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Landeshauptstadt: Die Legende von Ludschuweit

Sowjetischer Oberleutnant sicherte als Mitglied der Trophäenkommission Kunstschätze als Kriegsbeute

Sowjetischer Oberleutnant sicherte als Mitglied der Trophäenkommission Kunstschätze als Kriegsbeute Von Erhart Hohenstein Zum „20. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus“ wurden 1965 in fast allen Städten der DDR sowjetische Offiziere zu Ehrenbürgern ernannt. In der Regel waren das die ersten Stadtkommandanten von 1945. In Potsdam musste die SED-Kreisleitung einen anderen Kandidaten suchen, denn Oberst Andrej S. Werin war bereits verstorben. Die Wahl fiel auf den Garde-Oberleutnant Jewgenij Fjodorowitsch Ludschuweit, der ab 28. April 1945 mit seiner „Parkarmee“ Sanssouci weitgehend aus den Kampfhandlungen herausgehalten und die Kunstschätze vor Plünderungen geschützt haben soll. Als treuer Parteisoldat konnte sich der Kunstwissenschaftler gegen diese Ehrung nicht wehren, sie war ihm aber peinlich. Die Bezeichnung „Retter von Sanssouci“ lehnte Ludschuweit zeitlebens ab. Er habe „nur seine Pflicht getan“ und „Wertvolles von weniger Wertvollem getrennt und sicher aufbewahrt“. Gegenüber dem damaligen Generaldirektor der Schlösserverwaltung, Prof. Dr. Wolf Schubert, äußerte er entschuldigend: „Sie wissen ja, wie es gewesen ist.“ Mit solchen nebulösen Äußerungen kaschierte der ehemalige Diplomat seine eigentliche Aufgabe in Sanssouci: Als Technischer Leiter der so genannten Trophäenkommission der 47. Armee hatte er Kunstschätze als Kriegsbeute zu sichern und für den Transport in die Sowjetunion vorzubereiten. Der 2004 herausgegebene Verlustkatalog „Gemälde I“ der Schlösserstiftung nennt allein für Sanssouci 650 Gemälde, die in 81 Kisten verpackt, nach Moskau und Leningrad verbracht wurden. Hinzu kamen Skulpturen, Möbel, fast 2400 in den Neuen Kammern eingelagerte Porzellane, die Bibliotheken, sogar Orangeriegewächse, die dann auf dem Transport erfroren. Bekanntlich hat die Duma, das russische Parlament, diesen Kunstraub legitimiert, Rückgabeverhandlungen verliefen bisher ergebnislos. Auch dass die Potsdamer Schlösser bei der Eroberung der Stadt weitgehend unzerstört blieben, schrieb die Legende dem „Retter von Sanssouci“ zu. Bis in die letzten Jahre zog sich der Streit um die am Grünen Gitter angebrachte, inzwischen abgenommene Gedenktafel hin, wonach die Sowjetsoldaten „Sanssouci vor der Zerstörung durch die Faschisten“ schützten. Die nüchterne Wahrheit ist, dass die angreifenden Truppen den Zwängen des Krieges folgten. Die Schlösser wurden nicht beschossen, da sie nicht verteidigt wurden. Wenn an hochgelegenen Punkten wie auf dem Normannischen Turm, dem Belvedere Klausberg oder der Kuppel von Schloss Sanssouci deutsche Beobachtungsposten und Feuerleitstellen vermutet wurden, wurde dagegen konsequent die Artillerie eingesetzt. Ein Beweis dafür liefert auch die Beschießung der Communs und des Neuen Palais, wo sich zeitweise der Stab der Korpsgruppe Reymann einquartiert hatte. Nur der mutige Schlossoberinspektor, der am 28. April das Palais übergab, rettete den größten Schlossbau Friedrichs des Großen vor der Zerstörung und das Leben der etwa 1000 Flüchtlinge, die sich in den Kellerräumen versteckt hatten. Wenn es also auch keine bewusste Schonung oder gar Rettung Sanssoucis gab: Die Tatsache, dass die sowjetischen Truppen, die bei der Eroberung Potdam nochmals schwere Verluste hinnehmen mussten, die Schlösser nicht aus Rachedurst mutwillig zusammenschossen, bleibt aller Ehren wert.

Erhart Hohenstein

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