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Die Potsdamer Gastronomin Lena Mauer: Mit Haltung am Herd

Sie kocht für Künstler, Kinder und Familien: Lena Mauer führt in Potsdam mehrere Restaurants und möchte ihren Gästen gesundes Essen an Wohlfühlorten bieten.

Potsdam - Die Nacht war kurz, sagt Lena Mauer, wieder einmal, immer ist was, mal ein spätes, reichhaltiges Essen, mal eine Weinprobe am Abend. Zum Wachwerden und Kräftesammeln sei sie gerade im Neuen Garten laufen gewesen. An die Gesundheit zu denken werde für sie immer wichtiger. Weil sie in diesem gewissen Alter angekommen sei. „Nächstes Jahr werde ich 40“, sagt sie und blinzelt ins Licht. „Ich bin schließlich gerne und viel präsent, vor Ort und in der Küche - nicht nur im Büro“. Da muss sie fit sein. Ruhephasen gibt es selten. Was sie nicht sagt, aber zu spüren ist: Sie ist niemand, der sich ausbremsen lassen möchte. Lena Mauer, in Potsdam Gastro-Unternehmerin seit 2008, ist immer mit neuen Ideen in Bewegung. Mit dem Schwung der Laufrunde setzt sie sich an den Tisch im Café Midi, es ist zehn Uhr, und das Foyer im Treffpunkt Freizeit ist erfüllt vom gleichmäßigen Geräuschpegel einer Eltern-Kinder-Gruppe.

Lena Mauer fühlt sich hier zu Hause: mitten im Leben. Durch die offene Küchentür hört man Betriebsamkeit, Geräte klappern, hinterm Tresen wird Kaffee gebrüht. Das stört sie nicht, mit klarem, ruhigem Blick ist sie dabei. Zu tun gäbe es genug, vor allem Organisatorisches, in wenigen Wochen eröffnet ein neuer Standort ihres Unternehmens „à la maison“. Dazu gehören aktuell das Café Midi im Treffpunkt Freizeit, die Theaterklause in der Zimmerstraße und ab November auch das Café der fabrik in der Schiffbauergasse - „Küchenbetrieb“ lautet der sachliche Arbeitstitel Lena Mauers. Daneben bietet „à la maison“ Catering und versorgt vier Potsdamer Kitas. Gemeinsam mit ihrem früheren Lebenspartner Robert Busse ist sie zudem Inhaberin des Cafés Freundlich am Telegrafenberg und seit dieser Saison bespielen sie auch die Kantine des Hans Otto Theaters, die jetzt einfach „Otto“ heißt. Gerne hätte sie hier ab sofort vegetarisch gekocht, aber das kann sie der Klientel nicht antun. „Dann gehen die Schauspieler und Techniker auf die Barrikaden“, sagt sie und lacht. Hochwertig soll es trotzdem sein, die bisherigen Preise waren nicht zu halten - aber so ist das eben. Wer keine vorgekochten, sondern frisch geschälte Kartoffeln essen will, der muss auch dafür zahlen wollen.

Lena Mauer wird in Potsdam geboren und geht hier zur Schule, anschließend studiert sie Betriebswirtschaftslehre, Schwerpunkt Struktur und Wettbewerb, 2006 wird sie Diplom-Betriebswirtin. Und begleitet dann erstmal ihren damaligen Freund nach Frankreich. Damit beginnt eine unruhige Zeit, aber wäre Frankreich nicht gewesen, wäre alles andere wohl auch nicht passiert. Dort entdeckt sie ihre Liebe zur französischen Lebensart, zur Küche und dem ganzen Drumherum. Deshalb der Firmenname „à la maison“, auf Deutsch „zu Hause“, und deshalb führt sie heute in Potsdam selber ein offenes Haus. Am großen Esstisch im Holländischen Viertel sind Gäste immer willkommen. Zwei Jahre bleibt sie damals in Toulouse, arbeitet zunächst bei Airbus, dann auf Festivals und beim Radio. Neben der Arbeit fährt sie viel herum und entdeckt die verschiedenen Regionen Frankreichs. Sie ist neugierig: Was isst und trinkt man dort, wie leben die Menschen?

Als sie 2007 zurückkehrt, bringt sie die Lust am Gestalten, Organisieren und Ausprobieren mit, jobbt unter anderem im Spartakus Klub und bei In Vino und im Biergarten und Café der Fabrik. Immer mehr bringt sie sich hier ein und wird schließlich gefragt, ob sie den Ort nicht selbst übernehmen möchte. Sie will. „Aber ich wollte nicht nur Bier verkaufen, also habe ich angefangen zu kochen.“ Ihr Grundlagenwissen zu den Produkten stammt aus der Zeit in Frankreich. Wie Boeuf Stroganoff geht, lernt sie jetzt vom Großvater, von der Fleischerfrau Rieck bekommt sie ein Rezept für Rouladen. Eine Ausbildung im Bereich Gastronomie macht sie nie. „Ich habe einfach viel probiert“, sagt sie.

Sprunghaft geht es weiter. Weil sie noch keine Familie hat und genügsam lebt, kommt sie auch mit wenig Einkommen zurecht. Sie leistet sich zwei Regeln: Erstens immer machen, worauf sie Lust hat, und zweitens mit einem hohen Anspruch. „Ich bin ein Genussmensch“, sagt sie. Wenn sie etwas macht, dann auch richtig.

Die dritte Regel könnte lauten: sich vom Scheitern nicht entmutigen zu lassen. „Ich hatte in Berlin ein Ding probiert, das ging schon nach wenigen Monaten krachen. Wir passten nicht zusammen“, erzählt sie. Auch aus dem Bistro im Potsdamer St.-Josefs-Krankenhaus zieht sie sich derzeit zurück. Sie war und ist der Meinung, in einem Krankenhaus müsse man gesunde Küche anbieten. Am besten ohne Fleisch. Die Gäste wollten Hausmannskost. Mauer mochte sich nicht anpassen, sie steht zu ihren Überzeugungen. Für sie als Unternehmerin gehört die Erkenntnis, dass etwas auch mal nicht funktioniert, unbedingt dazu. „Dann muss man das eben aufgeben.“ Oder einen zweiten Versuch starten - wie jetzt mit dem fabrik-Café, aus dem sie sich vorübergehend zurückgezogen hatte. Das neue Konzept für den Ort, an dem Künstler und vor allem Tänzer ein und aus gehen, steht längst: „Die fabrik wird vegetarisch und vegan.“

Nach elf Jahren Selbstständigkeit verändere sich gerade einiges. „Die Phase des Ausprobierens geht zu Ende, jetzt beginnt die Phase der Professionalisierung“. In solchen theoretischen Sätzen blitzt in der Praktikerin plötzlich die Betriebswirtin, Schwerpunkt Struktur und Wettbewerb, auf. Sie müsse sich eben auch um sich selbst kümmern, sagt sie. Sie sei jemand, der sich gerne mal totarbeite, aber mittlerweile habe sie Angst davor, eines Tages auszubrennen. Immer häufiger stelle sie sich deshalb Fragen wie: Was kann ich, was will ich und was will ich nicht mehr?

Das Loslassen von unrentablen Projekten bedeute im Umkehrschluss mehr Zeit und Kraft für das, was ihr am Herzen liegt. Das eine ist das Café Midi im Treffpunkt Freizeit mit seiner bunten Klientel. Mittags kommen Angestellte, Nachbarn oder Eltern mit Babys zum Lunch. Die Karte bietet Salate, Suppen oder mal ein Lammragout mit selbstgebackenem Sauerteig-Brot für wenige Euro. Alles wird frisch hier im Haus gekocht. Nachmittags gibt es Kuchen und Torten, selbstgebacken. Und eine Eismaschine gibt's auch. Zur Kaffeezeit ist es oft voll, dann sitzen hier Kursteilnehmer oder Familien, an manchen Tischen sieht man offene Schulbücher. Draußen am See ist es besonders schön. Da kann man bei Rhabarberstreusel und Cappuccino die Kinder auf dem Spielplatz im Blick behalten.

Pragmatismus für die eigene Energiebilanz

Zweites Lieblingsprojekt: Die Theaterklause in der Zimmerstraße, die sie vor zwei Jahren eröffnete. Tagsüber Café für Touristen, Potsdamer Stammkunden und Mitarbeiter aus dem anliegenden Schlösserstiftungswerkstätten, abends „Weinbar“. Zu hochwertigen Weinen, die die Frankreichkennerin selbst aussucht, bietet sie Kleinigkeiten, Snacks und Tapas an. Praktisch muss es sein und mit wenig Aufwand vorzubereiten. Dann stimme auch ihre eigene Energiebilanz.

Die vierte Regel von Lena Mauer, die sich langsam herauskristallisiert und als erfolgreich erwiesen habe, lautet: „Ich gehe dahin, wo meine künftigen Kunden schon sind“. Mauer sucht sich also Orte, die gastronomisch unterversorgt sind und entwickelt dann eine passende Idee. Um die Kunden zu binden, brauche es aber mehr als gutes Essen. Ihre Cafés und Restaurants sollen auch Treffpunkte werden. „Man muss ein Gespür für den Ort entwickeln, für den etwas funktionieren kann.“

Bei Mitarbeitern beliebt

Als Unternehmerin achtet sie bei all dem nicht nur auf ihre Kunden, sondern auch auf ihre Angestellten, 40 zurzeit. Sie bezahle gut, sagt sie. Sie bietet Weiterbildungen an, es gibt 28 Tage Urlaub. Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ihr wichtig, das schafft sie durch flexible Arbeitspläne, rotierende Wochenenddienste und Teilzeitstellen für die, die es möchten. Doppelschichten sind tabu. „Klar, ich habe hohe Personalkosten.“ Aber schließlich trage sie Verantwortung für ihr Team. Und letztlich lohnt es sich für sie: „Ich habe kein Problem, Mitarbeiter zu finden.“

Was macht sie, wenn sie nicht im Dienst ist? Kommt selten vor, sagt sie und lacht etwas über die Frage. Immer noch spart sie, wenn es sein muss, am eigenen Urlaub oder Gehalt. Aber es werde besser, schließlich gibt es seit ein paar Jahren das Töchterchen, das Zeit mit ihr einfordert, und auch einen neuen Partner, ebenfalls selbstständig, der ihr hilft und ihren stressigen Alltag akzeptiert. „Unternehmerische Freiheit bedeutet für uns, dass wir mal spontan eine Party schmeißen können und für nur eine Nacht oder ein Wochenende aus der Routine ausbrechen. Ich passe schon auf mich auf.“

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www.alamaison.de

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