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Pressekonferenz zur Corona-Lage in Potsdam. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD, rechts) und der Ärztliche Direktor am Klinikum Ernst von Bergmann, Prof. Dr. Thomas Weinke.

© Andreas Klaer

Die Lage am Freitag in Potsdam: Oberbürgermeister: Die Lage wird sich verschlimmern

Zwei Tote und die Zahl der Infizierten steigt weiter. Hunderte Testergebnisse stehen aus und der Oberbürgermeister warnt vor einer dramatischen Entwicklung.

Potsdam - Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) fand eindringliche Worte, als er am Freitag um 11.42 Uhr per Internet-Livestream vor die Öffentlichkeit trat. Er sprach über die beiden Senioren, die am Donnerstagabend und Freitagmorgen verstorben sind. Sie sind die ersten Potsdamer Todesopfer der Corona-Pandemie. Schubert sagte, er „lese und höre Stimmen“, dass diese 80 und 88 Jahre alten Männer mit ihren Vorerkrankungen ohnehin bald gestorben wären. „Ich wünsche mir, dass wir solche Erklärungsmuster aus unseren Debatten verbannen. Wir dürfen nicht abstumpfen. Wir müssen in unseren Debatten menschlich bleiben.“ Sein tiefes Mitgefühl gelte denen, die den Verstorbenen nahestanden.

Eindringliche Warnung des Oberbürgermeisters

Zugleich bereitete der Rathauschef die Potsdamer darauf vor, dass sich die Lage verschlimmern dürfte. Er verwies auf Berichte über die Krankheitsverläufe in anderen Ländern. „Wir werden, wenn die Entwicklung so weitergeht, in den kommenden Tagen in unseren Krankenhäusern Situationen erleben, in denen Ärzte Entscheidungen treffen müssen, die an emotionale und schlimmstenfalls ethischen Grenzen gehen.“ Und: „Das, was da vor uns liegt, wird nicht schnell vorbei sein.“

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Erneut ist ein Bewohner einer Pflegeeinrichtung positiv getestet worden. In einer Seniorenresidenz war bereits ein infiziertes Ehepaar gemeldet worden. Mehr als 550 Potsdamer befinden sich aktuell in häuslicher Isolation.

Schubert erinnerte auch daran, dass die Stadt vor zwei Wochen, am 14. März, den ersten Corona-Infizierten meldeten. Bis Freitagnachmittag waren 87 Personen erkrankt, die meisten stammen aus Babelsberg und Potsdam-West. Von ihnen liegen 24 Menschen im Bergmann-Klinikum und im Josefs-Krankenhaus mit einer Covid-19-Erkrankung. Davon befinden sich acht Patienten auf der Intensivstation, sechs werden künstlich beatmet – Tendenz steigend. Allesamt seien über 70, zum Teil über 80 Jahre alt, sagte der ärztliche Direktor des Klinikums, Thomas Weinke. Anhand von Modellrechnungen schilderte der Mediziner, dass etwa fünf Prozent aller Erkrankten in die Krankenhäuser müssten. Rund 25 davon müssten in die Intensivstation, rund 50 Prozent dieser besonders schweren Fälle könne man retten. Angesichts dessen sei mit steigenden Todeszahlen zu rechnen, so Weinke.

Allerdings seien vier Erkrankte inzwischen wieder gesund entlassen worden, betonte der Mediziner. Und: Andere Notfälle – zum Beispiel nach Unfällen oder bei Herzinfarkten – könnten im Klinikum weiter behandelt werden. Es bestehe kein Ansteckungsrisiko: „Wir haben entsprechende Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet.“ Für Bagatellkrankheiten empfehle man die Hausärzte. „Bitte verstopfen sie nicht unsere Notaufnahmen.“

Mahnung der Polizei

Auch Schubert appellierte an die Potsdamer, möglichst zu Hause zu bleiben. Trotz des schönen Wetters werde er „niemanden animieren, nach draußen zu gehen.“ Das Potsdamer Polizeipräsidium warnte in einer am Freitag verbreiteten Erklärung, dass die geltenden Kontaktverbote und Abstandsregeln auch auf den Gewässern in und um die Stadt gelten. So seien zum Beispiel mehrere Familien auf einem Motorboot oder Floß nicht erlaubt, auch das Liegen mehrerer Boote im sogenannten Päckchen widerspreche dem Sinn der Verordnungen. Zudem sei die Nutzung von Marinas, Bootsvereinen, Häfen, Wassertankstellen, Werften, Schleusen und anderen Einrichtungen aufgrund der aktuellen Beschränkungen ebenfalls nicht oder nur eingeschränkt möglich, so die Polizei – nur der eigene Liegeplatz könne genutzt werden. Die Wasserschutzpolizei werde die Vorgaben „mit Augenmaß“ kontrollieren, hieß es.

Eines der in Potsdam eingerichteten Abstrichzentren – jenes auf dem Gelände des St. Josefs-Krankenhauses – ist nun seit Freitag in das Haus 2 des Verwaltungscampus in der Jägerallee umgezogen, teilte Amtsärztin Kristina Böhm mit. Ein zweites Testzentrum befindet sich in einer früheren Kita in der Pietschkerstraße Am Stern. Beide Einrichtungen würden nun gänzlich von der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) betrieben, die Tests würden über Krankenkassen abgerechnet. „Die Wartezeiten vor Ort halten sich in Grenzen“, so Böhm. Allerdings dauere es, bis ein Testergebnis vorliege. Derzeit warte man auf die Ergebnisse einer dreistelligen Anzahl von Abstrichen, sagte Böhm. Das liege auch daran, dass die Labore in Berlin viel zu tun hätten.

Bereit zum Test. Das Abstrichzentrum des St. Josefs-Krankenhauses ist in das Haus 2 des Verwaltungscampus umgezogen.
Bereit zum Test. Das Abstrichzentrum des St. Josefs-Krankenhauses ist in das Haus 2 des Verwaltungscampus umgezogen.

© Andreas Klaer

Schubert wiederum bestätigte bei der Pressekonferenz, dass die Schutzausrüstung für medizinisches Personal knapp wird. Daher müsse man nun Schutzmaterial überlegt aufteilen und bevorraten, „für die, die das wirklich brauchen.“ Wie berichtet hat das Klinikum die Potsdamer zum Nähen von Mundschutzmasken aufgerufen. Ferner appellierte Schubert einmal mehr, dass der Kampf gegen das Virus in der Region Brandenburg und Berlin gemeinsam koordiniert und abgestimmt werden müsse. Er gehe von einer Lage aus, die wahrscheinlich „in verschiedenen Ausprägungen“ noch rund 12 Monate andauern könne – wenn es auch Veränderungen bei den Regeln und Verboten geben könnte, so Schubert. (mit vab)

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