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Landeshauptstadt: „Die Garnisonkirche soll eine Schule des Gewissens werden“

Burkhart Franck von der Garnisonkirchen-Fördergesellschaft über das Wiederaufbauprojekt, die Argumente der Gegner und die Streitkultur der Debatte

Herr Franck, im Bürgerbegehren gegen die Garnisonkirche wurden inzwischen 11 000 Unterschriften gesammelt. Haben Sie persönlich je mit so viel Gegenwind gerechnet?

Es gab zu Beginn mehr Gegenwind. Als wir in den 1990ern mit dem Projekt des Wiederaufbaus begonnen haben, war tatsächlich eine gefühlte Mehrheit in Potsdam dagegen. Mit den Jahren hat sich das verändert, da haben sich aus meiner Sicht die Mehrheiten zugunsten des Wiederaufbaus verschoben.

Im Augenblick bestimmen aber die Gegner die Debatte.

Der Versuch der Wiederaufbaugegner, die Deutungshoheit zu gewinnen, wird vermutlich auf die Zeit des Wahlkampfs begrenzt bleiben. Das Thema hilft doch vor allem der Wählergruppe Die Andere, die sich – neuerdings zusammen mit der Linken – an dem Wiederaufbau abarbeitet. Für sie ist das ein Mittel, die eigenen Leute zu mobilisieren. Es werden dabei jene Kreise erreicht, die ohnehin gegen das Projekt sind. Ich glaube aber auch, dass die 13 500 nötigen Unterschriften zusammenkommen.

Dann stünde womöglich ein Bürgerentscheid an ...

Selbst wenn dieser Entscheid im Sinne der Gegner des Wiederaufbaus erfolgreich wäre, würde dann der Oberbürgermeister nur damit beauftragt, gegen seine Überzeugung die Auflösung der Stiftung zu beantragen – was von den anderen Mitgliedern des Stiftungskuratoriums vermutlich abgelehnt würde. Auf der anderen Seite gibt es für den Wiederaufbau eine gültige Baugenehmigung, die durch Beschlüsse der Stadtverordneten zum Wiederaufbau und zur Wiederannäherung an die historische Potsdamer Mitte legitimiert ist.

Doch wäre das Signal, wenn sich eine Mehrheit der Potsdamer gegen den Wiederaufbau ausspräche, verheerend für das Projekt.

Das Signal wäre, dass laut den Regeln für einen derartigen Entscheid mehr als 25 Prozent der Potsdamer mobilisiert würden und davon eine Mehrheit dagegen wäre. Wir sehen den Wiederaufbau aber – wie die Bundesregierung übrigens auch – als ein Vorhaben von nationaler, also deutschlandweiter Bedeutung an. Und im übrigen Deutschland wird der aktuelle örtliche Aufruhr nicht verstanden.

Woran machen Sie das fest?

Dieser wahlbedingte Aufruhr spielt sich ausschließlich in den Potsdamer Medien und in der Bloggerszene der Potsdamer Wiederaufbaugegner ab. Etwa die Hälfte unserer 900 Mitglieder und der zirka 2000 Spender wüsste davon nichts, wenn wir sie nicht ab und zu informieren würden. Sie reagieren darauf meist mit Unverständnis und der Frage, warum die Potsdamer sich denn selber ein Bein stellen wollen.

Hat sich denn durch die Debatte – möglicherweise als Gegenbewegung – auch ein erhöhter Zulauf an Mitgliedern und Spendern ergeben?

Wegen der Kampagne hat es zwar einige Eintritte neuer Mitglieder gegeben. Eine Gegenbewegung ist aber nicht zu erkennen. Wir werden aber von unseren Partnern im Bündnis Potsdamer Mitte und von unseren Potsdamer Mitgliedern gefragt, warum wir den Gegnern des Wiederaufbaus nicht auch auf der Straße deutlicher entgegentreten. Meine Antwort ist, dass wir uns nicht auf dieselbe Ebene demagogischer Behauptungen begeben dürfen und einen anständigen Stil beibehalten müssen. Wenn man sich in dieser Debatte etwa im Internet auf die Bloggerebene begibt, läuft man Gefahr, dass man besudelt wieder herauskommt. Lieber teilen wir positive Fakten mit, etwa die Aufstellung der Wetterfahne oder die Veranstaltung mit Vize-Kanzler Sigmar Gabriel, der sich so eindeutig für den Wiederaufbau ausgesprochen hat.

Sie sprechen es an: Der Ton der Debatte verschärft sich. Der Historiker Andreas Kitschke, der den Wiederaufbau aktiv begleitet, hat jetzt den Gegnern vorgeworfen, an ihren Ständen Lügen zu verbreiten und eine sachliche Debatte angemahnt. Welche Behauptungen ärgern Sie persönlich?

Zum Beispiel der typische Satz: „Da soll eine Nazi-Kirche aufgebaut werden.“ Dabei wurde die Kirche am sogenannten Tag von Potsdam am 21. März 1933 nur für rund 45 Minuten von der NS-Regierung als Ort für ihre Propaganda verwendet – und zwar gegen den Willen der Kirchenführung. Die Pastoren der Garnisonkirche hatten zwar überwiegend eine nationalkonservative Prägung, haben sich aber nie von den Nationalsozialisten vereinnahmen lassen. Ebenso wird die Garnisonkirche entgegen aller Behauptungen eine Zivil- und keine Militärkirche sein – Letzteres gibt es in Deutschland gar nicht. Solche Vorwürfe werden wider besseres Wissen erhoben.

Sie sprechen von einer Fokussierung auf den Tag von Potsdam.

Diese Diskussion ist ermüdend und wird immer wieder bedient, leider auch von den Medien. Mich ärgert die Tatsache, dass am Schluss jeder Meldung zur Garnisonkirche in monotoner Wiederholung der Tag von Potsdam erwähnt wird – als ob die Leser das nicht schon 137-mal gelesen hätten. Es gab an der Garnisonkirche so viele andere Ereignisse, etwa für die „Preußische Union“ von 1817 als erste gelungene Ökumene in Deutschland oder die Bindung vieler Offiziere des 20. Juli 1944 an diese Kirche oder die Zerstörung während der Nacht von Potsdam 1945 und durch die Sprengung. Das alles wird in diesen Artikeln ausgeblendet. Stattdessen wird unser zweit- oder drittrangiges Ziel erwähnt – die städtebauliche Heilung der Potsdamer Mitte. Wir wollen aber in erster Linie die Kirche als eine Schule des Gewissens wiederaufbauen – als einen Ort, an dem nachgedacht wird, wie konkretes Handeln aus christlicher Verantwortung heraus aussehen soll. Es geht um eine Symbolkirche, in der Lehren aus der Vergangenheit für die Zukunft gezogen werden sollen.

Doch aktiv haben Sie sich bis vor Kurzem in der Öffentlichkeit kaum gegen die Argumente der Gegenseite gewehrt.

Wir sind bemüht, den Leuten von der Verhinderungsinitiative mit Güte, Milde und Nachsicht zu begegnen, wir wollen uns nicht auf ihre polemische Ebene begeben. Sie haben behauptet, wir hätten sie beschimpft und bedroht. Das habe ich nie erlebt, ich glaube auch nicht, dass ältere Gottesdienstbesucherinnen junge, kräftige Demonstranten überhaupt bedrohen können. Trotzdem habe ich unsere Mitglieder und Freunde noch einmal ausdrücklich darum gebeten, sich nicht provozieren zu lassen, denn das ist nicht unser Stil.

Vonseiten der Bürgerinitiative wird Ihnen persönlich der Ausspruch vorgeworfen, dass unter den Gegnern des Projekts nicht nur kirchenhassende Kommunisten seien, sondern auch andere Menschen mit geringen Geschichtskenntnissen oder verzerrtem Weltbild, „die noch heute der Propaganda von Goebbels und der SED zum Tag von Potsdam aufsitzen“.

Das war eine aus dem Zusammenhang gerissene Wiedergabe meiner Aussage, die ihren Sinn in sein Gegenteil verdreht hat. Tatsächlich habe ich schriftlich auf einen Eintrag in unserem Gästebuch auf der Internetseite reagiert und und geschrieben, dass es nicht nur kirchenhassende Kommunisten, sondern auch andere Gegner sind. In meinem Folgebeitrag habe ich auch klargestellt, dass es auch Gegner aus anderen, nicht ideologischen Motiven gibt. Ich habe damit die Gegner gegen die Unterstellungen in Schutz genommen, die mir nun als meine Meinung in die Schule geschoben werden. Man kann das alles in unserem Gästebuch unter „Meinungen“ nachlesen.

Dennoch wird die Debatte immer schärfer geführt. Wie wollen Sie für Deeskalation sorgen?

Zunächst meine ich, dass eine ausgewogene Berichterstattung in unserer Presse zur Deeskalation beitragen würde. Wir werden weiter versuchen, mit positiver Arbeit Unterstützer zu gewinnen, die das Projekt nicht als rückwärtsgewandt begreifen. Und Sie werden sehen: Wenn die Kirche einmal steht, werden viele Kritiker von der Schönheit des Baus überzeugt sein – wie es auch beim Stadtschloss gewesen ist. Ich hoffe auf einen Baubeginn im nächsten Jahr.

Hat das Image des Projekts auch gelitten, weil der Bund eine Zwölf-Millionen-Euro-Förderung zugesagt hat?

Das wird natürlich behauptet. Doch es hat nie jemand gesagt, dass wir keine Fördermittel annehmen würden – das wäre auch dumm. Wir haben das Projekt am Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche orientiert – dort kamen ein Drittel aus der öffentlichen Geldern und zwei Drittel von Privatspendern, und diese zum großen Teil über die Dresdner Bank.

Wie sind Sie eigentlich persönlich dazu gekommen, sich für den Wiederaufbau der Kirche zu engagieren?

Ich bin 1993 nach Potsdam gezogen und habe gesehen, wie schön die Stadt ist – und wie sie noch schöner werden könnte. Das ist übrigens auch so ein absurdes Argument der Gegner, dass der Wiederaufbau nur von Neu-Potsdamern organisiert würde. Ressentiments gegen Zugezogene ist für mich Fremdenfeindlichkeit. Vor allem Zugezogene wie Lenné, Stein, Scharnhorst, Gneisenau, die Hohenzollern und andere haben Potsdam dahin gebracht, wo es heute steht. Das Ressentiment richtet sich oft in besonderer Schärfe gegen frühere Potsdamer, die die Stadt noch in ihrer alten Schönheit gekannt haben und nun zurückgekommen sind. Sind das nun Zugezogene? Besteht nicht auch ein Teil der Wiederaufbaugegner aus Zugezogenen? Ein Teil der vom AStA (der Studierendenausschuss der Universität – Anm. d. Red.) mobilisierten Gegner ist noch nicht einmal zugezogen und kennt Potsdam nur flüchtig. Aber ich halte dieses Argument für dumm und benutze es nicht, weil Engagement und Verständnis für die Stadt wichtiger sind als die Sitzdauer am Standort.

Macht es bei all dem Gegenwind überhaupt noch Spaß, sich zu engagieren?

Wenn die Diskussion sachlich geführt wird, macht sie Freude. Die bisherigen Gespräche waren aus meiner Sicht bereits so wertvoll wie eine halbe wiederaufgebaute Garnisonkirche. Deshalb freue ich mich auf die Zeit nach dem Wahlkampfgetöse und darauf, dass die Gegner des Wiederaufbaus dann hoffentlich für ein sachliches Gespräch wieder zu haben sind.

Das Interview führte Henri Kramer

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