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Landeshauptstadt: Die „Verbotene Stadt“ in Bronze

Die Gedenkstätte Leistikowstraße soll ein Modell des früheren Militärstädtchens bekommen – bezahlt mit Spenden. Den ersten Schritt dafür machte ein engagierter Nachbar

Als Wolfgang Traudt die Räume bezog, wusste er noch nicht um die Geschichte, die in den Mauern steckte. Im Jahr 2011 richtete der Zahntechnikermeister seine neue Praxis im Kaiserin-Augusta-Stift in der Leistikowstraße ein. Neben dem Dentallabor hat er dort auch ein Behandlungszimmer für exklusive Kunden. „Persönlichkeiten aus Film und Fernsehen und Prominente aus Berlin“, sagt der 58-Jährige. Erst nach und nach las er über die Geschichte des Hauses als Hauptquartier des sowjetischen Militärgeheimdienstes im sogenannten „Militärstädtchen Nummer 7“ und über die ehemalige Kapelle des Augusta-Stifts – denn das ist der Raum, in dem er heute arbeitet. „Wo jetzt mein Zahnarztstuhl steht, gab es Militärtribunale“, sagt Wolfgang Traudt. Lange Haftstrafen und sogar Todesstrafen sind in dem Raum verhängt worden. „Vergessen sollte man Sachen dieser Art nicht“, ist Traudt überzeugt.

Er habe sich daher schon bald auch an die Gedenkstätte KGB-Gefängnis Leistikowstraße gewendet. Seine Praxis öffnet er nun im Rahmen von Führungen für die Öffentlichkeit, der nächste Termin findet am 12. Oktober statt. Am gestrigen Mittwoch machte Traudt der Gedenkstätte ein Geldgeschenk: Einen Scheck über 1000 Euro überreichte er der Gedenkstättenleiterin Ines Reich.

Das Geld soll in die Einrichtung eines Außenmodells in Bronze fließen, erklärte die Gedenkstättenleiterin. Dabei soll im Innenhof auf einer Grundfläche von 1,60 Meter mal 1,90 Meter die komplette Umgebung des ehemaligen Untersuchungsgefängnisses im Maßstab 1:1000 abgebildet werden, beschriftet in Deutsch, Englisch, Russisch und der Braille-Blindenschrift. Ein solches Modell sei für die Besucher zur Orientierung wichtig, erklärte Reich: „Man bekommt ein Gefühl für das Ausmaß des Militärstädtchens.“ Mehr als 100 Liegenschaften gehörten zu dem Gelände zwischen Pfingstberg und Neuem Garten, das bis zum Abzug der sowjetischen Truppen im August 1994 für die Potsdamer eine Tabuzone war – im Volksmund war auch von der „Verbotenen Stadt“ die Rede.

Wolfgang Traudts Spende allein reicht für das Modell allerdings nicht aus. 40 000 Euro soll das Bronze-Relief kosten, wie Ines Reich sagt. Die Gedenkstättenleiterin hofft nun auf Nachfolge-Spender: „Jeder Betrag ist uns willkommen.“ Aus dem eigenen Budget könne die Gedenkstätte unter dem Dach der Brandenburgischen Gedenkstättenstiftung die Finanzierung des Modells nicht schultern. Wann es schließlich stehen wird, hängt also noch vom Spendenaufkommen ab.

Das sieht bei dem in Kooperation mit der Stadtverwaltung geplanten Geschichtspfad durch die „Verbotene Stadt“ anders aus: Wie berichtet sollen künftig insgesamt zehn Metalltafeln an wichtigen Punkten in dem Gelände über die frühere Nutzung der Gebäude informieren. Der Pfad werde wie geplant am 15. August, dem 20. Jahrestag des Abzugs der russischen Truppen, eröffnet, versicherte am Mittwoch Bianka Peetz-Mühlstein von der städtischen Kulturverwaltung. Zusätzlich werde es Informationsbroschüren sowie per Mobiltelefon aus dem Internet abrufbare Informationen geben. Die Finanzierung der 10 000 Euro teuren Aktion übernimmt das Rathaus.

Als Wolfgang Traudt 1993 aus Nürnberg nach Potsdam zog, der Liebe wegen, wie er verrät, war das Militärstädtchen noch verschlossen – und Traudt hatte keine eigene Praxis, sondern leitete ein Labor. Als er Ende der 1990er-Jahre die Gegend erkundet habe, sei ihm besonders der Kaiserin-Augusta-Stift aufgefallen. „Ich habe damals schon gedacht: Das wäre toll“, erinnert er sich.

In dem markanten Gebäude an der Ecke zur Straße Am Neuen Garten hatte die Ehefrau Kaiser Wilhelms I. 1872 ein Internat zur Erziehung von Töchtern im Krieg gefallener Offiziere und Geistlicher gegründet. Dazu gehörte auch eine Kapelle für die Andachten. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte dann der sowjetische Geheimdienst die Kapelle als Gerichtssaal. Als das Gebäude nach 2005 schließlich saniert wurde, führten die Pläne, in der Kapelle eine Wohnung einzurichten, zu einem öffentlichen Aufschrei (PNN berichteten).Traudt mietet die Räume seit 2011 für die Praxis, die er vorher in Babelsberg gegründet hatte. Als er von der Geschichte erfuhr, habe er auch Zweifel gehabt, räumt er ein. Jetzt setzt er auf einen offensiven Umgang damit. Es sei ihm wichtig, die Räume für Besucher erlebbar zu machen und die Opfer nicht zu vergessen, sagt er. Auch ein Versprechen gibt er: „Sollte ich wider Erwarten zu Geld kommen, würde ich der Gedenkstätte wieder spenden.“

Spenden sind unter dem Stichwort „Außenmodell“ auf das Spendenkonto der Brandenburgischen Gedenkstättenstiftung, Kontonummer 60 90 999 330 bei der HypoVereinsbank, BLZ 100 208 90 möglich

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