der Schulalltag muss neu organisiert werden, im zweiten Halbjahr sollen die Kinder bereits am LER-Kurs mit deutschen Schülern teilnehmen. „Wir wollen versuchen, sie auch schnell in den Sportunterricht miteinzubeziehen“, so Ulbrich. Schließlich stehe da die verbale Kommunikation nicht im Vordergrund.

Hilfe kommt von vielen Seiten: Der Caterer spendiert das Essen in der ersten Woche, bis die Anmeldungen vorliegen. Die Eltern haben für die Flüchtlingsfamilien gesammelt. Und das staatliche Schulamt hatte bereits im November eine Lehrerstelle in Aussicht gestellt.

Für die ausländischen Kinder im grundschulpflichtigen Alter gibt es allerdings keine solchen Spezialklassen, sie sollen in eine möglichst wohnortnahen Schule zusammen mit deutschen Kindern gehen und können laut Eingliederungsverordnung Förderunterricht erhalten. Ob und wie sinnvoll dieser gestaltet ist, untersucht derzeit das staatliche Schulamt zusammen mit den Schulleitern. Für die zuständige Schulrätin Birgit Ernst kommt das Modell der zentralisierten Klassen für den Grundschulbereich nicht infrage. „Das hat sich nicht bewährt“, so Ernst. Auch  Eckhard Dörnbrack vom Schulamt sagt: „Die Kinder lernen schneller in einer deutschen Klasse.“ Zudem seien die Wege für die Kinder oft zu weit. Die Integrationsbeauftragte der Stadt und auch der Kreiselternrat favorisieren hingegen auch für Grundschüler den Unterricht in gesonderten Klassen. (siehe Interview)

Im Unterrichtsraum an der Da-Vinci-Schule steht ein offener Koffer mit Deutsch-Büchern, das Alphabet ist in bunten Bildchen auf dem Boden ausgelegt, auf einem Tisch liegen griffbereit Schokobonbons. Das Miteinander wachse, sagt Richter schon am zweiten Tag. Und auch die Neugier: Zum Boulespielen sind zwei Mädchen aus einer anderen Klasse vorbeigekommen. In den Pausen schauen immer wieder Kinder in den Raum hinein. Auch sie wollen die Neuen kennenlernen. G. Weirauch

G. Weirauch

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