zum Hauptinhalt
Gegen das Ernst von Bergmann Klinikum wird ermittelt. 

© Ottmar Winter

Die Lage in Potsdam am Mittwoch: Drei weitere Todesfälle im Bergmann-Klinikum

Die Zahl der Infizierten in Potsdam steigt weiterhin. Inzwischen laufen Ermittlungen gegen das Bergmann-Klinikum - die Mitarbeiter nehmen die Klinikleitung allerdings in Schutz.

Von

Potsdam - Die Lage im Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“ bleibt ernst. Am Mittwoch mussten erneut drei verstorbene Patienten vermeldet werden, damit hat sich die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus in Potsdam binnen einer Woche verdreifacht. Unterdessen sind die Ermittlungen angelaufen, warum der Ausbruch zunächst offenbar unbemerkt blieb. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wie ist die Lage in Potsdam?

Drei weitere Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert waren, sind von Dienstag auf Mittwoch in Potsdam gestorben. Alle drei starben im Bergmann-Klinikum, alle drei waren Potsdamer, wie die Stadt am Mittwochabend mitteilte. Dabei handelte es sich um eine 57-jährige Frau, einen 80-jährigen Mann und eine 92-jährige Frau. Alle hätten unter Vorerkrankungen gelitten, hieß es. Die Zahl der in Potsdam verstorbenen Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert waren, ist damit auf 30 gestiegen – am Mittwoch vor einer Woche waren es noch zehn. Die Zahl der Infizierten stieg auf 362, rund 700 befinden sich als Kontaktpersonen ersten Grades in häuslicher Quarantäne. 52 Menschen sind bereits wieder genesen, so die Stadt. Im Bergmann-Klinikum werden derzeit 84 Menschen stationär behandelt, davon 71 auf der Covid-Normalstation und 13 auf der Intensivstation, davon elf beatmet. Im St. Josefs-Krankenhaus sind 34 Personen auf der Covid-Normalstation, zwei weitere werden auf der Intensivstation beatmet.

Dorothea Fischer, Leitende Chefärztin, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Bergmann-Klinikum.
Dorothea Fischer, Leitende Chefärztin, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Bergmann-Klinikum.

© Ottmar Winter

Wie laufen die Ermittlungen ab?

Die Stadt hat die Staatsanwaltschaft am Dienstagabend informiert, dass ein eingeleitetes Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen das städtische Klinikum an die Staatsanwaltschaft abgegeben wird. Diese prüft nun, ob ein Anfangsverdacht wegen strafbarer Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz besteht. Dafür seien aber noch weitere Unterlagen notwendig, etwa der Bericht des Robert-Koch-Instituts, so Oberstaatsanwalt Thomas Meyer am Mittwoch. Eine Straftat könnte zum Beispiel vorliegen, wenn ein vorsätzlicher Verstoß gegen Meldepflichten zur Verbreitung bestimmter Krankheitserreger oder Krankheiten beigetragen hat.

Wie wahrscheinlich ist es, dass Straftaten begangen wurden?

Das ist selbst für Juristen schwer zu beantworten. Bei der Geschäftsführung, bestehend aus Steffen Grebner und Dorothea Fischer, geht es neben dem Aspekt eines möglichen Verstoßes gegen die Meldepflicht um die Frage, ob der Corona-Ausbruch durch ein Versagen des Ausbruchsmanagements, des Betriebsärztlichen Dienstes und mangelnde Hygiene begünstigt wurde – und ob diese Faktoren der Chefetage anzulasten sind. Der Potsdamer Verwaltungsrechtsexperte Thorsten Ingo Schmidt hält das für wenig wahrscheinlich. Dazu müsste den Betreffenden de facto fahrlässige Tötung durch Unterlassen der genannten Handlungen nachgewiesen werden. Dennoch müsse geprüft werden, ob die Geschäftsführung es versäumt habe, etwa in der Frage der etwaigen Verletzung der Meldepflicht, für eine ausreichende Kontrolle zu sorgen. Und: Auch, wenn der Aufsichtsrat des Klinikums, bestehend aus Stadtverordneten und der Vorsitzenden, Gesundheitsdezernentin Brigitte Meier (SPD), bislang nicht im Fokus steht: Juristisch aus dem Schneider ist das Gremium nicht ohne Weiteres. Theoretisch könne auch gegen den Aufsichtsrat strafrechtlich ermittelt werden, wenn es Anhaltspunkte dafür gäbe, dass das Gremium die vom RKI festgestellten Versäumnisse nicht ausreichend kontrolliert habe, sagte der Jurist. Rathauschef Schubert kann nach Ansicht von Schmidt nicht belangt werden. Dieser sei zwar der Gesellschaftervertreter, haftbar zu machen seien aber lediglich die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat.

Klinikumschef Steffen Grebner. 
Klinikumschef Steffen Grebner. 

© Ottmar Winter

Was halten die Stadtverordneten von den Ermittlungen?

Die Stadtpolitik begrüßt die Entscheidung, hier die Staatsanwaltschaft ermitteln zu lassen – SPD, Linke, CDU und Grüne äußerten sich dementsprechend. Nur so könne das Vertrauen in die Klinik wiedergewonnen werden, sagte etwa CDU-Fraktionschef Götz Friederich den PNN. Im Übrigen seien es die Stadtverordneten selbst gewesen, die Schubert zu diesem Schritt gedrängt hätten. Nur die Staatsanwaltschaft als neutrale Behörde könne überprüfen, ob hier möglicherweise fahrlässig Menschen einer Gefahr ausgesetzt wurden. Wenn die Stadt selbst, die ja Gesellschafter der Klinik ist, prüfe, habe es ein „gewisses Geschmäckle“, so Friederich. Auch Grünen-Fraktionschefin Janny Armbruster bezeichnete es als richtige Entscheidung, nicht nur die Ärzte, sondern auch die Klinikleitung zu überprüfen. „Es gibt nun zwei Möglichkeiten“, sagte sie. Entweder sei ein individueller Fehler passiert, der Konsequenzen haben müsse. Oder das Ganze habe strukturelle Ursachen und hier lägen Fehler in der Organisation und im Qualitätsmanagement vor. „Ich persönlich glaube, nach allem was bislang zu hören und zu lesen war, Letzteres. Die Organisation war für diese Art von Krisenmanagement nicht aufgestellt.“

Was sagen die Mitarbeiter im Klinikum?

Für manche Mitarbeiter im Bergmann-Klinikum sind die Ermittlungen ein Affront. Einer von ihnen äußerte sich am Mittwoch in einem offenen Brief an Mike Schubert und übte deutliche Kritik am Oberbürgermeister. Die Klinikleitung habe intern schnell gestartet, Ideen aufgenommen, hausinterne Umzüge organisiert, so der anonyme Autor des Briefes. Die Stadt verstehe nicht, dass man das Sterben nicht verhindern könne und es stattdessen darum gehe, möglichst gut vorbereitet zu sein auf eine Welle, die vielleicht komme. „Und was machen Sie?“, fragt er Schubert. „Sie schwingen die Keule und hauen in die Moral der Mitarbeiter. Zeigen mit dem Finger auf Leitende Ärzte, die vermutlich damit beschäftigt waren, Patienten zu verlegen und sich um die aktuelle Corona-Krise zu kümmern.“ Auch eine Ärztin, die im Klinikum arbeitet und ebenfalls anonym bleiben will, bewertet das Krisenmanagement der Klinikleitung positiv. Es sei von Anfang an Transparenz gezeigt und klar kommuniziert worden, sagte sie den PNN. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir da in etwas hineingeschlittert sind.“ Patienten mit und ohne Coronainfektion seien räumlich getrennt, in Abteilungen, in denen es Fälle gab, werde nur noch mit Mundschutz gearbeitet. Sie stellte auch die These auf, dass die hohe Zahl an Infektions- aber auch Todesfällen mit der breit angelegten Testung im Haus zu tun haben könnte. In anderen Häusern bleibe es hingegen womöglich unentdeckt, wenn ein Verstorbener neben anderen Krankheiten auch mit dem Coronavirus infiziert war.

Warum gibt es Planungen für ein Ersatzkrankenhaus?

Schon seit Anfang März laufen nach Angaben der Gesundheitsbeigeordneten Brigitte Meier (SPD) in Potsdam die Planungen für den Aufbau eines sogenannten Ersatzkrankenhauses. Man habe sich am Anfang die Fallverläufe angeschaut und festgestellt, dass die Betten in den Potsdamer Krankenhäusern nicht reichen würden, sollte sich das Virus ungebremst weiter ausbreiten. Deshalb habe die Potsdamer Feuerwehr den Auftrag bekommen, den Aufbau eines weiteren Krankenhauses vorzubereiten – nach Braunschweiger Vorbild. In der 250 000-Einwohner-Stadt wird derzeit in einem Hotel ein Behelfskrankenhaus eingerichtet, wo ab Mai Patienten ohne Corona-Infektion aufgenommen werden sollen, um die anderen Kliniken der Stadt zu entlasten. In Potsdam werde ein zusätzliches Krankenhaus aber nicht zum Zuge kommen, prophezeite Meier. Schließlich hätten die Eindämmungsmaßnahmen zu einer Abflachung der Kurve geführt. 

Zur Startseite