zum Hauptinhalt
Der Potsdamer Weihnachtsmarkt durfte nur Montag und Dienstag öffnen - es galt die 2G-Regel.

© Ottmar Winter

Die Corona-Lage in Potsdam: Potsdam kehrt zurück in den Notmodus

Wegen der Infektionslage gelten ab Mittwoch in Potsdam neue Beschränkungen in vielen Bereichen. Ein Überblick und Reaktionen.

Potsdam - Die rasant gestiegenen Corona-Zahlen und der von der Landesregierung ab heute verhängte Teillockdown für Ungeimpfte sorgen auch in Potsdam für viele Reaktionen. Ein Überblick. 

Wo gelten in Potsdam neue Regeln?

Zum Beispiel in den Schwimmhallen. Demnach können ab dem heutigen Mittwoch nur noch Geimpfte und Genesene das Freizeitschwimmen am Luftschiffhafen und im Bad blu besuchen, kündigte eine Stadtsprecherin gegenüber den PNN an. Bisher konnten auch getestete Personen diese Schwimmhallen nutzen. Für die Einführung von 2Gplus – also Einlass nur für Geimpfte und Genesene plus Test – fehle derzeit noch die rechtliche Grundlage, hieß es vom Rathaus. Auch für Museen gilt nun zum Beispiel generell 2G, ebenso für Fitnessklubs, Indoor-Spielplätze, Kinos, Theater oder Friseure.

Was ist mit dem Weihnachtsmarkt?

Auf dem Bassinplatz war es am Dienstag verhältnismäßig voll. Viele wollten dem Weihnachtsmarkt noch einen Besuch abstatten - um Mitternacht war Schluss. Nach der kurzfristig erst am Montag angekündigten landesweiten Weihnachtsmarkt-Absage war auf dem gerade erst eröffneten Markt „Blauer Lichterglanz“ die Empörung bei Betreibern und Händlern groß. Obwohl man sogar die 2G-Regel umsetzen wollte, werde man nun bestraft, sagte Veranstalter Eberhard Heieck von der Organisationsfirma Coex. Dabei hätten Händler fünfstellige Summen für ihre Waren investiert, auf denen sie nun sitzen bleiben würden. Der Aufbau des Markts mit zum Beispiel dem Riesenrad auf dem Bassinplatz habe allein rund 100 000 Euro gekostet, schätzte Heieck.
„Viele unserer Kollegen sind wütend und enttäuscht, weil sie ihr Geld verlieren“, sagte der Besitzer eines Keramikstandes, der aus Polen nach Potsdam angereist ist. Er werde nun versuchen, auf anderen Weihnachtsmärkten außerhalb Deutschlands seine Waren zu verkaufen. Besonders Essenshändler trifft es hart. Diese können ihre Ware nicht einlagern oder nächstes Jahr verkaufen, sagte ein Süßwarenhändler, der seit 27 Jahren einen Stand auf dem Markt betreibt: Bis zu 8000 Euro habe er für Ware und Platzgebühr ausgegeben. Insgesamt sei die Stimmung sehr schlecht. Wenn die Märkte von vornherein abgesagt worden wären, hätte das den Standbesitzern viel Arbeit und Geld erspart, hieß es vielfach.

Welche Hilfen gibt es für Weihnachtsmarkthändler?

Das Wirtschaftsministerium versprach schnelle Unterstützung: Veranstaltern, Standbetreibern und Schaustellern stünden die beiden Wirtschaftshilfen Überbrückungshilfe III Plus und Neustarthilfe Plus bis Ende Dezember zur Verfügung, erklärte Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). Ersteres können Unternehmen beantragen, die einen coronabedingten monatlichen Umsatzeinbruch in Höhe von 30 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat 2019 aufweisen. Erstattet werden die betrieblichen Fixkosten sowie mit 20 Prozent die Personalkosten, die nicht vom Kurzarbeitergeld erfasst sind. Nicht erstattet würden Unternehmerlöhne. Die Neustarthilfe Plus richtet sich unter anderem an Soloselbstständige. Sie können einmalig 50 Prozent des im Vergleichszeitraum erwirtschafteten Umsatzes erhalten, maximal 4500 Euro. Anträge können zum Beispiel über Steuerberater gestellt werden.

Wie ist die Lage an Kitas und Schulen?

Angespannt. Das Potsdamer Gesundheitsamt, das wie berichtet bei der Kontaktverfolgung an Schulen deutlich rigoroser vorgeht als anderswo in der Mark, versetzte am Dienstag vier weitere Klassen in Quarantäne – etwa aus dem Helmholtz-Gymnasium und der Grundschule am Priesterweg. Die Grippesaison sorgt zudem bei den Trägern auch jenseits von Corona für Personalausfälle: So sind etwa beim Kitaträger Fröbel rund elf Prozent des Personals in Potsdam krankheitsbedingt nicht im Einsatz, wie ein Sprecher sagte.

Auch beim Kitaelternbeirat beobachtet man die Lage „sorgenvoll“, wie Robert Witzsche den PNN sagte. Das konsequente Vorgehen des Gesundheitsamtes bei Infektionsfällen an Kitas und Horten befürworte man. Es gebe von der Stadt zudem die Zusage, dass die Kosten für Tests auch für geimpfte Erzieher:innen und Lehrer:innen aus der Stadtkasse übernommen werden – das Land wolle dafür nicht bezahlen. Witzsche mahnt eine bessere Kommunikation zwischen Schulen und Horten an: So komme es vor, dass die Kinder früh in der Schule gut in getrennten Kohorten betreut werden, was sich im Hort oder AG-Angeboten am Nachmittag aber auflöse, so dass sich im Infektionsfall „ganze Klassenstufen potenziell anstecken und in Quarantäne gehen“. 

Die Aufhebung der Präsenzpflicht an Schulen begrüßt der Kitaelternbeirat: „Es ist wichtig, da Flexibilität zu geben.“ Vor allem im Grundschulbereich gebe es momentan häufig Fälle, wo Eltern Geschwisterkinder von Quarantänekindern länger zuhause behalten wollten – was den Kindern wegen der Präsenzpflicht bislang aber als Fehltage angerechnet wurde, berichtet er. Der Brandenburger Pädagogenverband sieht das Vorhaben hingegen skeptisch. „Die Arbeitsbelastung liegt dann bei den Lehrern“, sagte Präsident Hartmut Stäker. Sie müssten jede Unterrichtsstunde dann zweimal leisten: einmal online und einmal für die Kinder, die in die Schule kommen. „Das halten die Lehrer vor Weihnachten nicht durch.“

Wie steht es um die lokale Gastronomie- und Hotelbranche in der vierten Welle?

Auch ohne zusätzliche Beschränkungen – derzeit gilt 2G – ist die Lage in der Gastronomie dramatisch. Umsatzeinbrüche von mehr als 50 Prozent verzeichnet beispielsweise der Großgastronom René Dost, der das Innenstadt-Café Heider oder den Kutschstallhof betreibt. Durch die Absagen von Weihnachtsfeiern werde es gerade jeden Tag schlimmer. Das hänge weniger mit Regeln wie 2G oder 2Gplus zusammen, stattdessen aber mit der wieder zunehmenden Verunsicherung der Menschen angesichts der Lage. Und Kurzarbeit sei nur noch schwierig anzuwenden – die Frage sei, ob Mitarbeiter dann noch zurückkommen würden oder sich umorientieren. „Es wird immer schwieriger“, so Dost. Von einem spürbaren Umsatzrückgang und vielen Stornierungen von Feierlichkeiten sprach auch Kay Fock aus der Genusswerkstatt am Filmmuseum. Immerhin könne man aber noch auf einen guten Publikumsverkehr verweisen.

Auch das Kongresshotel am Templiner See leidet: „Wir hatten eigentlich eine sehr gute Buchungslage mit Veranstaltungen, Tagungen, Kongressen – das wurde reihenweise storniert“, sagte Hotelchefin Jutta Braun den PNN. Zwar sei das Hotel mit 2G in Betrieb, „aber bei dieser Nachrichtenlage traut sich natürlich kaum noch einer zu kommen“. Kurzarbeit will die Hotelchefin im Dezember dennoch nicht anmelden: „Das wäre demotivierend und frustrierend für die Mitarbeiter“, erklärt sie. Man habe vom Juni „bis vor einer Woche“ eine gute Geschäftslage gehabt: „Von den Reserven zehren wir jetzt.“ Dass die Maßnahmen gegen die vierte Welle jetzt so kurzfristig ergriffen werden, sei enttäuschend, sagte die Hotelchefin: „Wir hätten uns ein langfristigeres Vorgehen gewünscht.“ Vom Hotel- und Gaststättenverband verwies Landesgeschäftsführer Olaf Lücke auf jüngste Forderungen der Branche, dass wegen der Ausfälle einmal mehr ein Rettungspaket für die Betriebe nötig sei.

Wie reagiert der Handel?

Der Einzelhandel hält die geplante Ausweitung der 2G-Regel auf den Einzelhandel für zu weitgehend und warnt vor Einbußen im wichtigen Weihnachtsgeschäft. „Wir halten davon naturgemäß nicht viel, weil es eine zusätzliche große Belastung ist für den Geschäftsgang“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen. Der Einzelhandel mache einen Bruchteil am Infektionsgeschehen aus. „Wir erleben auch in der brandenburgischen Regierung die gefährliche Tendenz, statt Brandnester gezielt zu bekämpfen, den ganzen Wald zu fluten.“ Er befürchte, dass sich dies negativ auf das Weihnachtsgeschäft auswirke, das teilweise 40 Prozent des Jahresumsatzes ausmache. Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg kritisierten die Pläne ebenfalls. Er habe aber Zweifel, ob die 2G-Regel im Einzelhandel den Impfdruck und die Zahl der Impfungen erhöhe, sagte Sprecher Carsten Brönstrup.

Wie werden die 3G-Regeln in Bussen und Bahnen kontrolliert?

Die Kontrollen sollen ab dem heutigen Mittwoch durch die Fahrkartenkontrolleure vom Sicherheitsdienstleister GSE Protect durchgeführt werden, kündigte der Verkehrsbetrieb Potsdam (ViP) an. Fahrgäste müssen auf Nachfrage einen Impfnachweis, eine Genesenen-Bescheinigung oder einen Test, der nicht älter als 24 Stunden ist, vorweisen. Schüler:innen sind davon ausgenommen. Auch für das Fahr- und Kontrollpersonal gilt 3G. Das soll laut Verkehrsbetrieb unter anderem auf dem Betriebshof kontrolliert werden. Wegen der verschärften Infektionslage bleiben bei den Bussen nun zudem die Vordertüren für den Einstieg geschlossen – wie schon in früheren Pandemiephasen.

Die 3G-Regel sorgt allerdings auch für grundsätzliche Probleme. So schrieben ungeimpfte Leser aus Potsdam-Mittelmark an die PNN, beispielsweise in der Gemeinde Schwielowsee gebe es aktuell nur eine einzige Teststelle mit eingeschränkten Öffnungszeiten – für Pendler sei das definitiv zu wenig. In Potsdam gibt es aktuell mehr als 25 Teststellen, zum Beispiel in Apotheken. 

Welche Auswirkungen gibt es noch?

Zahlreiche Absagen gibt es in den unterschiedlichsten Bereichen. Verschoben wurde nun zum Beispiel einmal mehr ein Prozess gegen drei Gegner des Baus der Garnisonkirche, die sich eigentlich Ende November wegen Störung der Religionsausübung vor dem Amtsgericht verantworten sollten. Es geht dabei um den von Protesten begleiteten Baustart für das Großprojekt, der im Oktober 2017 stattgefunden hatte. Doch der Prozess sei nun aus pandemiebedingten Gründen erneut verlegt worden – in den kommenden Juni, wie ein Gerichtssprecher bestätigte. So war vor Ort mit vielen Unterstützern aus der linken Szene zu rechnen.

Erste Einschränkungen gibt es auch in den Kirchen – so sind in der katholischen St. Peter und Paul-Gemeinde für den Samstag und Sonntag bereits Abendgottesdienste unter 2G-Bedingungen angekündigt, ebenso noch einzelne 3G-Veranstaltungen. Diese Entscheidung des katholischen Erzbistums Berlin, in der Regel nur noch geimpfte oder genesene Besucher:innen zu Gottesdiensten zuzulassen, kritisierte die Brandenburger AfD. Damit würden ungeimpfte Gläubige diskriminiert, sagte die kirchenpolitische AfD-Fraktionssprecherin Kathleen Muxel. Und wörtlich weiter: „Wer an den Herrn glaubt, sollte sich vor der Plage Corona nicht ängstigen.“

Wann kommen die angekündigten Impfstellen in Potsdam?

Dazu will sich der Krisenstab der Stadt am Donnerstag verständigen, hieß es aus dem Rathaus. Ende der Woche ist mit Informationen zu rechnen. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false