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Die Stadt als Labor: VW soll Potsdams Verkehrsproblem lösen

Die Stadtverwaltung und Volkswagen wollen Mobilitätskonzepte in Potsdam testen. Die Stadt soll zum Labor werden - allerdings blieben bei der Unterzeichnung der Kooperation viele Fragen offen.

Potsdam - Wie man in Potsdam von A nach B kommt, könnte in Zukunft ganz anders aussehen. Wie genau, wollen die Stadtverwaltung und das in der Schiffbauergasse angesiedelte Volkswagen Group Future Center Europe nun erforschen. Am Mittwoch unterzeichneten Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) und Ulrike Müller, Chefin des Future Centers, im Rathaus eine entsprechende Vereinbarung. Sie läuft vorerst bis zum Sommer nächsten Jahres. Bis dahin sollen auch die ersten Tests in Potsdam stattfinden, bei denen dann auch Potsdamer Nutzer mitmachen können. Perspektivisch sollen weitere Partner für das Projekt „Labor Stadt“ gewonnen werden.

Oberbürgermeister Schubert war angesichts der Zusammenarbeit mit dem Weltkonzern sehr zufrieden. „Ich bin fast euphorisch“, sagte er. Potsdam müsse mehr von den schlauen Köpfen in der Stadt profitieren. „Eines unserer Ziele ist es, Potsdam von einer Stadt der Wissenschaft zu einer Stadt des Wissenstransfers zu entwickeln.“ Wissenschaftliches Arbeiten und neue Erkenntnisse sollten zugänglich, anwendbar, wahrnehmbar und vielleicht sogar erlebbar werden, hieß es. „Nur so lassen sich nachhaltig Offenheit und Akzeptanz sichern und persönliche Identifikation aufbauen“, sagte das Stadtoberhaupt.

Er selbst habe sich bei einem Besuch im Future Center ein Bild von der innovativen Arbeitsweise machen können, berichtete Schubert. Das gemeinsame Projekt verstehe sich als Innovationstreiber und erprobe neue Kooperationsformen zwischen Wirtschaft und Stadtverwaltung. Dass sich die erste derartige Kooperation nun mit dem Thema Mobilität beschäftigt, passt Schubert ins Konzept: „Die Stadt hat einen Verkehrsproblem.“ Deshalb müsse man neu und innovativ denken.

Vorzeigbares gibt es noch nichts

Trotz der vielen Euphorie gibt es bislang nichts Vorzeigbares. „Ganz konkret sind wir noch nicht“, sagte auch Norman Niehoff, der im Rathaus für die Verkehrsentwicklung zuständig ist. Er sagte, was Stadtverwaltung und Future Center nicht tun: „Wir entwickeln keine Fahrzeuge sondern Mobilitätsangebote.“ Gemeinsam habe man erkannt, dass es eine Angebotslücke zwischen öffentlichem Nahverkehr und Taxi gibt. Denkbar seien Lösungen wie autonome Shuttles, Carpooling und Carsharing sowie neue inklusive Konzepte für Nutzer, die die bisherigen Angebote nicht selbstständig nutzen können.

Potsdam und Volkswagen wollen nun erstmal gemeinsam Mobilitätskonzepte entwickeln und testen. Die Stadt stelle dafür den öffentlichen Raum zur Verfügung und organisiere die Bürgerbeteiligung. Das Volkswagen Future Center Europe bringe seine Expertise ein, um die Tests durchzuführen. Ein siebenköpfiges Team habe sich gebildet. Je nach Thema hole man sich noch Kompetenz aus anderen Bereichen dazu.

Termine werden nicht genannt

Viele Fragen blieben am Mittwoch allerdings offen. Das sei auch nicht anders möglich, schließlich befinde man sich in einem ergebnisoffenen Prozess. Doch es soll schnell gehen. Die ersten Tests soll es noch in diesem Jahr geben. Genaue Termine wurden nicht genannt. Man werde die Projekte aber bald vorstellen. „Wir haben verschiedene Ideen im Hinterkopf“, sagte Müller. Man sei allerdings noch am Modellieren.

Doch – so viel wurde schon verraten – komme dabei auch ein Multivan zum Einsatz, den Volkswagen Nutzfahrzeuge zur Verfügung gestellt habe. Mit dem T6-Testfahrzeug will das Future Center im Praxiseinsatz erproben, welche konkreten Anforderungen Kunden an neue Mobilitätskonzepte haben. Was mit dem VW-Bus genau getestet wird, solle zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben werden.

An der Kommunikation wird gearbeitet

Deutlich wurde hingegen, dass Stadtverwaltung und Entwickler auch in der Kommunikation zueinander finden müssen. Geht es bei den Rathausmitarbeitern sonst oft um „Maßnahmen, die durchgeführt werden“ und um „Beschlüsse, die umgesetzt werden“, nutzen die Entwickler ganz andere Begriffe. Da ist dann von User Testing, UX Design und Mobility as a Service die Rede. Beim Future Center ist man aber optimistisch. „Mit Potsdam haben wir einen aufgeschlossenen Partner, um gemeinsam zu praktizieren, worüber heute viel gesprochen wird“, sagte Müller. „So können wir digitale Prototypen gemeinsam mit den Bürgern ausprobieren, weiterentwickeln und beste Lösungen für reale Mobilitätsprobleme finden.“

Der Horizont des Future Centers liegt naturgemäß etwas weiter in der Zukunft – so zehn bis 15 Jahre, wie es hieß. „Wir wollen erstmal das Problem verstehen und erst dann die Lösung entwickeln“, sagte Müller. Dabei stünden die Nutzer im Zentrum der Überlegungen. Deshalb sei es so wichtig, auch mit echten Probanden zu arbeiten. „Vielleicht gibt es Anforderungen, die wir bisher noch gar nicht erkennen.“ Teilweise müsse man deshalb auch Situationen simulieren, weil es die Technologie noch gar nicht gibt. Müller brachte ein Beispiel mit einem Bus, der nur vermeintlich autonom fuhr. Dabei habe man herausfinden wollen, wie sich die Passagiere verhalten, wenn kein Fahrer zu sehen ist. 

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Seit 2005 ist Volkswagen in Potsdam präsent. Damals eröffnete in einem futuristischen Bau an der Schiffbauergasse das VW Design Center. Dort wird an den neuesten Volkswagen-Modellen gefeilt. Dabei geht es um Fahrzeugkonzepte, Strategien, Außen- und Innendesign sowie Farbe und Ausstattung der Autos. Seit drei Jahren ist dort auch das Volkswagen Future Center Europe beheimatet. Es ist nicht an die Marke VW, sondern direkt an den Konzern angebunden. Dort wird eher aus der Perspektive der Nutzer geforscht mit einem internationalen Team für Softwareentwicklung und User Experienced Design, wie es hieß. Insgesamt arbeiten 110 Mitarbeiter am Standort.

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