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Externe Visite. Experten des Robert-Koch-Instituts nahmen die Abläufe im Klinikum am Freitag unter die Lupe. Für ihren Bericht fehlen aber noch Zahlen. Foto: Andreas Klaer

© Andreas Klaer

Die Lage in Potsdam am Freitag: 95 Corona-Patienten in stationärer Behandlung

Im städtischen Klinikum bleibt die Lage ernst. Man wartet auf das Urteil des Robert-Koch-Instituts. Die Zahl der Infizierten steigt indes weiter.

Potsdam - Nach dem Coronaausbruch am Potsdamer Bergmann-Klinikum ist dort ein weiterer Patient verstorben. Es handelt sich um einen 76 Jahre alten Mann, der zuvor in der Urologie behandelt wurde, wie das Klinikum am Freitag mitteilte. Damit sind in dem Haus seit dem 26. März bereits neun Menschen an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben, also im Schnitt täglich mindestens ein Patient. Außerdem ist nach einem über Tage nicht entdeckten Corona-Ausbruch, der vor allem die für Senioren zuständige Geriatrie betroffen hat, rund ein Viertel der aktuell noch 360 Patienten infiziert, desgleichen mehr als 80 Mitarbeiter. Wie lang unter diesen Umständen der verhängte Aufnahmestopp für das Haus aufrecht erhalten bleibt, ist unklar. Die PNN geben einen Überblick der Lage.

Wie ist die Lage am Klinikum?

Ernst, das zeigt sich schon an dem weiteren Verstorbenen. Allerdings ist die Zahl der infizierten Patienten am Freitag nur noch gering angestiegen: Es sind 79, einer mehr als am Vortag. Davon liegen 13 auf der Intensivstation – wegen des Todesfalls einer weniger als am Vortag.

Laut Klinikspitze hatte es in dem Haus am vergangenen Wochenende eine auffällige Anzahl positiver Tests auf das Coronavirus gegeben, wobei viele Infizierte laut Klinikum keine Symptome zeigten – danach entschied das Gesundheitsunternehmen, alle stationären und geplanten Patienten sowie alle Mitarbeiter zu testen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden nun wegen der Überlastung in den Laboren der Region mit ein bis vier Tagen Verzug bekannt. So erhöhte sich am Freitag die Zahl der infizierten Mitarbeiter sprunghaft von 63 auf 83. Diese Mitarbeiter würden bis zur Gesundung nach Hause geschickt und dürften nicht mehr arbeiten, sagte Stadtsprecher Stefan Schulz den PNN auf Anfrage.

Momentan nimmt die Klinik nur noch unabweisbare Notfälle und Schwangere ohne ihre Partner zur Entbindung auf, das hatten das Gesundheitsamt und Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) am Mittwoch entschieden.

Oberbürgermeister Mike Schubert und Sozialdezernentin Brigitte Meier verkündeten am Mittwoch den Aufnahmestopp. Foto: Ottmar Winter PNN
Oberbürgermeister Mike Schubert und Sozialdezernentin Brigitte Meier verkündeten am Mittwoch den Aufnahmestopp. Foto: Ottmar Winter PNN

© Ottmar Winter PNN

Wann wird das Klinikum wieder öffnen?

Das ist zum jetzigen Zeitpunkt ungewiss. „Das Robert-Koch-Institut wird dem Gesundheitsamt nun bis Anfang kommender Woche einen schriftlichen Bericht übergeben, in dem auch Handlungsempfehlungen stehen werden“, sagte Schubert. Die im Bericht empfohlenen Maßnahmen würden dann „im Klinikum sorgsam“ umgesetzt. „Wann und in welchen Schritten das Klinikum wieder den Vollbetrieb aufnehmen kann, können wir erst nach Vorliegen des RKI-Berichts und in Abstimmung mit den Medizinern entscheiden“, stellte Schubert klar.

Das Klinikum erklärte unterdessen, man unterstütze das St. Josefs Krankenhaus aufgrund des dort erhöhten Patientenaufkommens mit weiteren Mitarbeitern. Ferner informierte das gemeinnützige Unternehmen über den Aufbau einer zweiten Corona-Station mit 36 weiteren Betten, die bereits zur Verfügung stehen. Ab 13. April soll eine weitere Station für Covid-19-Patienten mit 24 Betten ans Netz gehen.

Wie hat das Robert-Koch-Institut die Lage vor Ort wahrgenommen?

Das ist bislang nicht bekannt. Die zentrale Bundeseinrichtung für Krankheitsüberwachung und -prävention hatte am Freitag mehrere Experten nach Potsdam geschickt. „Es sollen Prozesse und Verfahren vorgestellt werden, wie das Klinikum mit Covid-19-Patienten umgegangen ist, wie man die Trennung von anderen Patienten vorgenommen und die Isolierstation eingerichtet hat“, sagte Stadtsprecher Stefan Schulz. Doch es ist noch unklar, wann das RKI seinen Bericht überhaupt liefern kann, denn vom Klinikum liegen dem städtischen Gesundheitsamt „immer noch nicht alle Zahlen“ vor, sagte ein Sprecher des Brandenburger Gesundheitsministeriums den PNN und ließ Kritik am Umgang des Klinikums mit der Krise mitschwingen: Diese Zahlen seien „natürlich eine notwendige Grundlage für die vollständige Ausbruchs-Analyse“.

Wie konnte sich das Virus im Klinikum derart verbreiten?

Die Ursachenforschung läuft. Eine PNN-Anfrage an das Klinikum, ob zwischenzeitlich gelockerte Bestimmungen bei Handschuhen und Schutzmasken ein Grund sein könnten, beantwortete Klinikumssprecherin Theresa Decker mit dem Hinweis: „Die Hygienebestimmungen wurden nicht gelockert, sondern es galten weiterhin die Anforderungen des RKI.“ Wie berichtet hatte das Klinikum im Zuge der Krise – wie andere Häuser in Deutschland auch – über knapper werdendes Material geklagt. 

Daher hatte die Leitung des Hauses – also Geschäftsführer Steffen Grebner und die medizinische Direktorin Dorothea Fischer – einem „Ressourcen schonenderen Umgang“ mit Klinikmaterial angekündigt. So sollten zum Beispiel Mund-Nasen-Schutzmasken nur noch bei Arbeiten „mit direktem Kontakt mit Haut, Schleimhaut, Ausscheidungen und bei Wunden bei Patienten mit multiresistenten Erregern getragen“ werden – sowie von Mitarbeitern „bei möglichen Erkältungssymptomen zum Schutz der Patienten“, wie das städtische Unternehmen am 20. März erklärt hatte. 

Inzwischen gilt eine Maskenpflicht. Schulz sagte, alle seien angewiesen worden, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, das gelte auch in den Büros und der Verwaltung. Im Umgang mit Patienten würden auch spezielle Masken getragen, die dicht am Gesicht abschließen und filtern. Die Klinikumssprecherin erklärte ferner, die Corona-infizierten Patienten müssten sich nicht innerhalb des Klinikums angesteckt haben: „Patienten können auch, sofern sie symptomfrei sind, schon Covid-positiv eingeliefert oder aufgenommen worden sein.“

Testet das Klinikum genug?

Ja – dies sagt zumindest Klinikumssprecherin Decker. Sie antwortete am Donnerstagabend auf eine PNN-Anfrage: Seit dem 16. März habe man 3347 Personen getestet, neben Patienten auch 1324 von 2370 Mitarbeitern. Am Freitag hieß es, seit Donnerstag habe man noch einmal 392 Mitarbeiter getestet – die Ergebnisse stünden aber noch aus. „Es wird absteigend getestet nach Priorität, vom Arzt bis zur Reinigungskraft“, so Stadtsprecher Schulz. 

Ein Problem: Die Ergebnisse treffen laut Klinikum erst nach ein bis vier Tagen ein, je nach Labor. So lange können möglicherweise infizierte Menschen unerkannt im Krankenhaus unterwegs sein. Decker sagte, in den betroffenen Stationen, in denen bereits infizierte Patienten entdeckt worden seien, würden die Tests nach drei Tagen wiederholt – das betreffe die Urologie, Gastroenterologie, Allgemeinchirurgie, Nephrologie, Pulmologie und eben auch die Geriatrie.

Wie läuft jetzt der Betrieb am Klinikum?

Das Klinikum erklärte, zum Beispiel am Donnerstag habe man nur sechs Patienten aufgenommen, etwa wegen Schlaganfällen. Normalerweise seien es 130 Aufnahmen am Tag. Für Bürger hat das Klinikum ein Info-Telefon zur Lage geschaltet, das an Werktagen unter Tel.: (0331) 241 369 22 zu erreichen ist.

Das Klinikum ist das Schwerpunktkrankenhaus für 500000 Menschen in der Region.
Das Klinikum ist das Schwerpunktkrankenhaus für 500000 Menschen in der Region.

© Lutz Hannemann

Wie ist die Lage in Potsdam an sich?

Die Zahl der insgesamt in Potsdam mit dem Coronavirus infizierten Menschen hat sich am Freitag abermals deutlich erhöht. Sie stieg binnen 24 Stunden von 203 auf 229. 95 dieser Erkrankten werden derzeit stationär behandelt, neben dem Bergmann-Klinikum auch 16 im St. Josefs-Krankenhaus. Insgesamt 14 Patienten befinden sich auf der Intensivstation, bis auf eine Ausnahme alle im Bergmann-Klinikum. Zehn dieser Intensiv-Patienten müssen künstlich beatmet werden, ringen also mit dem Tode. Bisher sind insgesamt 12 zuvor infizierte Menschen in Potsdam gestorben.

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Damit hat sich die Zahl an Covid-19 erkrankter Potsdamer binnen sieben Tagen verdreifacht. Aktuell entfallen damit auf 100 000 Einwohner in Potsdam 122 mit dem Virus Infizierte. Zum Vergleich: Deutschlandweit lag diese Zahl laut RKI-Statistik von Freitagvormittag bei 96, in Brandenburg bei 43. Spitzenreiter in dieser Erfassung ist Bayern mit 155 Infizierten je 100 000 Einwohner, in Mecklenburg-Vorpommern sind es lediglich 29.

Die Hoffbauer-Stiftung teilte indes am Freitagabend mit, eine bereits bettlägerige 82-Jährige aus dem Pflegeheim auf Hermannswerder sei nach drei Tagen Aufenthalt im St. Josefs Krankenhaus positiv auf eine Corona-Infektion getestet worden. Vorsorglich habe man die Mitarbeiter des Pflegeheims testen lassen, sagte Hoffbauer-Chef Frank Hohn den PNN. Man sehe derzeit keine Anzeichen für einen Ausbruch, betonte er.

Stark angestiegen ist die Zahl der Potsdamer, die sich wegen eines direkten Kontaktes zu einem Infizierten in häuslicher Isolation befinden – von 350 am Donnerstag auf 580 am Freitag. Zuvor war sie stark gesunken, weil für einen Teil der Menschen nach Ablauf von zwei Wochen die häusliche Isolation nach RKI-Kriterien wieder aufgehoben werden konnte.

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