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Landeshauptstadt: „Die Streitkultur ist oft nicht gut ausgeprägt“

Kerstin Lück bildet Lehrer und Sozialarbeiter zu Schulmediatoren aus, um in Konflikten zu vermitteln und Gewaltfälle abzuwenden

Frau Lück, Sie schreiben auf Ihrer Webseite, Mediation gehöre zum Standard einer modernen Schule - warum?

Das Lernen geht nicht ohne Konflikte und an Schulen gibt es Konflikte zwischen vielen Beteiligten. Zwischen Lehrern und Schülern, unter Lehrern, da sich deren Aufgaben verändert haben und sie sich mehr um soziale Kompetenz kümmern müssen. Viele haben das nie gelernt. Außerdem können Konflikte mit der Schulleitung auftreten.

Das ist doch wie in jeder Firma, oder?

Ja, und moderne Firmen setzen auch auf Mediation. Anders als in einer Firma gibt es in einer Schule aber keinen Manager und viele Lehrer und Schulleiter sind mit der Organisation überfordert. Hinzu kommt, dass Schule Demokratie vermitteln will, aber selbst ein undemokratisches Gebilde ist. Das heißt, das Konfliktpotenzial liegt nicht nur in den Persönlichkeiten der Lehrer und Schüler, sondern auch in der Struktur.

Was ist mit den Eltern?

Auch Eltern mit ihren Erwartungen und Forderungen an die Schule tragen zu Konflikten bei. Aber auch das Drumherum, etwa wenn die Schule ein denkmalgeschützter Bau ist und die räumlichen Möglichkeiten eingeschränkt sind. Es gibt extrem viele Konfliktfelder, aber die Streitkultur ist oft nicht gut ausgeprägt. Und wenn ich Konflikte nicht bewältige, sondern mit mir herumtrage, kann es zu Gewalt kommen. Gewalt ist auch, wenn ich mit jemandem nicht mehr rede.

Was kann Mediation da leisten?

Bei Mediation können in einem geschützten Raum Probleme in einem frühen Stadium gelöst werden. Der Mediator sollte dafür ausgebildet sein. Denn die Rolle des parteilosen Vermittlers muss gelernt und geübt werden.

Wer kommt zu Ihnen in die Kurse und lässt sich als Schulmediator ausbilden?

Wir haben großen Zuspruch von Sozialarbeitern und Erziehern. Bei Lehrern ist er geringer, da viele ihre Fachbrille aufhaben. Die Lehrer, die bei uns eine Weiterbildung absolviert haben, sagen allerdings, dass der Fachunterricht einfacher wird, wenn sie Konflikte mediativ lösen können. Wir merken auch, dass sich zu Beginn des Schuljahres Lehrer um die soziale Kompetenz ihrer Schüler kümmern und sich dem Thema widmen.

Sind die Gewaltfälle, die in Potsdam geschehen, andere als etwa in Berlin?

Da sehe ich keine Unterschiede. Es hängt immer sehr stark von den Schulen ab, inwieweit sie an friedlichen Konfliktlösungen interessiert sind oder auf Ordnungs- und Erziehungsmaßnahmen wie Strafarbeiten setzen. Es ist ausdrücklich im Brandenburgischen Schulgesetz verankert, dass Schüler lernen sollen, Konflikte friedlich zu lösen.

Laut Kriminalstatistik ist die Zahl der Gewaltvorfälle in Potsdam sehr gering. Ist die Stadt so ein friedliches Pflaster?

Es gibt eine hohe Dunkelziffer, viele Schulen scheuen den Weg über die Polizei. Denn sie fürchten, sie verlieren an Ruf. Wir wünschen uns, dass die Schulen mit Gewalt, etwa Mobbing und Cybermobbing, mehr die Zusammenarbeit mit der Polizei und Experten suchen. Es herrscht große Hilflosigkeit, besonders im Umgang mit Schülern, die Amokläufe nur angedroht haben.

Treten die Gewaltfälle wirklich vorrangig in sozial schwächeren Stadtteilen auf?

Absolut nicht. Wir erfahren immer wieder von schweren Mobbingfällen an Schulen mit einer gut situierten Elternschaft.

Im September werden Sie zum dritten Mal den Berlin-Brandenburger Schulmediationstag durchführen. Was machen Sie da?

Der Tag ist für die aktiven Schulmediatoren gedacht und für jene, die Mediation kennenlernen wollen. Es wird einen Eingangsvortrag über Coaching und Mediation geben. Anschließend sind Workshops geplant - vor allem mit Übungen.

Sie führen schon seit einigen Jahren Mediationskurse und den Schulmediationstag durch - hat sich Mediation in den Schulen denn inzwischen etabliert?

Das würde man erwarten. Aber Mediation ist immer noch nicht Standard, sondern Sahnehäubchen. Vor allem für die Verwaltung und das Ministerium. Die wenigen Lehrer, die sich für Mediation engagieren, bräuchten dafür Abminderungsstunden, also weniger Unterrichtsstunden. Und dann ist man wieder bei dem großen Thema, der Arbeitsbelastung. Anders ist es bei den Schülern. Ab der 3. Klasse können sie sich zu Streitschlichtern ausbilden lassen. Und die Schüler wissen, dass sie mit dieser Tätigkeit ein dickes Geschenk bekommen. Denn später in der Berufswelt werden sie mit ihrer Sozialkompetenz punkten.

Das Interview führte Grit Weirauch

Der 3. Schulmediationstag findet am 27. September in der FH Potsdam, Friedrich-Ebert-Str. 4 von 9 bis 16 Uhr 30 statt. Anmeldung unter dudde@konflikthaus.de, Tel.: (030) 30 10 09 13. Mehr Infos unter: www.konflikthaus.de/news/

Kerstin Lück, Jahrgang 1963, ist studierte Psychologin. Seit 1995 arbeitet sie als Mediatorin, seit 1998 bietet sie an der Fachhochschule Potsdam Kurse für Schule und Polizei an.

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